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Esoterik&Religion

Könnte man

ngc1999cut Ein kleines Paradebeispiel für wissenschaftsverhackstückende Realitätsumdeutung in der Esoterik lieferte das hier schon öfter erwähnte Berliner Esoterikmagazin „Sein“ (von dem ich Anfang 2008 ein Exemplar im Zug gefunden hatte) in seinem Dezember-Editorial (Hervorhebung von mir):

unsere Realität, wie wir sie wahrnehmen, besteht nur zu einem geringen Teil – wenn überhaupt – aus Materieteilchen. 99 Prozent sind leerer Raum. Und diesen leeren Raum könnte man Bewusstsein nennen.

Könnte man. Wie man etwa auch einen Kometen eine Blockade nennen könnte, die Milchstraße Gott oder ein Photon schlecht fürs Karma. Oder, um beim Bild des leeren Raumes zu bleiben, die Lücke zwischen zwei Autos auf der Autobahn eine Verschwörungstheorie. Aber nur, wenn man unbedingt esoterisches Geschwafel mit Astronomie oder Physik würzen muss und sich nicht um die Realität schert.

Und wenn man’s mal konsequent deutet, hieße das, dass das Bewusstsein der Esoteriker leer ist…

Ein gigantisch großes Einheitsbewusstsein, von dem wir alle ein Teil sind. Dieses Bewusst- sein hat eine ungeheure Gestaltungskraft – schließlich macht es ja 99 Prozent der Realität aus. Auf dieser Kraft beruhen auch Placebo-Effekte, Geist- und Wunderhei-lungen.

Und schon wurde aus einem „könnte man“ die „Realität“. (Das einzig Reale hier ist aber der Placebo-Effekt.) Tja, der Phantasiereichtum der Esoterik insbesondere bei freien Assoziationen erstaunt immer wieder. Ein anderes aktuelles Beispiel ist, dass es die Liebe sei, die Elektronen an den Atomkern bindet

[…] wir beginnen, bewusst unsere Wirklichkeit zu gestalten. Und sehen dabei vielleicht, wo es noch nicht klappt, und machen uns dann eben auf die Suche nach den inneren Glaubenssätzen und Energieblockaden, die uns bei dem Sprung in eine neue Realität behindern.

Und das wäre ja ganz schlimm, wenn ein Esoteriker nicht in seine eigene neue Realität springen könnte und in der realen Realität feststeckte – Göttinnen bewahret! Also wünscht euch schnell noch mehr Hefte wie dieses mit dem Schwerpunkt Wünschen, bevor ihr an der Quelle, äh, wie Quelle endet, weil zu wenig Wunschbestellungen abgeschickt wurden!

[…] Viel Spaß dabei. Wir freuen uns auf Feedback.

Ich glaube, auf mein Feedback trifft das eher nicht zu…


Foto: Ausschnitt von NGC 1999 – NASA and the Hubble Heritage Team (STScI) (und nicht exakt zum Thema passend, aber schön)

Links und Videos der Woche (2009/51)

In eigener Sache:

Und jetzt die allgemeinen Links:

Die einzig wahre Nostradamus-Interpretation

nostradamus Der Liebling aller Wahrsagergläubigen, Nostradamus, wäre heute 506 Jahre alt geworden.1 Na wenn das kein Anlass ist, hier und heute die Einzig Wahre™ Interpretation der verklausulierten, metaphorischen Vierzeiler, die von unzähligen Möchtegern-Experten in unzähligen mehr oder weniger unsinnigen Interpretationen verhackstückt wurden, zu präsentieren!

Aus Platz- und Zeitgründen kann ich natürlich nicht hunderte Quatrains bearbeiten, deswegen muss ich mich auf zweimal drei beschränken; diese wurden zufällig ausgewählt, was bedeutet, dass es nach dem Kosmischen Gesetz der Morphischen Anziehungs­resonanz, durch das der Zufallszahlen­generator gesteuert wurde, die für das aktuelle und zukünftige Geschehen wichtigsten sind.

