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Esoterik&Religion

Links und Video der Woche (2011/14)

Vergesst Nibiru, Uranus ist da!!!

Unzählige Spinner Erleuchtete verkünden seit Jahren die vernichtenden und/oder heilsbringenden Auswirkungen des nächsten Besuchs des Planeten Nibiru – kaum ein vielbeachtetes Video auf YouTube, der weltweit anerkannten Plattform für unumstößliche wissenschaftliche Beweisvideos, das ohne ihn auskäme, und was so viele Gläubige Wissenden ohne nachzudenken weiterplappern bestätigen, muss einfach wahr sein. Oder?

Denn was ist wirklich los? Nibiru ist nur kalter Kaffee, ein Sturm im Bierglas, ein intra­kraniales Strohfeuer – viel zu weit weg von der Realität, um beachtenswert zu sein! Nein, der wahre™ planetare Erlöser, die segens­bringende Stiege zum seelischen Aufstieg 2012, der bierernste Bewusstseins­beförderer ist ein anderer, eindeutig realer – wenn auch die Form etwas anders ist als von Astronomen erwartet und er in mehreren Teilen kommt:

Es ist Uranus! Und er ist schon da!! Hier ist das Beweisfoto:

Kleiner Kesselwagen der Urbanus-Brauerei, bei dem das B nicht mehr lesbar ist

Bleibt noch die Frage offen, wie Uranus hertransportiert wurde – seine Zugmaschine abzulichten, war mir leider nicht vergönnt. Welche Zugmaschine Gott wohl fährt? Braucht er/sie/es dazu einen Führerschein? Muss es/er/sie sich an die Licht­geschwindigkeits­beschränkung halten? Oder konnte sie/es/er es verantworten, diese wichtige Aufgabe einem niederen Engel1 zu übertragen? Waren es doch außerirdische Nicht-Götter? Wären diese überhaupt zu etwas so Außer­gewöhnlichem fähig?

Fragen über Fragen… Und so bleiben eben doch noch Große Geheimnisse™ bestehen, über die sich viele Köpfe sinnlose Gedanken machen können, sobald das Bier getrunken die Offenbarung gechannelt wurde und der Rausch die Erleuchtung eintritt…

:prost2:

  1. die Erzengel sind alle im Bergbau beschäftigt []

Links und Videos der Woche (2011/10)

Der alten Linde Sang und die Probleme mit Vorhersagen

Linde von Linn (Schweiz) Im Rahmen der immer wieder auftauchenden Diskussion in Konnas Weltuntergang-2012-Beitrag kam auch allgemein das Gespräch auf angebliche Hellseher; „Asgard“ hat u.a. ein Gedicht gepostet, das „Weissagungen“ enthalten soll. Das Thema insgesamt ist durchaus interessant genug, dass ich es hier aus skeptischer Sicht kommentieren will, auch wenn’s lang wird. (Zu anderen „Wahrsagern“ gibt’s ggf. ein anderes Mal mehr.)

Andere Meinungen sind natürlich auch willkommen – besonders wenn sie gut begründet sind… meinen kann und darf man eh viel, aber wenn’s eine Meinung über die Realität sein soll, muss sie sich auch objektiv daran messen lassen.

Asgard präsentierte das Gedicht mit diesen einleitenden Worten:

Der alten Linde Sang von der kommenden Zeit (um 1850)
Das Kernstück der Weissagung ist zweifellos aus der Zeit vor 1900 überliefert.
Eine Untersuchung des Papiers ergab das Jahr 1850. Das Lied von der Linde, aus der Stadt Staffelstein (Passau), könnte aber sogar auf Bartholomäus Holzhauser in das Jahr 1650 zurückgehen

Mal abgesehen davon, dass Staffelstein (Ort der Linde, in deren Stamm das Gedicht gefunden worden sein soll) knapp 250 km von Passau (Aufbewahrungsort bis zur Veröffentlichung 1947) entfernt liegt: Wie weiter unten noch zu sehen, wird im Text Hoffung in das 21. Ökumenische Konzil gesetzt, also liegt wohl nahe, dass das Gedicht (oder zumindest dieser Teil) geschrieben wurde, als das 20. Ökumenische Konzil – das 1. Vatikanische Konzil (1869/70) – zumindest einberufen worden war, also frühestens 1868. (Was einen deutlich späteren Termin natürlich auch nicht ausschließt.)

Aber A young Asian woman looks into a crystal ball bevor wir uns dem Gedicht zuwenden, überlegt euch mal kurz: Wenn ihr heute „mit der Gesamtsituation unzufrieden“ seid und warnende Weissagungen mit Happy End verfassen wolltet – was würdet ihr schreiben? Irgendwas mit Islamisten muss vorkommen, überhaupt eine angebliche Gefahr des Islam an sich, eventuell Nordafrika und die arabische Welt, und dass ein einst gemobbter Strahlemann (oder ein Nachfolger in seinem Geiste) das Land zurück zu seinen „christlichen Werten“ und zu neuem Glanz führen wird, zu mehr Gerechtigkeit und Wohlstand für alle trotz asiatischer Konkurrenz, und die negativen Auswirkungen des Klimawandels – etwa schwere Überschwemmungen, die gibt’s ja immer wieder, mit denen kann sich das Publikum identifizieren – werden nebenbei auch erledigt, und (ganz tagesaktuell) auch Katastrophen wie schwere Erdbeben überstanden. Und vielleicht wird der Strahlemann sogar noch Papst.^^

Wäre vor ein paar Jahrzehnten während des Kalten Krieges nicht die Angst vor einem russischen Einmarsch und dem 3. Weltkrieg das beherrschende Thema gewesen – in den Grundzügen übereinstimmend bei mehreren Personen?

