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Astrologie

„Die Esoterik-Zeitschrift mit dem Fernsehprogramm!“

Blaue Edelsteine …wäre zumindest ein passender Untertitel für die Hörzu, wenn das so weitergeht. Ich benutze sie ja seit einiger Zeit ja nicht mehr, aber meine Eltern noch, und so konnte ich bei meinem weihnachtlichen Besuch einen Blick in vier Ausgaben werfen. Gut, noch nehmen Fernsehprogramm und andere Artikel den größten Raum ein, die Esoterik und Pseudowissenschaft nur einen Artikel – aber wer weiß, ob sich das nicht noch steigert…

Edle Gaben der Steine

In Heft 51/2008 wird natürlich die Existenz der Chakren und der angeblichen Heileffekte von (am besten dort) aufgelegten Edelsteinen durch ominöse Schwingungen als gegeben angenommen und vermeintliche „Beweise“ für die Wirkung der verschiedenen Kristalle genannt – Kritik natürlich Fehlanzeige:

Der Tübinger Experte Michael Gienger: „Bei Versuchspersonen wurden während des Auflegens mithilfe einer Elektro-Enzephalografie veränderte Hirnströme gemessen. Das beweist, dass wir auf die Steine energetisch reagieren.“

Nö, das beweist, dass die Versuchspersonen an eine Wirkung glaubten, die sich in ihren Gedanken, in ihrem Gehirn gezeigt hat. Kontrollgruppe mit anderen Materialien? (Ohne dass die Versuchspersonen das, was aufgelegt wurde, sehen konnten, versteht sich.) Übereinstimmung der Reaktionen mit den behaupteten Wirkungen? Ich vermute mal, sowas gab’s nicht… wäre doch mal interessant zu wissen, wie die Gläubigen auf z.B. Lego-Steine oder Bonbons reagiert hätten…

Siehe GWUP: Mineralmagie und schwingende Kristalle (Hervorhebung von mir):

Die Beobachtung einer von Mineralen ausgehenden Heilwirkung am Menschen ist also rein subjektiv und stützt sich auf psychologische Effekte wie den Placebo-Effekt, Autosuggestion und die Erzeugung positiver Assoziationen. Die eigentliche Heilwirkung geht also vom Menschen selbst aus. Der Stein ist dabei nur Mittel zum Zweck ohne direkte Heilwirkung.

Jahreshoroskop

Eigentlich keine Überraschung, dass in Heft 52/2008 für die „Wirkung“ des „mächtigen Mars“ samt sternzeichenspezifischen „Mars-Kraft-Kurven“ für 2009 vier Seiten verschwendet werden.

2012, Bewusstseinssprung, Erdmagnetismus, Fall der Mauer, Maya-Kalender, naturgegebene Göttlichkeit, Offenbarung, professionelle Seher, Quantenphysik, Sonnenaktivität, Synchronisationsstrahl

Sonne (Röntgen) Oder wie ein „Biophysiker“ namens Dieter Broers im Interview „Ist die Sonne unser Schicksal?“ (Hörzu 01/2009; auch online, sogar ausführlicher) durch die pseudowissenschaftliche Verquickung unzähliger Mystizismen einen permanenten Sonnenstich zu offenbaren scheint – den Eindruck habe ich jedenfalls. Lest es euch ruhig schon mal durch, wenn ihr wollt, ist an sich ganz „lustig“ (und wer weiß, wie lange es online bleibt) – vielleicht gehe ich noch in einem separaten Beitrag darauf ein, hier wäre der Platz zu knapp; ich weiß nur noch nicht, ob es ein ernsthafter Artikel mit der nötigen (aufwendigen) Recherche (noch dazu durch einen Mangel an frei verfügbaren Quellen erschwert) wird – dass das den Aufwand wert ist, bezweifle ich irgendwie – oder nur eine kurze lästernd kommentierte Zusammenfassung…

Dass ein Buch, das Dieter Broers unter dem Pseudonym Morpheus veröffentlicht hat – „Physik des Bewusstseins“, das ein Rezensent als „Verquaste Mixtur aus Wissenschaft und freier Phantasie“ beschreibt –, erwähnt wird1 und ebenso sein „Dokumentarfilm“ namens „(R)Evolution 2012?“, der im Februar ins Kino kommen soll, ist aber sicher kein Zufall.