Für die Originaltexte habe ich mich bei den Scans von nostradamus-bibliothek.de bedient, darunter stehen meine unfehlbaren, überaus exakten und direkten Übersetzungen (hinzugefügte Ergänzungen bzw. Füllwörter stehen in eckigen Klammern) – wie es aussieht, hat Nostradamus gar nicht auf französisch geschrieben, mein Mangel an Kenntnissen des Altfranzösischen spielt also keine Rolle, süddeutsche Dialekte helfen da mehr –, gefolgt von genaueren Erklärungen und Interpretationen, meist zeilenweise.

 

V 94:
Translatera en la grand Germanie,
Brabant & Flandres, Gand, Burges & Bologne:
La trefue fainte le grand duc d’Armenie,
Assaillira Vienne & la Cologne.

(1) [Die] Transe [mit der] Latte im großen Germanien,
(2) brabbelt und flaniert, gähnt, [mit] Burschen und Böllern
Das kann nur von einem neuen „Star“ des Nachmittagsfernsehens handeln – eine Talkshow mit Spaziergängen und Feuerwerk, moderiert von einem/r Transvestiten oder Transsexuellen.

(3) [Der] Leiterfuß [ist der] Feind des großen Duck aus Armenien
Einer der nächsten Donald-Duck-Comics wird also von einem kaukasischen Vorfahren Donalds handeln.

(4) Eine Seil-Ära [in] Wien und Köln.
Seilschaften bzw. Vetternwirtschaft haben in Wien und, wie sollte es anders sein, in Köln, wo der Klüngel schon sprichwörtlich ist, eine große Bedeutung. Werden sie an dem Tag auffliegen, an dem die genannte Donald-Duck-Geschichte erscheint?

 

IX 18:
Le lys Dauffois portera dans Nansy
Iusques en Flandres electeur de l’empire,
Neufue obturee au grand Montmorency,
Hors lieux prouez deliure à clere peyne.

Das ist ganz klar eine Vorhersage zu künftigen Simpsons-Folgen:

(1) Die Lisa [ist] doof, alles poltert [beim] Tanz [mit] Nancy [Reagan]
Lisa verliert ihre Intelligenz – hoffentlich nicht für immer –, und es wird heftig getanzt.

(2) Julius [Hibbert] und Flanders [werden durch] Elektrizität zu Vampiren
Ein Thema für die Halloween-Folge.

(3) [Ein] neuer Fuß an [der] Türe des großen Montgomery [Burns]
Mr Burns bekommt einen neuen Diener – wird es Sideshow Bob mit seinen großen Füßen?

(4) [Van] Horne liegt prustend [im] Delirium in klarer Pein.
Sideshow Mel (Melvin van Horne) hat einen heftigen Lachkrampf – sollte Krusty tatsächlich wieder richtig lustig werden?

 

X 67:
Le tremblement si fort au mois de May,
Saturne, Caper, Iupiter, Mercure au beuf:
Venus aussi, Cancer, Mars, en Nonnay,
Tombera gresle lors plus grosse qu’vn euf.

Hier geht es eindeutig um Astronomie und Raumfahrt:

(1) [Die] Letter [mit dem] Emblem [der] Ente, sie [fliegt] fort, oh Mäuse des Mai
Ein Raumschiff namens Letter fliegt unkontrolliert davon, weil Mäuse, die im Mai auf das Raumschiff gelangt sind, für Störungen der Antriebssteuerung sorgen. Offen bleibt aber, welche Raumfahrtnation eine Ente im Logo verwenden wird.

(2) Saturn kapert Jupiter [und] Merkur [ist] auch baff
Saturn wird den größeren Jupiter entführen oder verschlucken – das wird nicht ohne gravierende Auswirkungen auf das Sonnensystem und vor allem auf die Heilige Wissenschaft der Astrologie bleiben! Bereitet euch vor, Astrologen! Sogar Merkur – der Götterbote, der über alle Pläne der Götter Bescheid wissen sollte – ist davon überrascht.

(3) Venus, raus mit dir! (außi!)
Die Venus wird sich irgendwo verstecken – eventuell hinter Nibiru? Vielleicht muss sie mit all unserer positiven Energie dazu gebracht werden, sich wieder zu zeigen, damit die Welt nicht untergeht?