Und was hätte wohl ein Monarchiefan des späten 19. oder frühen 20. Jahrhunderts geschrieben, der vor derselben Aufgabe stand?

Doch nun zum – nicht gerade kurzen – Gedicht; wem’s zu lang wird, der kann ja ganz nach unten bis zum gähnenden Mann springen. Der Beginn ist eine Lobhudelei für die Linde, auf die man nicht groß eingehen muss:

Alte Linde bei der heiligen Klamm
Ehrfurchtsvoll betast’ ich deinen Stamm,
Karl den Großen hast du schon gesehn,
Wenn der Größte kommt, wirst du noch stehn.
 
Dreißig Ellen mißt dein breiter Saum,
Aller deutschen Lande ält’ster Baum,
Kriege, Hunger schautest, Seuchennot,
Neues Leben wieder, neuen Tod.
 
Schon seit langer Zeit dein Stamm ist hohl,
Roß und Reiter bargest einst du wohl,
Bis die Kluft dir sacht mit milder Hand
Breiten Reif um deine Stirne wand.
 
Bild und Buch nicht schildern deine Kron’,
Alle Äste hast verloren schon
Bis zum letzten Paar, das mächtig zweigt,
Blätter freudig in die Lüfte steigt.
 
Alte Linde, die du alles weißt,
Teil uns gütig mit von deinem Geist,
Send ins Werden deinen Seherblick
Künde Deutschlands und der Welt Geschick!

Inwiefern ein Baum tatsächlich allwissend sein kann, sei mal dahingestellt. :) Dass eine Linde über 1000 Jahre alt werden kann (Karl der Große wurde ja im Jahr 800 zum Kaiser gekrönt), ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Großer Kaiser Karl in Rom geweiht,
Eckstein sollst du bleiben deutscher Zeit,
Hundertsechzig, sieben Jahre Frist,
Deutschland bis ins Mark getroffen ist.
 
Fremden Völkern front dein Sohn als Knecht,
Tut und läßt, was ihren Sklaven recht,
Grausam hat zerrissen Feindeshand
Eines Blutes, einer Sprache Band.

Was genau heißt „Hundertsechzig, sieben Jahre Frist“? Die übliche Deutung ist anscheinend „160 Sieben-Jahres-Fristen“, also eine poetische Form in seltsamer Rechtschreibung, um 160*7=1120 Jahre auszudrückenn; +800 wäre also 1920. Durchaus naheliegend, dass jemand, der ein prophetisch-warnendes Gedicht schreibt, sich auf die nahe Zukunft bezieht – oder dass dieser Text tatsächlich erst nach 1920 entstanden ist. Eine bessere Deutung dieser Zeile fällt mir jedenfalls nicht ein.

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Zitate des Tages (27)

Zwei Zitate zum heutigen Aschermittwoch. Erstens: Der Münchner Kardinal Reinhard Marx beim „Aschermittwoch der Künstler“ (leider kein Äquivalent zum politischen, bei dem Künstler statt Politiker reden würden), gesehen in der Rundschau des Bayerischen Fernsehens, hier zitiert von seiner Bistumsseite:

Zu Beginn der Fastenzeit hat Kardinal Reinhard Marx die Gläubigen dazu aufgerufen, sich gerade in den nächsten 40 Tagen ernsthaft auf die Suche nach der Wahrheit in ihrem Leben zu machen. „Schein und Sein sollen nicht mehr auseinander fallen. Wir sollen nicht Blendwerk über unser Leben ziehen, sondern authentisch Zeugen sein.“

Als der Nachrichtensprecher zum ersten Mal das mit dem Blendwerk erwähnte, war ein großes goldglänzendes Kruzifix im Bild. Danach war der Kardinal selbst im O-Ton zu sehen – in festlicher Kleidung und mit glänzendem Stab. Und die Kirche ist ja auch nicht gerade ein schlichter Bau. Der Ironie dürfte er sich nicht bewusst gewesen sein… aber das wäre ja nichts Neues. Weiter:

„Die Wahrheit ist nicht einseitig, wir müssen sie vielschichtig ermöglichen“, so Marx.

Und natürlich wird auch nur seine Kirche genau wissen, welche „Seiten der Wahrheit“ tatsächlich wahr sind, denn ich glaube kaum, dass Marx hier allen anderen Religionen und uns Nichtgläubigen zugestehen will, ebenfalls die Wahrheit zu kennen – angesichts der Widersprüche ja unmöglich…

Und zweitens: Horst Seehofer beim politischen Aschermittwoch seiner CSU, an Karl-Theodor zu Guttenberg gerichtet:

„Du bist einer von uns, du bleibst einer von uns und wir wollen, dass du wieder zurückkehrst in die deutsche Politik.“

Ein Blender, der „schwere Fehler“ macht (wie Angie es ausgedrückt hat) und sie nur stückchenweise zugibt, wie sie eh schon bekannt werden? Eine Möchtegern-Lichtgestalt, der das eigene gute Aussehen (und damit meine ich nicht nur körperlich) wichtiger ist als die selbst propagierten Werte, die im Zweifelsfall halt auf der Strecke bleiben? Ja, so einer passt nicht nur zur CSU gut. Nur damit zu werben, ist ungewöhnlich…