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Esoterik&Religion

Zwei Monde

Mondkalender Höchste Zeit für eine neue Folge der Irrungen und Wirrungen des Mondkalenders 2010 vom Moewig-Verlag – doch diesmal gibt’s noch mehr! Ein Unternehmen namens FID Gesundheit bzw. FID Verlag war nämlich so frech, mit einem Angebot für regelmäßige Mondkalender-Mails auf meiner Bloggerei.de-Detailseite in der Google-Werbung aufzutauchen, und die hab ich doch glatt mal abonniert…

Und so gibt’s – gespickt mit Werbung für eigene „natürliche Gesundheitsprodukte“, bei denen vermutlich der Wassermann-, pardon, Löwenanteil der Wirkung auf dem Placeboeffekt der hochtrabenden Werbesprüche beruht – eben auch ein paar vermeintliche Mond-Tips im bekannten Stil sowie einen Link zu einer Monatsübersicht, wo es entsprechend stichwortartig weitergeht.

Nun sind sich die beiden Kalender meistens durchaus einig darin, in welchem Tierkreiszeichen der Mond stehen soll, und einige Male raten sie auch ähnliche Dinge – wenn sie nicht wie so oft nur aneinander vorbeireden, d.h. der eine empfiehlt das eine, der andere etwas anderes. An manchen Tagen jedoch halten sie’s eher mit Paul Claudel:

„Ordnung ist die Lust der Vernunft. Unordnung ist die Wonne der Phantasie.“
(Paul Claudel)

Dass an einem Tag etwas gut und am nächsten schon wieder schlecht sein soll, ist ja noch die „gewöhnliche“ Beliebigkeit der Astro-Schwurbler. Aber einige Tage an der Grenze zwischen zwei Tierkreiszeichen rechnen die Kalender gerne unterschiedlichen Zeichen zu! Dabei sollte man doch meinen, dass diese uralte Erfahrungs­wissenschaft auch Regeln dafür hat, was mit geteilten Tagen zu geschehen hat… Und, oh Schreck, so kann es dazu kommen, dass jemand am falschen Tag die Wäsche wäscht! Sowas muss doch vermieden werden, liebe Mondkalender­autoren!

Aber selbst wenn beide Kalender einen Tag gleich einordnen, gibt’s Unterschiede – hier ein deutliches Beispiel vom 21. Juli:

Der Schütze bietet die ideale Gelegenheit, um Früchte und Beeren zu ernten. Sie können auch Unkraut jäten oder die Fenster putzen.

Zeit für Schönheitspflege, schlechter Tag zum Heimwerken, Wäsche waschen, Fenster putzen, für Malerarbeiten.

Am besten schmeißt man die Fensterscheiben gleich am 20. Juli ein, dann hat man da keine Probleme…

Oder wurde der Kalenderautor Opfer seines eigenen Tips für den Folgetag, dass der Schützemond „Horizonte öffnen“ könne, „aber auch die Gefahr der Übertreibung in sich“ berge?

Wie schnell keimt eigentlich Rasen?

Der eine Kalender rät nämlich:

Wenn Sie neuen Rasen säen möchten, ist heute ein guter Termin, da der Fischemond die Blattbildung fördert und der abnehmende Mond verhindert, dass er zu sehr in die Höhe schießt und dann schnell zu wachsen aufhört.

Am selben Tag dürfe man dem anderen Kalender zufolge aber keine Blumen gießen, umtopfen oder Bäume pflegen. Aber Rasen ist ja weder Blumen noch Bäume noch in Töpfen, und der Mond ist ja schlau genug, da zu unterscheiden. Das gilt sicher auch für einen anderen Tag, wo hie das Rasenmähen empfohlen, da vom Unkrautjäten abgeraten wird.

Ebenso weiß der Mond sicher, wieso man „Fließen[sic!] gründlich reinigen“ kann (Moewig), aber keine Fenster putzen (FID). Vielleicht weil der Mond durch Fliesen nicht durchschauen kann?

Diät für die intelligenten Augen

Bei manchem frag ich mich echt, was manche Möchtegern­ratgeber für Vorstellungen vom menschlichen Körper haben:

Wenn Sie Ihren Augen etwas Gutes tun wollen, verzichten Sie weitgehend auf die täglichen Katastrophennachrichten und den Klatsch der Tageszeitung – so eine „Augendiät“ wirkt sehr befreiend.

Als ob die Augen darüber nachdächten, was sie sehen. Aber nicht die Ohren oder besser gesagt das Gehirn dazwischen vergessen:

Achten Sie darauf, was man Ihnen heute zu sagen hat – es könnte wichtig sein!

Das war am Dienstag – den Rest des Monats können wir also alles ignorieren, was man uns sagt, juhu!