Nachtrag (13.1.): Ich werde doch nichts weiter darüber schreiben. Es würde viele lange Recherchen (und den Kauf von Broers‘ Buch) erfordern, es richtig zu machen, und das ist es mir einfach nicht wert – zumal es sich auch nur um einen von unzähligen pseudowissenschaftlichen Mystizismen ohne nennenswerte Bedeutung handelt, der es eben in die Hörzu geschafft hatte.

» Ein Astronom beantwortet Fragen zu 2012. Darunter:
» Speziell zu Broers hier.
» Rezension von Broers‘ Buch „(R)Evolution 2012“
» EsoWatch über Broers

Gratis-Wahrsagerei

Gleich nach dem Sonnen-Interview folgt eine ganzseitige Anzeige von Maria Esmeralda, „eine[r] der erfolgreichsten und erfahrensten Hellseherinnen der Welt“, wie sie sich nennt – zu einer eigenen Website hat’s aber anscheinend genausowenig gereicht wie zu einem Wikipedia-Eintrag, nur zu einer Schweizer Postfachadresse und einer knappen Warnung im Call-in-TV.net-Forum –, die, bevor sie sich nach 35 Jahren Erfahrung in Selbst- und anderer Täuschung zurückziehen will, noch 500 Menschen ach so großzügig beschenken will: Mit „13 persönlichen Ereignis-Daten“, „goldenen Glückszahlen, ohne die kein Gewinn möglich ist“, und ihrem „berühmten Glücksbringer“. Wow! :roll:

(Der Text findet sich übrigens auch – mit kleinen Unterschieden zu dieser Anzeige – auf diesem Blog.)

» Mehr zu den „Fähigkeiten“ dieser Dame hier: „Maria Esmeralda und die wilde 13“.

Besuch bei Uri Geller

Heft 02/2009 – immerhin passend zur Zauber-Show. Was erfährt man? Der Besucher darf am Klavier spielen, Uris Biografie wird runtergeleiert, und vor dem nochmaligen Klavierspielen der bauchpinselnde Fast-Schlussabsatz:

Wer also ist dieser Uri Geller? Er ist kein Scharlatan. Er ist kein Trickser. Er ist ein Charismatiker, den das Leben geprägt hat. Er ist ein weiser Mann, der besser motivieren kann als jeder Politiker. Er ist ein Mann mit verblüffenden Fähigkeiten, die erhaben sind über alle Vorurteile.

Und der Leiter des Ressorts Medien und Aktuelles, der diese Hausbesuche macht und diesen Text ebenso geschrieben hat wie auch das obige Sonnen-Interview, ist über jeglichen auch nur ansatzweise kritischen Journalismus erhaben, scheint mir. Aber das ist halt die Hörzu…

  1. das erste Werk hieß „Matrix-Code“, ein offensichtlicher Versuch, auf der entsprechenden Film-Welle mitzuschwimmen, ohne, wie es scheint, thematisch wirklich zu passen []

Links der Woche (2008/51)

Der Vollmond in der Weinflasche und die himmlischen Kumpel

Mond Wieder ein Blick zu den Angeboten der Esoterik-Messe vom November – aber Vorsicht, dass ihr nicht betrunken werdet. Es geht nämlich um einen „Mondzauber“ genannten Rotwein vom Weingut Dieter Mann. Sein schwarzer Werbezettel lädt uns auf der einen Seite ein:

Zu einer Weinprobe
Zu einer Planwagenfahrt mit Weinprobe
Zu einer Mountainbiketour durch die Weinberge

Zwar eine ungewöhnliche Kombination, aber noch nicht esoterisch. Wenden wir den Zettel also, um uns einem Weinflaschenetikett zuzuwenden, mit einem Logo in Form eines Engels auf dem Mond und dem kaum zu lesenden Text (im Web besser) darunter:

Geerntet bei Nacht, dass verleiht ihm die Kraft,
bei Vollmond sollet es sein, macht zum Ritus diesen Wein!