Krebs [bekommt auf] Mars eine Nonne,
(4) [Das] gräßliche Tombola-Los plus große Kufen, uff.
Nonnen sind nicht geeignet als Mars-Astronauten, die wohl in einer Lotterie ausgelost werden; bei den Landefähren und Marsfahrzeugen wird offenbar am Material gespart und nur große Kufen anstelle von Rädern verwendet, was für die Astronauten anstrengend ist.

 

Wir sehen also: Erst wenn man die alten Texte des guten Michel de Nostredame richtig liest, erhält man die wahren Einblicke in die Prophezeiungen, die uns völlig überraschende Erkenntnisse über uns und alles um uns herum vermitteln. Sich dabei zu sehr aufs Französische zu konzentrieren (und sich von manchen seltsamen Schreibweisen und seltsamen Wortgrenzen abschrecken zu lassen), schadet dabei nur, denn Nostradamus hat ganz offensichtlich für uns heute geschrieben, alles andere diente nur als Ablenkungsmanöver – wenn das kein Zeugnis wahrer Prophetie ist!

» Und wem diese drei Quatrains gefallen haben, findet im Agyon-Blog drei weitere!

  1. Wobei die englische Wikipedia auch den 21. als Alternativdatum angibt. []

Links und Video der Woche (2009/50)

https://youtu.be/VW5PByaR2EQ

Das wässrige Kleingedruckte

Vor anderthalb Jahren hatte ich schon über das „Wasser­aufbereitungs­system“ Aqua blue berichtet, das ein paar Mal im Jahr mit einem postkartendicken1 A4-Blatt als Zeitungsbeilage wirbt – mit angeblichen Vorzügen wie besserem Geschmack, weniger Kalkablagerungen, „vitalisiert Körper, Geist und Seele“ u.a.m. Ich habe die Anzeigen in der Zwischenzeit nicht genau untersucht, aber bei der heutigen ist mir eine Änderung gegenüber der vom Mai 2008 aufgefallen, die vermutlich neu ist.

So steht nicht mehr auf der einen Seite über einem großen roten Pfeil zur Postkarte der kleingedruckte Satz „Wissenschaftliche Versuche beweisen die Wirksamkeit von Aqua blue®“ – bei dem ob seiner Aussage die kleine Schriftgröße doch etwas verwundert –, sondern auf der anderen Seite2 den noch kleiner gedruckten (aber noch lesbaren) Absatz

Die von uns beschriebene Wirkung des Systems Aqua blue basiert auf der Überzeugung, dass sich Leitungswasser durch das System Aqua blue in seinem biologischen und auch physikalisch chemischen Verhalten verändert bzw. verbessert. Komplementär­wissen­schaftliche Untersuchungen, unsere eigene empirische Forschung sowie die positiven Erfahrungs­berichte unserer Kunden bestätigen dies. Dennoch ist dieses Thema in der wissen­schaftlichen Diskussion. Wir erachten es deshalb als unsere Pflicht, darauf hinzuweisen, dass die klassische Natur­wissenschaft die von uns beschriebenen Wirkungen nach wie vor bestreitet bzw. nicht anerkennt.

Ich finde ja, solche Sätze gehören in großer Fettschrift und mit dickem Rahmen gut sichtbar abgedruckt – ähnlich den Warnhinweisen auf Zigaretten­schachteln. Nun, „Komplementär­wissen­schaft“ ist offenbar dasselbe für die Wissenschaft, was „Komplementär­medizin“ (oder „Alternativ­medizin“) für die Medizin ist: Etwas, das von ihren Befürwortern als Ergänzung oder Alternative zur echten Wissenschaft propagiert wird, das aber an der objektiven Realität scheitert und letzten Endes bestenfalls einen Placeboeffekt bietet. Wie sagt man doch so schön?

Wie nennt man alternative Medizin, die wirkt?
Medizin.