Und das ist gut, denn der spätere Wassermann-Vollmond-Tag „beflügelt die Phantasie, vor allem bei Vollmond ist die kosmische Anbindung besonders intensiv“ – so abgehoben kann man niemanden brauchen, der einem dreinredet…

Erwiesen und logisch?

Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, an Stiertagen Geldentscheidungen zu treffen.

Na da möchte ich mal die Studien sehen, die das erwiesen haben! Aber bitte erst am richtigen Tag, an dem das hier gilt:

Im Beruf sollten Sie die analytischen und logischen Mondimpulse zum konzentrierten Arbeiten nutzen.

*räusper* Liebe Autoren und Leser, die es noch nicht mitbekommen haben sollten: An „Mondimpulsen“ ist kein Deut logisch und analytisch.

Da passt zum Schluss ein depperter Spruch eines mystikliebenden Schriftstellers und Philosophen:

„Wissenschaft ist nur eine Hälfte, Glauben ist die andere.“
(Novalis)

Hälfte von was? Vom Leben? Pfft. Im Wunschdenken der religiösen Apologeten vielleicht.

Nicht mal auf die Mondkalender trifft das zu, denn wie gesagt: Wissenschaft findet man dort nicht. Dafür möglicherweise das Ergebnis des zweiten Schlussspruchs – ja, zur (WM-Trauer-)Feier des Tages gibt’s noch einen:

„Wer viel redet, der glaubt am Ende, was er sagt.“
(Honoré de Balzac)

Gell, liebe Eso-Schwurbler? Ihr könnt ja in riesigen Absätzen noch weniger Handfestes aussagen als Politiker…

 


PS: Für die noch nicht ganz dem Mond-Aberglauben anheim Gefallenen seien noch ein paar kritische Links ergänzt:

Das Fegefeuer hat versagt

Bischof Walter Mixa 2008 Wie sagte unser aller Lieblings-Exbischof Walter Mixa nach seiner Rückkehr in die Öffentlichkeit in einem Interview (Hervorhebung von mir)?

Der Druck, unter dem ich die vorgefertigte Resignation unterschrieben habe, war wie ein Fegefeuer. Drei Tage später habe ich sie in einem Schreiben an den Papst widerrufen. Ich wusste in den Tagen weder ein noch aus.“

Na, schauen wir doch mal, was die Wikipedia über diesen alten Marketing­schachzug der katholischen Kirche gegen die Höllenängste der kleinen Sünder zu sagen hat:

Das Fegefeuer (lat.: purgatorium), auch Reinigungsort genannt, ist nach der römisch-katholischen Lehre ein Prozess der Läuterung, in dem die Seele eines Verstorbenen auf den Himmel vorbereitet wird.

Das Fegefeuer ist sozusagen Qual, die man über sich ergehen lassen muss, weil sie aus der eigenen Unwürdigkeit heraus entsteht.

Wurde noch vor wenigen Jahrzehnten ausdrücklich gelehrt, dass „Gott solche Seelen in das Fegefeuer weist“, wo sie „große Pein leiden“, so geht die katholische Theologie heute im Allgemeinen davon aus, dass die Seele nach ihrer Selbsterkenntnis das Fegefeuer bereitwillig auf sich nimmt, um – von den schlechten Eigenschaften geläutert – in das Paradies eingehen zu können.

Also ich sehe außer den Bezug zur angeblichen „großen Pein“ nicht allzu viel Wesentliches, das zu Mixas Aussagen passt. Selbst wenn er immerhin – sorgfältig formuliert, wie mir scheint – irgendwie zugibt, dass ein großer Vorwurf tatsächlich möglicherweise wohl berechtigt war:

„Es war wohl sicher ein Fehler, dass ich in den letzten Monaten im Blick auf die „Prügelstrafen“, die mir vorgeworfen wurden, und die mir beim besten Willen immer noch nicht erinnerlich sind, dass ich da nicht gleich eingeräumt habe, dass ich das nicht für jede körperliche Züchtigung behaupten kann“

Aber ist das wirklich ein Zeichen von Sebsterkenntnis? Die Erkenntnis der Unwürdigkeit, die für die Qual im Fegefeuer gesorgt hätte? Gar eine Läuterung?

Angesichts des Widerrufs der Resignation gleich nach diesem seinem Fegefeuer?

Ich glaube, ich bin nicht der einzige, der das stark bezweifelt. Eher der nächste Schachzug im Bemühen um den Wiedereinzug in Amt und Ehren oder zumindest möglichst große Teile davon – quasi sein Stückchen Paradies auf Erden als Ziel nach der purgatorischen Pein. Isoliert wie er anscheinend ist – interessiert er sich jetzt in dieser Hinsicht überhaupt für irgendetwas anderes als sein eigenes Wohlergehen?


Foto: Dr. Christoph Goldt / Bischöfliche Pressestelle Bistum Augsburg (IBA), aus Wikipedia, CC-by-sa-Lizenz