Das mit dem dass üben wir besser noch mal. Aber ansonsten findet er mit diesem Spruch und dem anderen Kram sicher seine Kunden. Das, äh, Gedicht darunter korrigiert immerhin den Fehler und nennt das Weinlesedatum und mehr esoterisches Geschwurbel. Im Web wird’s dann ausführlicher:

[ Mondzauber ] energetischer Rotwein der Rebsorte „Saint Laurent“. Die Trauben wurden in der magischen Engelnacht am 26.09.2007 in den Vollmond hinein (mit zunehmender Mondenergie von 20:00 – 21:46 Uhr) von Hand geerntet und sofort weiterverarbeitet. Diesen Wein erhalten Sie exklusiv nur beim Weingut Dieter Mann.

Um 21:47 Uhr waren die Engel dann schon im Bett? Fand die Weiterverarbeitung auch im Freien unter dem Vollmond statt? Wurden die Fässer später beim nächsten Vollmond offen ins Freie gestellt? Und das Wasser, mit dem die Reben gegossen wurden, kam doch nicht etwa aus einem Tank, in den es bei Neumond gefüllt wurde? 8O

Anwesend waren zahlreiche Besucher und angesehene Fachleute aus den verschiedensten Bereichen. So bescheinigte z.B. der bekannte Geistheiler Edmund Hoffmann unserem Wein „…eine hochenergetische Ausstrahlung…“ und der renommierte Pendel-Praktiker Werner Gießing pendelte unseren Wein mit einem überdurchschnittlich positivem Ergebnis aus.

Was sollten sie denn auch sonst tun, wo sie schon als Esoterik-Experten geladen wurden? Eine Krähe hackt der anderen nunmal kein Auge aus.1 Und was ist mit den „verschiedensten Bereichen“? Ich sehe nur einen.

Expertise

Mondwein-Expertise Wo wir schon von Experten reden: Eine Expertise (vom „Pendel-Praktiker“) gibt’s auch. Als PDF mit miserabel aufgelöstem Hintergrundbild einer Urkunde mit Siegel (und mit Text über dem aufgerollten Teil oben) – sogar in nebenstehender 20%-Ansicht sieht man die Kompressionsartefakte, und jetzt stellt euch das mal in A4 vor. :roll: Irgendwie konterkariert das die beabsichtige Wichtigtuerei…

Es wurde nachgewiesen dass der vorliegende Wein „Mondzauber“ in der magischen Engelnacht vom 26.09.2007 in den Vollmond hinein von Hand gelesen und sofort weiterverarbeitet wurde.

Ein paar Zeugen reichen dazu ja (auch wenn „nachgewiesen“ hier eine seltsame Wortwahl ist). Was hat der Experte nun expertisiert? Eine „Messung auf energetische Aufladung“ im Vergleich mit drei anderen Weinsorten, die Werte von „Minus 10 %, Plus 34 % und Plus 54 %“ ergaben, und: „Der zu prüfende Wein „Mondzauber“ ergab eine positive Aufladung von 84 %. Dieses Ergebnis ist in jedem Falle als erstaunlich hoch zu betrachten.“ Hinzu kam eine „Messung der menschlichen Aura nach dem Genuss von 0,2 Liter des Weines“ mit drei Probanden; Ergebnis: Die Aura „war nach dem Genuss erheblich harmonischer.“ Das sind ja erstaunliche Ergebnisse! Und wie fanden die Messungen nun statt?

Alle Messungen wurden mit einem 14 Gramm Goldpendel, sowie einem Tensor ausgeführt.

Aha. Ist ja auch eine höchst wissenschaftliche, exakte, zuverlässig reproduzierbare und alles andere als individuell beeinflussbare Messmethode. Immerhin passt sie in dieser Hinsicht zu den gemessenen Eigenschaften, mit denen das Zielpublikum schon was anfangen können wird. Hoffentlich gab’s keine Rundungsfehler bei den Prozentwerten.

Was ist überhaupt ein Tensor? Erinnert mich an mein Mathematik-Studium, aber das passt hier nicht. Dass die Zuckungen der Tensor-Muskeln in unterschiedlichen Körperregionen – vor allem dem im Oberarm – beim Pendeln eine Rolle spielen, passt schon eher, aber der Experte wird ja nicht einem Menschen den Muskel rausgerissen haben…

Dieser Wein ist […] auch für spirituell orientierte Menschen zu empfehlen. Die energetische Aufladung des zunehmenden Vollmondes wurde vollumfänglich nachgewiesen.

Der Vollmond wurde also auch ausgependelt und getrunken?

Die magische Engelnacht

Engel in rot Wir haben schon oben davon gehört – aber was soll das nun sein? Die Mondwinzer haben „selbstverständlich […] diesem Umstand mit einem speziellen Mondritual und einem Lichterkreis während der Ernte Rechnung getragen“ – und bieten einen zweiseitigen Artikel der „Astrowoche“ über diese Nacht (allgemein, ohne Wein) als PDF an. Dort heißt es dann unter anderem:

Es liegt etwas Friedliches in der Luft, etwas Sanftes. Die Waage regiert.

Aha, wir machen mal wieder eine Diät. Und anscheinend war sie erfolgreich, sonst wären wir ja nicht friedlich.

Ihr genau gegenüber funkelt der Mond im Widder.

Eine metallene Widderfigur? Oder funkelt er im Auge eines lebenden Widders? Aber wer stellt sich sowas ins Badezimmer??

Wenn wir uns nicht dagegen sperren, werden wir in dieser Nacht Kontakt zu unseren Engeln aufnehmen – die bei vielen von uns nur noch als ferne Ahnung existierten.

Merke: Es kann nie schaden, den Gläubigen schon mal selbst zu beschuldigen, wenn es nicht klappen sollte mit dem himmlischen Kontakt, so ist man selbst aus dem Schneider.

Unter dem Einfluss des Vollmonds haben sich auch noch Merkur und Pluto zusammengetan. Der Herr des eiskalten Verstands und der kosmische Hexer stehen in einem beflügelnden Sextil.

Moooment, wenn ein eiskalter Verstand auf ein Horoskop trifft, kann von letzterem nichts übrigbleiben. Umgekehrt sollten Astrologen auf solche Vorhersagen also besser verzichten…

Wir begegnen den Engeln nicht wie entrückten, körperlosen Wesen. Sondern eher wie guten alten Freunden. Wie himmlischen Kumpeln.

Mit denen wir dann ein Glas Wein trinken können. Auch keine schlechte Idee – zum Wohl! Welche Empfehlungen gab’s nun zu dieser Nacht?

Hören Sie auf Ihre Innere Stimme, achten Sie auf jedes ungewöhnliche Zeichen aus der Natur, was ein plötzlicher Windhauch sein kann, ein Vogel, der nachts auffliegt – es sind Zeichen, es sind Botschaften Ihres Engels.

Oder es ist einfach ein plötzlicher Windhauch oder einfach ein Vogel, der nachts auffliegt. Was übrigens alles andere als ungewöhnlich wäre. Ungewöhnlich ist höchstens, was solch gewöhnliche Eso-Spinner unbedingt in Alltägliches hineininterpretieren müssen. Bzw. sollen, man will seine Kunden ja nicht mit leeren Händen zurücklassen.

Wie Sie ihm näher kommen, was er Ihnen sagen will, wie er sich mitteilt, wie Sie ihn hören, ist von Sternzeichen zu Sternzeichen verschieden.

Klar, man muss ja die zwei Seiten füllen. So sollen die einen Kerzen anzünden, die anderen in den Wald gehen oder kraftvolle Musik auflegen oder sich in ihr stillstes Kämmerlein verkriechen. Die Botschaften unterscheiden sich dann auch – und sind wahrhaft von einer besonderen Qualität. Beispiele:

  • Setze dich durch, vertraue dabei nur deinem Verstand und der Intuition.
  • Überwinden Sie alles, was Sie belastet.
  • Sie wissen selbst, was Sie brauchen, Sie fühlen es.
  • Grüble nicht mehr danach, was die Menschen von dir denken.
  • Du hast manchmal Angst vor deiner eigenwilligen Meinung. Sprich sie aus.
  • Die Menschen lieben dich, dich muss man lieben!
  • Jetzt musst du endlich zeigen, was in dir steckt. Den richtigen Zeitpunkt dazu wirst du spüren.

