Vor anderthalb Jahren hatte ich schon über das „Wasseraufbereitungssystem“ Aqua blue berichtet, das ein paar Mal im Jahr mit einem postkartendicken A4-Blatt als Zeitungsbeilage wirbt – mit angeblichen Vorzügen wie besserem Geschmack, weniger Kalkablagerungen, „vitalisiert Körper, Geist und Seele“ u.a.m. Ich habe die Anzeigen in der Zwischenzeit nicht genau untersucht, aber bei der heutigen ist mir eine Änderung gegenüber der vom Mai 2008 aufgefallen, die vermutlich neu ist.
So steht nicht mehr auf der einen Seite über einem großen roten Pfeil zur Postkarte der kleingedruckte Satz „Wissenschaftliche Versuche beweisen die Wirksamkeit von Aqua blue®“ – bei dem ob seiner Aussage die kleine Schriftgröße doch etwas verwundert –, sondern auf der anderen Seite den noch kleiner gedruckten (aber noch lesbaren) Absatz
Die von uns beschriebene Wirkung des Systems Aqua blue basiert auf der Überzeugung, dass sich Leitungswasser durch das System Aqua blue in seinem biologischen und auch physikalisch chemischen Verhalten verändert bzw. verbessert. Komplementärwissenschaftliche Untersuchungen, unsere eigene empirische Forschung sowie die positiven Erfahrungsberichte unserer Kunden bestätigen dies. Dennoch ist dieses Thema in der wissenschaftlichen Diskussion. Wir erachten es deshalb als unsere Pflicht, darauf hinzuweisen, dass die klassische Naturwissenschaft die von uns beschriebenen Wirkungen nach wie vor bestreitet bzw. nicht anerkennt.
Ich finde ja, solche Sätze gehören in großer Fettschrift und mit dickem Rahmen gut sichtbar abgedruckt – ähnlich den Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln. Nun, „Komplementärwissenschaft“ ist offenbar dasselbe für die Wissenschaft, was „Komplementärmedizin“ (oder „Alternativmedizin“) für die Medizin ist: Etwas, das von ihren Befürwortern als Ergänzung oder Alternative zur echten Wissenschaft propagiert wird, das aber an der objektiven Realität scheitert und letzten Endes bestenfalls einen Placeboeffekt bietet. Wie sagt man doch so schön?
Wie nennt man alternative Medizin, die wirkt?
Medizin.
(Als Nebenwirkung des Einfügens dieses „komplementärwissenschaftlichen“ Absatzes mussten sie die große Schriftgröße des restlichten Textes etwas reduzieren, was dann eine nicht mehr benötigte manuelle Silbentrennung zum Vorschein brachte, denn das Wort „Wasser-qualität“ ist komplett mit Bindestrich in eine Zeile gerutscht; und aus unerfindlichen Gründen ist links oben ein weißes Rechteck über dem Wasserfall-Hintegrundbild. Da hat wohl der Layouter nicht genug aufgepasst…)
Auf der Website (aqua-blue.de) finde ich diesen Absatz aber (noch?) nicht. Es gibt nur weiterhin die Gutachten-Seite mit der Einleitung „Die positiven Folgen wurden durch eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen nachgewiesen:“ mit einigen Gutachten, auf die ich letztes Jahr schon eingegangen bin – allerdings sind der lächerlich oberflächliche „Verträglichkeitstest“ sowie der Hinweis zu einer „Veränderung des Abbindeverhaltens von Zement“ aus der Liste verschwunden. Warum auch immer.
Zumindest gilt dies für die deutsche Version der Seite. Die englische enthält diese aber noch, ebenso den Punkt
Change in the taste
of lemon juice, water and other beverages. With Aqua blue®: More aromatic, milder, less sour/bitter/tart.
Tested by:
Hundreds of clients and test subjects in trade shows and trade fairs
Ich glaube kaum, dass diese Tests mit Messebesuchern ordentlich doppeltverblindet waren – eine Verhöhnung der Einleitung „in a series of scientific studies“, möchte ich dann sagen.
Es gibt zudem noch eine Seite mit dem Titel „Hinweis“ und dem Inhalt „Hier folgt demnächst ein besonderer Hinweis“, aber da die URL das Wort „partner“ enthält, nehme ich nicht an, dass dort der „komplementärwissenschaftliche“ Hinweis landen wird.
(Update 24.1.2010: Ich hab mich in diesem Punkt getäuscht, denn genau der oben zitierte Hinweis-Absatz ist in der Zwischenzeit auf dieser Seite gelandet.)
Übrigens gibt’s auch weiterhin keine Preisangaben auf der Website, sogar die AGB (hier unter Verachtung mehrerer Rechtschreibregeln „AGB’s“ genannt) kann man nur über ein speziell dafür vorgesehenes Kontaktformular anfordern. (Auf der englischen Seite gibt’s gar nur die Zeile „General Terms and Conditions in PDF Format“, der irgendwie der Link abhandengekommen ist…)
Aber wer daran glaubt, dass ein mit einem Klettband an der Wasserleitung zu befestigendes geschlossenes Metallkästchen „ohne Chemie und ohne Einsatz von Strom oder Magneten […] dort permanent die Schwingung von reinem Quellwasser an das in der Leitung befindliche Wasser ab[gibt]“ – im Widerspruch zu anerkannter und bestätigter Wissenschaft, falls das jemandem noch entgangen sein sollte –, den stört das sicher nicht und für den wird der Preis wohl eh sekundär sein.
Update 20.2.2010: In einer großen Zeitungsanzeige wird jetzt ein Preis genannt: 895 € „für ein Haus mit bis zu vier Wohneinheiten“. Bestimmt keine schlechte Gewinnspanne…
Siehe auch: