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Sprache

So alt wie gedruckt

Beim Lexikon-Verlag Merriam-Webster gibt’s ein „Zeitreise“-Feature, das einem (englische) Wörter auflistet, die in einem bestimmten Jahr erstmals in gedruckter Form vorkamen.

Auf Twitter haben sie aufgefordert, mal fürs eigene Geburtsjahr nachtzuschauen. Ich weiß jetzt nicht so recht, ob ich mich mit 1972 so wahnsinnig geehrt fühlen sollte: „alternative medicine“, „acupressure“, „Kirlian photography“… passenderweise immerhin auch „cash cow“ und „scammer“. In der seriösen Medizin war anscheinend einiges mit T-Zellen los.

„Garage band“, „glitter rock“ und „playlist“ macht die Sache wenigstens ein bisschen musikalisch, und Merriam-Webster will auch „floppy disk“ erst 1972 gefunden haben – die englische Wikipedia kennt aber eine Quelle von 1970.

Ansonsten kamen offenbar mehrere geschlechtsneutrale Begriffe à la „congressperson“ oder „stuntperson“ (statt -man) auf. Aber bevor ich jetzt noch mit Spaghettiträgern in die rote Zone gerate, verabschiede ich mich schnell mit „rubber-chicken“ – nicht „of, relating to, or being a series of social gatherings (such as fund-raising dinners) at which speeches are given“, sondern wörtlicher

Vom Bügeln und Verwöhnen durch Außerirdische

Also, äh, nicht wirklich. Aber zwei weitere Exemplare der Möchtegern-Erpressbetrüger, die vorgeben, sie hätten einen beim Masturbieren gefilmt. Zwei Exemplare, die das Schlechteste aus mehreren automatischen Übersetzungen kombiniert zu haben scheinen. Einer mit einer deutschen und einer mit einer brasilianischen Mailadresse großer Anbieter, was natürlich nicht viel heißen muss.

Hier also die „besten“ Auszüge. Der erste legte gleich mit dem Betreff „Sehr katastrophal folgen zum u“ richtig los, wo der andere nur „id“ und eine Zahl titelte. Aber dann!

Ich sehe Sie wirklich mögen zu Bügelte das Mitglied so Sie lesen Dies Botschaft!
Schrecklich vid von dir masturbierte wurde genommen mit der Hilfe von Ihre web camera. Ich bin sicher Das Ihre Geliebte wird sein entsetzt durch Dies!

Wo der „Brasilianer“ mit seiner Herkunft einen Volltreffer landet:

Ich können enttäuschen Sie, versuche es nicht wenden Sie sich an Rechtsorgane Sie werde nicht in der Lage sein zu Fang mich, wie ich bin ein Außerirdischer (so meine Deutsche Alphabetisierung ist schlecht).

… punktet der „Deutsche“ mit den kippenden Cops:

Cops kippen dir helfen, aber sie können sie versuchen.
Ich werde nicht prüfen diese Konto damit nicht antworten.
Achten Sie nicht auf meine Deutsche, Ich bin ein Ausländer

Schicksalhaft der „Brasilianer“:

Sie Schicksal 0.121 BTc an die Adresse […] und ich werde löschen alles Ihre schockierend video.

(Das wären übrigens rund 1000 €.) Dafür ist der „Deutsche“ bei der Drohung „besser“:

Wenn ich nicht erhalten das Geld Ich werde verwöhne deine ruf.

Alles in allem diesmal kein klarer 7:1-Sieg des „Deutschen“ über den „Brasilianer“, sondern eher ein gemeinsamer „Erfolg“ gegen die deutsche Sprache…

Ka oder Kwa

Quarantäne. Also nicht ich, nur sprachlich dank Coronavirus, also dem SARS-CoV-2, in aller Munde. Manche sprechen’s Karantäne aus – auch die Mehrzahl der Nachrichtensprecher, die ich in letzter Zeit gehört habe –, manche Kwarantäne. Der Duden ist auch ausschließlich für ersteres. Zur Herkunft – die bekanntermaßen irgendwas mit dem Französischen zu tun haben muss – schreibt er:

französisch quarantaine, eigentlich = Anzahl von 40 (Tagen), zu: quarante < vulgärlateinisch quarranta < lateinisch quadraginta = vierzig; nach der früher üblichen vierzigtägigen Hafensperre für Schiffe mit seuchenverdächtigen Personen

Ich tendiere auch eher zum Ka – auch wenn es etwas … seltsam ist, die erste Silbe französisch auszusprechen und den Rest, der ja sogar deutsch geschrieben ist, deutsch; oder sagt jemand Karotähn im Deutschen? Eben.