Es ist übrigens ein noch ungelöstes Geheimnis, warum manche Sternzeichen geduzt und manche gesiezt werden; selbst die besten Astrologen dürften da keine eindeutige Lösung finden können. Aber zum Inhalt: Ja, ’tschuldigung, wozu noch die ganzen dämlichen variierenden Rituale, warum die Geräusche der Natur mühevoll mystisch zu deuten versuchen, wenn ihr uns eh schon sagt, was für Botschaften die Engel für uns haben??

Das mit den Stimmen der Natur – das muss doch genauer gehen (* = wurden im Astrowoche-Artikel genannt):

Wenn die Bäume knarzen*, hat der Engel Arthrose?
Wenn ein Bach murmelt*, spricht der Engel undeutlich, weil er nichts Sinnvolles zu sagen hat?
Wenn ein Bach laut plätschert, muss der Engel pinkeln?
Bei einem plötzlichen Windhauch* musste der Engel niesen?
Wenn ein Vogel auffliegt*, ist der Engel hässlich wie eine Vogelscheuche?
Wenn ein Vöglein zwitschert, hat der Engel einen Vogel?
Wenn ein Regenwurm furzt – was dann?

 


Foto Engel in rot: cooljinny/sxc

  1. Sagt zumindest das Sprichwort. Weiß jemand etwas über den tatsächlichen Wahrheitsgehalt dieses Spruchs? []

Ein Astrologe überprüft seine Vorhersagen

Wie ihr seht, bin ich kein allzu erfahrener oder begnadeter Zeichner vor dem Herrn1, aber diese Idee, angeregt u.a. durch die Diskussion(?) im Verlauf der Kommentare zu „Anthroposophische Streukügelchen“, musste ich einfach zeichnerisch umsetzen – wenn jemand eine bessere Leistung abliefern will, nur zu, die Idee lizenziere ich wie die Zeichnung selbst unter Creative Commons: :)

Cartoon Astrologe
(Anklicken für große Ansicht)

Creative Commons License

  1. und das nicht nur, weil ich an keinen Herrn glaube ;) []

Der Name ist Programm!

Dose Vollmond-Placebo - Sie müssen es nur glauben! Dieses Eindrucks kann ich mich jedenfalls nicht erwehren, wenn ich das esoterische Gelaber in der fast halbseitigen Anzeige im Donaukurier von diesem Samstag lese: „LABERTALER Vollmondwasser ist Lebensenergie“ steht dort in großer dunkelblauer Fettschrift.

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Ich war übrigens mal so frei, mit dem derzeit in ein paar Blogs erwähnten „Soft Drink Can Generator“ eine Dose für dieses Getränk zu entwerfen. ;)

Der Mond regt offenbar die Fantasie an – insbesondere die von esoterischen Toren und gewieften Geschäftsleuten. Über die „Vollmondin“ und ihre abstrusen und widersprüchlichen Bedeutungen in verschiedenen Mondkalendern hatte ich ja im Juni auch schon etwas geschrieben.

LABERTALER Heil- und Mineralquellen fangen im „Vollmondwasser“ die mystische Kraft des Mondes ein.

Sie fangen wohl eher die mystischen Mond-Verrückten – als Kunden. Diese Aktion hatten sie vor zwei Jahren übrigens schon einmal in einer etwas knapperen Formulierung, aber ähnlicher Aufmachung – siehe diesen Scan in ihrem (2008 noch nicht aktualisierten) Pressearchiv.

