Was ist ein Gott wert, der nur noch extreme Naturkatastrophen als das einzige Mittel sieht, die Menschen von seiner Existenz und von seiner Liebe(!) zu überzeugen? Ist so ein Gott überhaupt einer Anbetung würdig?
Bertha Dudde (1891-1965), die selbsternannte Prophetin aus dem weiten Bereich der christlichen „Neuoffenbarung“, von der bei jener Esoterikmesse etliche Schriften auslagen – die natürlich auch komplett online verfügbar sind –, meinte: ja. Besser gesagt, sie meinte, ihr Gott meint das, da sie ja meinte, er spräche (bzw. schriebe) durch sie.
Dudde hat Tausende von „Kundgaben“ (sämtlich mit „Amen“ endend) geschrieben, die alle möglichen Themen abdecken – in diesem Beitrag greife ich die zum Thema „Weltbewegende Naturkatastrophe“ passenden heraus. Bezeichnenderweise begann sie ihre Prophezeiherei 1937, und das Wort „Katastrophe“ kommt in ihren während des 2. Weltkriegs geschriebenen Texten ähnlich häufig vor wie in den restlichen 22 Jahren zusammen. Auch die Art der Katastrophe wandelt sich nach dem Beginn des Raumfahrtzeitalters etwas – waren es u.a. 1940 noch Erdbeben, bei denen sich „gewaltige Wassermassen“ (wo auch immer die versteckt wären) ihre Bahn brechen, kommt 1959 noch ein Stern auf Irrwegen hinzu. Zitate:
„[…] und die Not wird immer größer, das Getöse wird immer lauter, die Erderschütterungen immer heftiger, die Erde öffnet sich, und gewaltige Wassermassen brechen sich Bahn aus dem Erdinneren.“
(Nr. 1538: Hergang der Katastrophe, 1940)
Wären Lavamassen nicht besser als Schreckgespenst geeignet? Weiß Berthas „lieber“ Gott denn nichts von Magma und Vulkanismus? Tja, da hat Berthas bescheidenes Wissen wohl nicht ausgereicht, um der Stimme in ihrem Kopf dies zu soufflieren…
„Und so wird sich ein Stern lösen aus seiner gewohnten Bahn und den Weg nehmen zur Erde. Und dieser Stern geht seinen Weg unabhängig vom Willen der Menschen, und er bedeutet eine große Gefahr für diese, doch sein Lauf wird nicht gehemmt, weil die Erde eine Erschütterung erdulden muß, zum Schaden und zum Wohl der Menschen auf ihr.“
(Nr. 7405: Ankündigung eines Sternes, 1959)
Ja ja, es ist zum Wohl der Menschen, weil sie so Gott erkennen könnten und ihre Seele, ihre geistige Entwicklung sich entfalten kann, indem das Körperliche zerstört wird. Mehr dazu:
„Daß eine entsetzliche Katastrophe über die Erde kommt, unterliegt keinem Zweifel mehr .... Grenzenlos ist die Liebe Gottes und grenzenlos Sein Erbarmen, und was über die Welt kommt, ist nur in Seiner Liebe begründet. Denn ohne dieses Geschehen wäre die Menschheit dem Untergang geweiht.“
(Nr. 2033: Katastrophe .... Erfüllung der Schrift .... Gottes Liebe zur Menschheit ....)
Anders ausgedrückt: Lieber sorgt Gott voller grenzenloser Liebe für grenzenloses Leid und den Untergang der Welt, als dies der Menschheit zu überlassen. »Meins! Meins! Dann mach ich’s auch selber kaputt, ätsch!«
„Der menschliche Wille allein ist die Veranlassung zu einem Vernichtungswerk von unvorstellbaren Ausmaßen, und als der Herr dies ankündigte, sah er den verkehrten Willen der Menschen voraus. Doch Sein Wille ist, die irregeleitete Menschheit zurückzugewinnen,“
(Nr. 1795: Anzeichen der Weltkatastrophe)
Ach wie nett, da gibt er uns den freien Willen, wohl wissend, dass wir irren würden – er brauchte wohl einen vorgeschobenen Grund, um mal so richtig auf den Putz zu hauen mit seinem Vernichtungswerk. Gott ist halt auch nur ein kleiner Rowdy.
„und Er wendet daher das letzte Mittel an, das wohl scheinbar ein Akt unendlicher Grausamkeit ist, jedoch nur die göttliche Liebe und Barmherzigkeit zum Beweggrund hat, denn es wird unzähligen Menschen die Erkenntnis kommen, und diese sind gerettet für alle Ewigkeit ....“
(Nr. 1795: Anzeichen der Weltkatastrophe)
Göttliche Liebe ist Katastrophe, Katastrophe ist Liebe – da hat der Po8 aber schon besseres Gott-Marketing gefunden…
„Gleichzeitig aber sollen die Katastrophen auf die Menschen so einwirken, daß sie den Anschluß suchen an Gott. Letzteres wird von den Menschen nur noch sehr wenig beachtet, und daher will Gott Sich ihnen wieder nahebringen, wenn auch in einer Weise, wo Angst und Schrecken die Menschen erfassen wird; doch so die Ereignisse angekündigt sind zuvor, erkennt der Mensch die Zusammenhänge, und er vertraut sich dann der Macht an, die ihm helfen kann.“
(Nr. 2086: Zweck der Naturkatastrophen)
Gott könnte sich auch mal überlegen, warum er so wenig beachtet wird – aber er ist da wohl wie ein kleines Kind, das die Wohnung mal eben „umdekorieren“ muss, um die erhoffte Aufmerksamkeit zu erheischen. Oder wie pubertierende Teenager voller Minderwertigkeitsgefühle beim Kräftemessen:
„Er macht ohnmächtig, was vorher kraftvoll und mächtig war, und Er zeigt ihnen, daß Sein Wille und Seine Macht stärker ist.“
(Nr. 2340: Göttliche Gerechtigkeit .... Eingriff .... Katastrophe ....)