(Als Nebenwirkung des Einfügens dieses „komplementär­wissen­schaftlichen“ Absatzes mussten sie die große Schriftgröße des restlichten Textes etwas reduzieren, was dann eine nicht mehr benötigte manuelle Silbentrennung zum Vorschein brachte, denn das Wort „Wasser-qualität“ ist komplett mit Bindestrich in eine Zeile gerutscht; und aus unerfindlichen Gründen ist links oben ein weißes Rechteck über dem Wasserfall-Hintegrundbild. Da hat wohl der Layouter nicht genug aufgepasst…)

Auf der Website (aqua-blue.de) finde ich diesen Absatz aber (noch?) nicht. Es gibt nur weiterhin die Gutachten-Seite3 mit der Einleitung „Die positiven Folgen wurden durch eine Reihe wissen­schaftlicher Untersuchungen nachgewiesen:“ mit einigen Gutachten, auf die ich letztes Jahr schon eingegangen bin – allerdings sind der lächerlich oberflächliche „Verträglich­keits­test“ sowie der Hinweis zu einer „Veränderung des Abbinde­verhaltens von Zement“ aus der Liste verschwunden. Warum auch immer.

Zumindest gilt dies für die deutsche Version der Seite. Die englische4 enthält diese aber noch, ebenso den Punkt

Change in the taste
of lemon juice, water and other beverages. With Aqua blue®: More aromatic, milder, less sour/bitter/tart.
Tested by:
Hundreds of clients and test subjects in trade shows and trade fairs

Ich glaube kaum, dass diese Tests mit Messebesuchern ordentlich doppeltverblindet waren – eine Verhöhnung der Einleitung „in a series of scientific studies“, möchte ich dann sagen.

Es gibt zudem noch eine Seite mit dem Titel „Hinweis“ und dem Inhalt „Hier folgt demnächst ein besonderer Hinweis“, aber da die URL das Wort „partner“ enthält, nehme ich nicht an, dass dort der „komplementär­wissenschaftliche“ Hinweis landen wird.
(Update 24.1.2010: Ich hab mich in diesem Punkt getäuscht, denn genau der oben zitierte Hinweis-Absatz ist in der Zwischenzeit auf dieser Seite gelandet.)

Übrigens gibt’s auch weiterhin keine Preisangaben auf der Website, sogar die AGB (hier unter Verachtung mehrerer Rechtschreib­regeln „AGB’s“ genannt) kann man nur über ein speziell dafür vorgesehenes Kontaktformular anfordern. (Auf der englischen Seite gibt’s gar nur die Zeile „General Terms and Conditions in PDF Format“, der irgendwie der Link abhanden­gekommen ist…)

Aber wer daran glaubt, dass ein mit einem Klettband an der Wasserleitung zu befestigendes geschlossenes Metallkästchen „ohne Chemie und ohne Einsatz von Strom oder Magneten […] dort permanent die Schwingung von reinem Quellwasser an das in der Leitung befindliche Wasser ab[gibt]“5 – im Widerspruch zu anerkannter und bestätigter Wissenschaft, falls das jemandem noch entgangen sein sollte –, den stört das sicher nicht und für den wird der Preis wohl eh sekundär sein.

Update 20.2.2010: In einer großen Zeitungsanzeige wird jetzt ein Preis genannt: 895 € „für ein Haus mit bis zu vier Wohneinheiten“. Bestimmt keine schlechte Gewinnspanne…


Siehe auch:

  1. sinnvoll, schließlich enthält es eine Postkarte zum Abtrennen… []
  2. Es ist schwer zu entscheiden, was Vorder- und was Rückseite ist – die eine betont „Weniger Kalk“ und enthält das Ankreuzfeld „Ja, ich mächte weitere Informationen…“ auf dem Postkartenabschnitt, die andere betont Geschmack und Gesundheit und enthält die Anschriftenseite. []
  3. www.aqua-blue.de/index.php/de/gutachten archiviert am 12.12.09 unter www.webcitation.org/5lyOj3R5y []
  4. www.aqua-blue.de/index.php/en/expert_opinion archiviert am 12.12.09 unter www.webcitation.org/5lyRHjzre []
  5. www.aqua-blue.de/index.php/de/montage archiviert am 12.12.09 unter www.webcitation.org/5lyQRvbDu []