In diesem Artikel in der Mittelbayerischen Zeitung zum Start der Vollmondwasser-Abfüllung Anfang 2006 heißt es noch (Hervorhebungen von mir):

Beobachtet wurde das Procedere nicht nur von einem Notar, sondern auch von rund 200 geladenen Besuchern, die die erste Vollmond-Abfüllung probieren wollten. „Ganz normal“ urteilten die meisten. Was laut Geschäftsführerin Lilo Sillner logisch ist: „Vollmondwasser unterscheidet sich nicht durch Geruch oder Geschmack, sondern durch ein Plus an Bio-Energie – es ist lebendiger. Das ist aber Glaubenssache.

Glaubenssache – richtig. Die Zielgruppe will solchen Eso-Kram eben glauben und dafür auch mehr Geld ausgeben (auch wenn’s nur 50 Cent pro Kasten (20 Flaschen à 0,5 l) sein sollen, so zumindest dieser Artikel 2006) – und sich mal wieder selbst täuschen. Und, wen wundert’s, es gibt eben Verkäufer, die solche Wünsche wecken und bedienen.

Die Anzeige, die sich irgendwie nicht entscheiden kann, ob sie einen Artikel imitieren soll oder nicht – so enthält sie (wie auch die von 2006) einen einleitenden quasi redaktionell klingenden Absatz samt Ort und Namenskürzel, endend mit „Wir sprachen darüber mit LABERTALER-Geschäftsführerin…“, gefolgt vom „Interview“, aber auch große Abbildungen und Ähnliches, die keinen Zweifel am Anzeigencharakter lassen –, tönt da aber anders, weniger defensiv, natürlich nicht nur in der Überschrift, sondern auch im weiteren Text (Hervorhebungen von mir):

SCHIERLING (nw). Längst haben auch die hochzivilisierten Länder der Erde erkannt, dass ein wirklich gutes Leben nur im Einklang mit der Natur möglich ist. Viele Faktoren sind wichtig und sogar entscheidend. Einer dieser Faktoren ist der Mond mit der hohen Bedeutung seiner geheimnisvollen Urkräfte und mit den positiven Konsequenzen für das Wohlbefinden. Immer mehr Menschen passen Lebensrhythmus und Lebensweise dieser Rückbesinnung auf die Natur an.

Ja, die irrationalen Träumer und Mondkraftgläubigen werden kaum weniger, die „Rückbesinnung“ auf den Vor-Aufklärungs-Aberglauben scheint zuzunehmen – ein bedauerlicher Atavismus.

Die LABERTALER Heil- und Mineralquellen Getränke Hausler GmbH füllt seit über zwei Jahren bei Vollmond ein Mineralwasser ab, bei dem die bioenergetischen Schwingungen ihre stärkste Ausprägung erfahren.

Schwingungen, ja klar. Eines der Lieblingswörter von Eso-Anhängern. Bioenergetisch, mm-hmm. Wissenschaftlich fundiert und nachweisbar? Fehlanzeige, wie immer. De facto sind das leere Worthülsen, die reale, jedoch nicht existierende Wirkungen vorgaukeln sollen. Die einzigen Wirkungen sind Placeboeffekte bei den Konsumenten.

Im „Interview“ darf die Geschäftsführerin dann erst mit Allgemeinplätzen Platz verschwenden – hätte ein echter Interviewer eigentlich so eine Frage gestellt? –, bevor sie auf Detais eingeht:

Frau Sillner, wann genau wird das Vollmondwasser abgefüllt?

Sillner: Das LABERTALER Vollmondwasser aus dem LABERTALER Stephanie Brunnen wird nur bei Vollmond abgefüllt. Vollmond ist immer dann, wenn sich Sonne und Mond gegenüberstehen und die Erde dazwischen liegt.

Wahnsinn – wer hätte das gedacht! (Ist das der Teil der Antworten für diejenigen Mystikliebhaber, die sich gern von simplen wissenschaftlichen Platiüden einlullen lassen?)

Aus dieser Konstellation hat das Vollmondwasser einen ausgesprochen weichen und milden Geschmack und es ist ein Tiefenwasser von höchster Reinheit.