»Ich bin stärker! Ich! Ich!« Nun, vielleicht sind es ja Trotzreaktionen, weil er erkannt hat, dass er’s mit der Vernunft und der Wissenschaft nicht aufnehmen kann.
Und dann hofft er auch noch darauf, dass die Menschen sich der Macht anvertrauen, die ihnen mit den Katastrophen all das Leid angetan hat. Und wenn’s nicht klappt, gibt’s eben die nächste Katastrophe, die übernächste, u.s.w. – bis er genug Menschen zum Glauben gezwungen hat. Aber nein, der Hooligan im Himmel will uns gar nicht zum Glauben zwingen – man siehe sich mal diese jenseitsmäßige Wortklauberei an:
„Ein außergewöhnlicher Vorgang, für den keine Erklärung zu finden wäre, würde die Menschen zwangsweise zum Glauben nötigen, und ein solcher Glaube ist nicht Gott-gewollt. Wo aber der Mensch selbst sich eine Erklärung geben kann, ist er nicht so leicht geneigt, eine göttliche Sendung zu erblicken in einer Naturkatastrophe. Tut er es dennoch, dann ist sein Glaube ein völlig freier und also vor Gott recht.“
(Nr. 1887: Geistige und irdische Erklärung der Weltkatastrophe)
Also keine Nötigung zum erzwungenen Glauben, sondern eine Nötigung zum freiwilligen Glauben! So argumentieren doch auch Erpresser und andere Verbrecher gerne. Folterknechte zum Beispiel, die à la Jack Bauer auch mal auf der guten Seite stehen können, sich viel öfter aber nur selbst dort wähnen:
„Nur der Tod schreckt die ungläubigen Menschen, und also stelle Ich ihnen den Tod vor Augen, doch nur in der Absicht, sie zu veranlassen, daß sie in der größten Angst nach Mir rufen, Der Ich allein ihnen das Leben erhalten kann, wenn irdisch keine Rettung mehr möglich erscheint.“
(Nr. 5678b: Erfüllung der Voraussagen .... Katastrophe zuvor ....)
Aber wann kommt die Katastrophe denn nun endlich? Immer hören wir nur „bald, bald“ – Prokrastination nennt man sowas heutzutage wohl:
„Ich kündige euch an, daß ihr euch schon im Beginn des inneren Aufruhrs der Erde befindet, daß nur noch kurze Zeit vergeht, da Ich durch Meine Macht in Erscheinung trete, und daß ihr darum nicht mehr lange zögern sollt, euch vorzubereiten auf die Zeit eures [der Propheten/Jünger] Wirkens.“
(Nr. 3720: Ankündigung der Katastrophe (1946))
Wischiwaschi-Aussagen sind immer gut, da kann man auf nichts festgenagelt werden. Und so wird halt der gleiche alte Quark in neuen Schläuchen jahrzehntelang weiterverbreitet; kurz vor ihrem Tod 1965 schrieb Dudde etwa:
„Und so auch kündige Ich euch nun das Ende einer Erdperiode an und habe dies schon immer getan, so daß selbst Meine Jünger dieses Ende noch während ihres Erdenlebens erwarteten. Doch stets waren Meine Prophezeiungen so gehalten, daß den Menschen keine genaue Zeit angegeben wurde, daß sie auch ständig damit rechnen konnten, weil dieses auch Meine Absicht gewesen ist, den Menschen ein nahes Ende immer vor Augen zu halten ....“
(Nr. 9008: Das Ende kommt ganz gewiß)
Ob sie arg entäuscht war, dass sich die ganzen Jahrzehnte lang keine göttliche Katastrophe ereignet hat? Aber der nächste „Prophet“ kommt wie das Ende ganz gewiss. Das Ende dieses Beitrags ist nämlich jetzt erreicht.
Amen
Sebastian1 04.12.2008 um 21:01 786 Kommentare
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Sehr guter Artikel…das bringt mich auf eine Idee. Eine fiktive Religion. In einem Blog. Die Idee hatte ich schon mal vor einiger Zeit,doch nicht weiter verfolgt.
Ein Blog mit einem speziellen Gott der Prophezeihungen verbreitet.
Durch die Blogger spricht.
cimddwc2 04.12.2008 um 21:51 6323 Kommentare
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Klingt nach ’ner guten Idee – darfst du gerne weiterverfolgen. Die Erzengel heißen dann Matt und Ryan, wie die WordPress-Chefentwickler?
Sebastian3 05.12.2008 um 10:39 786 Kommentare
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Da geht die Ideenschmiede auch schon los
Das ist echt nicht schlecht, diese Idee.
Pingback: The end is near! :: cimddwc4 05.12.2008 um 20:06