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Anti-Wissenschaft

Links und Videos der Woche (2011/37)

 

  • Wie nah kann man den Dingen – und Leuten – eigentlich kommen? (engl.) (via Astrodicticum)

 

  • Ein Vogel imitiert eine Baustelle (via @Fischblog)

Hallesche Homöopathie

Kinderhand mit Gänseblümchen Eine Mail, die ich auch an meine Krankenversicherung, die Hallesche, geschickt habe:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

In der Mai-Ausgabe Ihres Kundenmagazins bewerben Sie auch Ihre neue kostenlose Gesundheitsbroschüre „Homöopathie für Kinder“ u.a. mit den Worten:

Besonders bei Eltern ist das Interesse an der Homöopathie groß. Zusammen mit dem Gräfe und Unzer Verlag haben wir daher die Broschüre „Homöopathie für Kinder“ aufgelegt. Auf 120 Seiten wird nach einer kurzen Einführung in die Homöopathie auf häufige Alltagsbeschwerden bei Kindern eingegangen. Außerdem gibt es natürlich Ratschläge, welche homöopathischen Mittel helfen können.

Nun hab ich diese nicht vorliegen (da sie leider auch nicht herunterladbar ist), aber anhand dieses (auch in der Onlineübersicht ähnlichen) Textes, des Verlages, der diverse ähnliche (und noch absurdere) Themenbücher im Programm hat, und des Titelbildes mit einer Kinderhand mit Gänseblümchen [exakt das Bild, das hier rechts oben zu sehen ist], das das falsche Klischee „Homöopathie = natürlich“ bedient, liegt die Vermutung nahe, dass sich nicht gerade um eine vernünftig-kritische Auseinandersetzung handeln dürfte.

Finden Sie denn nicht auch, dass man vernünftigerweise von einer Behandlungsmethode, die erwiesenermaßen aus nichts anderem als Placebos besteht, eher abraten sollte anstatt ihr irriges Heile-Welt-Image, das in großen (wenig bzw. falsch informierten, weil auch an den Hintergründen desinteressierten) Teilen der Bevölkerung noch weit verbreitet ist, noch zu fördern, auch und gerade wenn es um Kinder geht?

Wie sehr auch immer in Ihrer Broschüre „die Grenzen der Selbstbehandlung jeweils aufgezeigt“ werden (ein Zitat aus der Beschreibung des gleichnamigen Buches mit ähnlichem Seitenumfang aus dem GU-Verlagsprogramm, was mich vermuten lässt, dass es Ihrer Broschüre ziemlich ähnlich sein dürfte) – soll denn ein „hier, nimm ein paar Globuli, die helfen dir“-Vorgehen den Kindern einen – falschen – Weg für die Lösung künftiger, auch seelischer Probleme ebnen?

Der Pressetext für o.a. GU-Buch spricht ja auch von „Checklisten für Verletzungen bei Sport und Spiel, Insekten- und Tierstiche, Tierkontakte sowie Lebensmittelvergiftungen […] wie auch Hilfe bei seelischen Beschwerden“ – also wenn Homöopathie dort (bzw. in analogen Abschnitten Ihrer Broschüre) für mehr als „geben Sie Ihrem Kind was Süßes zur Ablenkung“ drinsteht, ist sie fehl am Platz (und auch dann zu teuer).

Sollen immer mehr Leute durch vorherige „alternative“ Medikation bei schwerwiegenderen gesundheitlichen Problemen oder gar Notfällen eine nötige nachgewiesen wirksame Behandlung verzögern und erschweren und dadurch verteuern (nicht gerade im Sinne der vielbeschworenen Kostenreduktion im Gesundheitswesen); sollen Kinder leiden, weil die Eltern, deren Homöopathen oder andere Bücher etwaige in der Broschüre genannten Grenzen ignorieren – „hat ja letztes Mal auch super gewirkt, und jetzt, ach ja, Erstverschlimmerung halt“? Soll die Hinwendung zu „modernen Voodoodoktoren“ und ihrem mystischen und realitätsleugnenden Gedankengut in- und außerhalb der Homöopathie – z.B. Impfgegnerschaft, ungeeignete Diagnoseverfahren, Wasserbelebung u.a.m. – weiter salonfähig gemacht werden?

Extremfälle mögen selten sein – aber dennoch zu zahlreich, und sie werden auch trotz der Erwähnung einiger Grenzen in einem Homöopathieratgeber immer wieder auftreten. Aber nicht nur angesichts der Extremfälle fände ich es wirklich besser, wenn Sie sich – u.a. mit meinen Beiträgen! – nicht für die Propagierung von scheinheiligen, wirkungslosen Pseudo-Alternativen einsetzen würden, sondern für die kritische Aufklärung und realitätsbezogene Information. Und das heißt im Falle der Homöopathie eben klar: Nichts drin, nichts dran.