Mond Also ist das an anderen Tagen abgefüllte Wasser derselben Quelle nicht von höchster Reinheit…? Oder ist das Wasser doch exakt dasselbe…? Ich finde einfach keine Deutung dieses Satzes, die vorteilhaft für den Anbieter wäre…

Wieso ist eigentlich gerade der Abfüllzeitpunkt entscheidend? Das Wasser ist jahre- bis jahrtausendelang unter der Erde und tage- bis monatelang in der Flasche; was, wenn es währenddessen Licht vom abnehmenden Mond abbekommt? Oder gar Lichtenergie an den Neumond verliert? Oder könnte nicht eher der Zeitpunkt entscheidend sein, an dem man die Flasche öffnet und austrinkt? Schließlich kommt das Wasser erst dann mit dem Körper in Berührung!

Aber wahrscheinlich fällt den Esoterikern schon irgendeine „Begründung“ dafür ein.

Was sagt die Geschäftsführerin nun u.a. zu den Besonderheiten?

[…] mit seinem niedrigen Gehalt an Kochsalz wird das Ausscheiden von Schadstoffen gefördert.

Nur unterscheidet es sich darin nicht vom „normalen“ Wasser aus diesem „Stephanie Brunnen“, das sogar auf der Webseite (übrigens im benutzerunfreundlichen „Alles-ist-ein-Bild“-Design) selbst als „natrium- und kochsalzarm“ beworben wird; die Ergebnisse der amtlich anerkannten chemischen Analyse sind (natürlich) auch identisch. Also soll offenbar auch mit den Eigenschaften allen Wassers dieses Brunnens das Vollmondwasser beworben werden. Tja, so ist die Werbung halt…

Welche Erfahrungen gibt es mit dem Vollmondwasser?

Sillner: Die Rückmeldungen unserer Kunden sind sehr positiv. Sie bestätigen, dass man sich nach dem Genuss von Vollmondwasser vitaler und wohler fühlt, […]

Wetten, dass sie keinen Unterschied merken bzw. nur Zufallstreffer landen würden, wenn sie nicht wüssten, wann das Wasser abgefüllt wurde? So ist das bei Placebos nun mal.

Zum Schluss wird noch der Mondkalender beworben:

Sillner: Der Kalender zeigt die verschiedenen Mondphasen an.

Nun ja, manchmal ist es bewölkt, sodass ein Blick aus dem Fenster nicht reichen würde. Wozu auch immer man die Mondphase wissen wollte.

Außerdem stellt er den Einfluss der Mondrhythmen auf die verschiedenen Bereiche des Alltags dar.

Also ist er entweder sehr klein (selbst scheckkartengroße Taschenkalender können ja die Mondphasen abbilden) oder enthält sehr viel leeres Papier. Zumindest wenn nur reale Einflüsse drinstehen…

Es gibt Hinweise für die beste Zeit um Haare zu schneiden,

Den Hinweis geb ich jetzt kostenlos: Wenn sie zu lang sind.

Pflanzen zu gießen

Sollte das nicht eher von der Art der Pflanzen anhängen? Oder gibt jemand seinen Kakteen lieber so viel Wasser, wie es selbst für Seerosen zuviel wäre, nur weil ein Mondkalender das Gießen empfiehlt?

oder den Christbaum zu schlagen.

Autsch! Ähm, der Frühling wäre hier sicher ein schlechter Termin.

So ist er eine wichtige Hilfe für alle, die sich bereits am Mond orientieren und wieder mehr mit den Rhythmen der Natur leben wollen.

Oder die sich von irgendwelchem erfundenen oder überholten Aberglauben abhängig machen wollen.

Selbst wenn der Aufpreis aktuell auch nur 50 Cent betragen sollte und es dazu einen (im Handel sicher teureren) Mondkalender gibt – da so ein Teil nicht das Papier wert ist, auf dem es gedruckt ist, ist es immer noch zu teuer. Dafür tragen die Labertaler und diverse Getränkehändler zu dieser kleinen verstandverachtenden Vollmondkraft-Volksverdummung bei und verdienen sich ein kleines Zubrot damit. Und leisten dem Esoterik-Aberglauben weiteren Vorschub, egal ob nun neue Gläubige hineingelockt oder „nur“ die alten bedient werden.
:thumbsdown:


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