Wobei die übliche 14-tägige Corona-Quarantäne ja eigentlich eine quatorzaine ist, zu quatorze=14. Der Eindeutschungslogik zufolge also eine Quatorzäne oder Quatorsäne.

Wobei man sich jetzt noch fragen könnte, warum schon die alten Römer die harte tt-Mitte in quattuor=4, in quattuordecim=14 fortbestehend, für quadraginta=40 aufgeweicht hatten, sodass sie in der Folge im Französischen und fast allen anderen romanischen Sprachen ganz verschwunden ist (quarante), aber lassen wir das…

Palindrome

02.02.2020. Der „Palindromtag“ mit einem Datum, das von vorne wie hinten gleich zu lesen ist. Wie bei Wörtern und Sätzen: Otto ist ein einfacher Fall, Lagerregal vielleicht auch gut bekannt, oder aus Zeiten, in denen der Rassismus in manchen Wörtern noch ignoriert wurde, Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie, was auch immer die genaue Aussage davon sein soll. Der mittlere Buchstabe muss natürlich nicht wie bisher (habt ihr’s bemerkt?) doppelt vorkommen, siehe etwa die kulinarische Warnung Einhorn roh? Nie!

Manche helfen auch mit einer alternativen Schreibweise nach: Leonie bewegt Gewebe in Oel, was schon ein bisschen geschwindelt ist, denn niemand sagt Löni oder O-el.

Jetzt ist „Palindrom“ leider selbst keines. Spaßeshalber wurde zwar mal emordnilap (im Englischen) zu einer Bezeichnung für Wörter gemacht, die rückwärts lesbar sind und dabei ein anderes sinnvolles Wort ergeben, aber das hilft hier ja auch nicht weiter, denn palindrome wäre dann zwar ein emordnilap, aber mehr halt auch nicht. Vielleicht schafft es ja jemand, ein Kurzkrimi-Palindrom zu schreiben, in dem ein Palindrom Motiv für einen Mord am Nil mit einem Ap…fel? war?

Lassen wir die Gedanken weiter schweifen zu einem lautmalerischen „Wort“, das ähnlich beginnt und das vermutlich jeden, der alt genug ist, an den dazugehörigen Sketch erinnert und erst dadurch interessant wird: Palim-Palim.1 Leider fällt mir jetzt auch nicht ein, wie man daraus einen Palindrom-Satz basteln könnte. Tja.

Man könnte noch weiter (aus)schweifen und dabei etwa (nicht) mit Helikoptern im alten Ägypten landen (ja, ein Palimpsest), aber lassen wir das lieber.

Oder fast: Heute Nacht werfen die Amerikaner ja wieder ihren „Fuß“„ball“ vor Riesenpublikum durch die Gegend, die Iteration davon typischerweise mit römischen Zahlen schreibend, diesmal Super Bowl LIV. (Wäre das zu einer erträglicheren Tageszeit, würde ich’s mir sogar anschauen…) Römische Zahlen sind leider recht langweilig, was Palindrome angeht – neben den trivialen einstelligen und wiederholten (V, III, MM etc.) bleiben nur noch XIX, CXC und MCM sowie, falls akzeptiert, Kurzschreibweisen wie MIM, sofern ich jetzt nichts übersehe. Tja.

Nun ja, mal schauen, ob sich anderswo was Interessanteres findet, das nicht mit Tjas endet. Vielleicht mal beim Snooker reinschauen…

  1. So wie sich der Wikipedia-Artikel liest, war das nicht mal eine Didi-Erfindung… []