Links zum Thema:

PS: Diese Mail habe ich auch auf meinem Blog veröffentlicht; es wäre nett, wenn Sie mir im Sinne eines offenen Dialogs gestatten, Ihre Antwort ebenfalls zu veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Update 28.7. Zusammengefasste Antwort siehe unten.


Foto: sherrie – Fotolia.com

Ein kerniges Gedicht

Projekt 42 Grade noch rechtzeitig mein nächster Beitrag zum Projekt 42 – bei dem die Teilnehmer mehr oder weniger spontan einen Text zu einem vorgegebenen, meist mehr­deutigen Wort schreiben sollen –, und in diesem Monat ist das Thema „Kern“. Und ich hab mal wieder etwas (in einem irgendwie „verschobenen“ Versmaß) gedichtet…

 

Der Kern
ob von Hunden
Funden
oder der Arbeit von Stunden
ist von fern
meist nicht zu sehn
man muss fühlen
auf die Zähn‘
oder wühlen
in der Masse
denn wer findet
es schon klasse
wenn erblindet
vom Schein
man glaubt schnell
‚ist das fein!‘
wenn ganz grell
ist der Lug
und teuer
der Trug
ungeheuer
letztlich die Verschwendung von Hirn, Zeit und Geld
wenn man ignoriert, wie sie wirklich ist, diese Welt

„Gewidmet“ allen Astrologen, Numerologen, Cranks und sonstigen Esoterikern und Pseudowissenschaftlern…

 

Links und Video der Woche (2011/14)

Aus-Bildung

Die Bildung muss wirklich ziemlich im Aus stehen bei so einer Anzeige auf den Sonderseiten zum Thema Ausbildung letzte Woche in den hiesigen Anzeigenblättern:

Anzeige: Ausbildung zum Quantenheiler

Eine Bildung in Sachen Quantenphysik kann dieser „Heiler“ sicher nicht aufweisen – offenbar noch nicht mal in den Grundbegriffen, denn er nennt seinen Quark zwar „Quantenheilung“, verliert aber auf seiner Webseite1 ungewöhnlicher­weise kein weiteres Wort über die Quantenphysik. Dort wird es quasi als Ersatz für (bzw. im Standard-Disclaimer neben) „geistigem Heilen“ verwendet; und die Praxis nennt er wiederum „für energetisches Heilen“.

Auch wird es als „traditionelle Quantenheilung“ bezeichnet, wo „traditionell“ doch sonst eher auf wesentlich Älteres als die Quantenphysik bezogen wird. Wo den üblichen „Geistheilern“ schon schnurz ist, ob ihr Tun eine nachweisbare Mehr-als-Placebo-Wirkung auf ihre Patienten hat – sie glauben ja meist selber dran, wer braucht da schon objektive Belege? –, will dieser anscheinend nur ein populäres Schlagwort bedienen, ohne sich auch nur so wenig mit den physikalischen Grundlagen zu beschäftigen, dass er wenigstens mit weiteren sinnentstellten Fachbegriffen herum­schwurbeln könnte. Muss doch schlecht fürs energetische Karma sein, sich solch eine Chance entgehen zu lassen…

Dazu passt auch dieser kuriose Satz auf der Seite:

Die häufigste Frage, die ich in diesem Zusammenhang höre: „Muss ich daran glauben, damit’s hilft?“ kann ich verneinen, denn eines gilt immer und überall – das Gesetz der göttlichen, heilenden Liebe, für die ich während einer Sitzung als Mittler fungiere ist stets für jeden Menschen im Überfluss vorhanden.

Kein alles-mit-allem-schwingend-verbunden-sagt-schon-die-moderne-Physik–Unsinn, sondern schlicht und einfach die „göttliche Liebe“, nur erweitert mit einem angeblichen „Gesetz“, einem Begriff, der in solch absurder Verwendung ja spätestens seit The Secret populär ist – der Ironie, dass er hier „kein Glaube nötig“ und „göttlich“ in einem Satz unterbringt, dürfte er sich auch nicht bewusst sein. Vielleicht sollte er sich da von seinen „geistigen Beratern, Engeln, etc.“ noch etwas besser beraten lassen…

Zu diesem Bezug aufs „Göttliche“ passt natürlich auch, dass er Pfarrer mit anspricht. Gleich und Gleich – religiöser Glaube und esoterische Glaubensmedizin, beide mit gewissen Problemen mit dem Realitätsbezug – mögen sich zwar gut gesellen, doch ob viele Pfarrer auf sowas anspringen? Und Ärzte? Ich würde ja sagen, Ärzte, die sich auf so ein nicht-evidenzbasiertes Niveau herablassen, verdienen diese Berufs­bezeichnung gar nicht, aber das wird den einen oder anderen sicher nicht abhalten. Am meisten Erfolg mit den Seminaren wird er da sicher unter seinesgleichen haben.

  1. torsten-gerbes.de/geistheiler_muenchen/geistheiler_muenchen.html archiviert bei WebCite am 9.2.11 []