In diesem Beitrag geht es zum einem um die Blog-Parade alias Blogkarneval des Misanthropen zur ursprünglichen Gretchenfrage
Gretchen: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“
(Faust, Teil I, Vers 3415)
Ist natürlich ein Thema, über das sich trefflich diskutieren und leider auch streiten lässt und das schon zu viel zu vielen Glaubenskriegen geführt hat. Hoffen wir, dass z.B. die Kommentare bei Konnas zufälligerweise passendem Beitrag nicht dahingehend ausarten.
Wie’s hier mitunter schon angeklungen ist, bin ich Atheist. Ich hab natürlich nichts dagegen, wenn andere glauben, solange sie mich und andere nicht aktiv zu missionieren suchen oder ernsthaft schaden oder gar, wie im Falle mancher Fundamentalisten, für den Nicht- oder Andersglauben bestrafen wollen, und die Verbreitung von zuviel antiwissenschaftlichen Unsinn à la Kreationismus gefällt mir auch nicht…
Ich brauche keinen Gott, keinen Himmel (im religiösen Sinne) und schon gar keine Kirche; auch nicht, um einen „Sinn des Lebens“ zu finden… was für mich der Sinn des Lebens ist? Kurzgefasste Antwort: Das Leben! (Und das meine ich nicht nur egoistisch.)
Nun mögen manche – wie z.B. Wu-Lan-Tong – anführen:
„Aber glauben Atheisten nicht auch?
Sie glauben an nichts, sagen sie.
Auch das ist ein Glaube, sage ich.“
Das sehe ich nicht so. Gläubige „müssen“ etwas glauben – an die Existenz einer höheren Macht, an Wunder oder andere Erscheinungen, denn diese Betrachtung lässt sich auch in Richtung des Paranormalen und diverser vermeintlich übernatürlicher Phänomene ausdehnen –, das sich rationalem, wissenschaflichem Zugang verwehrt. Atheisten – und, bei erwähnter thematischer Ausdehnung, Skeptiker – können von der Vernunftseite her, ganz pragmatisch, einfach auf die Annahme von bzw. den Glauben an solche „übernatürliche“ Elemente verzichten, denn es gibt eben einfachere, stimmigere Erklärungen.
Wenn man dieses Vertrauen in die wissenschaftliche Sichtweise als „Glaube“ bezeichnen will, muss man schon eine sehr weitgefasste Definition dieses Wortes nehmen, die von dem Glauben, der die Grundlage von Religion bildet, lichtjahreweit entfernt ist; eine Vermischung dieser Begriffe führt eigentlich zwangsläufig zu Missverständnissen.
Siehe dazu auch Phil Plaits ausführliche Erklärung „Is science faith-based?“ – man braucht lediglich die simple Annahme, dass das Uniwersum einem Satz Regeln gehorcht (und dass man auf diese durch Beobachtung schließen kann) – und die langen Diskussionen dazu…
Über die (Nicht-)Beweisbarkeit von Phänomenen – und die Probleme damit – (und ein paar andere Dinge) hatte ich mich ja auch schon anhand des Uri-Geller-Interviews auf ProSieben.de ausgelassen: „Ich glaube, dass wir von anderen Planeten hierher gebracht wurden“ – Beweis- und Glaubensfragen und die eigenwillige Gedankenwelt eines Uri Geller.
Als letztes (im ersten Teil dieses Beitrags) sei noch die kleine Umfrage, die ich im letzten Herbst hier in der Sidebar hatte, erwähnt, deren 42 Teilnehmer folgendermaßen abgestimmt hatten:
Kommen wir zu den anderen drei G des Titels – dem Thema Astrologie, gewissermaßen auch als Beispiel für einen Aberglauben, wovon ich persönlich „natürlich“ auch nichts halte. Die Zeitschrift Gehirn & Geist hatte eine Umfrage laufen (die ich im Dezember in meinen Links der Woche erwähnt hatte) zum Thema „Was halten Sie von der Macht der Sterne?“ – 464 Teilnehmer fanden sich, und immerhin 35% glauben, Sternzeichen würden zumindest ein wenig über Menschen aussagen. Das ganze Ergebnis kann man hier anschauen bzw. herunterladen.
Der dazugehörige Artikel „Die Kunst der Sterndeuter“ ist (komplett) als kostenlose Leseprobe verfügbar. Zwei Zitate daraus möchte ich hier anführen:
„Der Australier Geoffrey Dean, der auf Grund ernüchternder Befunde seine astrologische Tätigkeit aufgab, analysierte bis heute mehr als 50 […] Zuordnungsstudien. Sein Fazit: Seine Exkollegen können ein Horoskop, das anhand exakter Geburtsdaten erstellt wurde, einem Persönlichkeitsprofil oder einer Fallgeschichte nicht besser zuordnen als ein Zufallsgenerator.“
(Hervorhebug von mir.) Dass sich außerdem so viele Leute von Zeitungshoroskopen – die nicht mal auf exakten Geburtsdaten basieren (können) – angesprochen fühlen, liegt natürlich daran, wie diese formuliert sind:
Die Tricks der Profis
Wie gelingt es Zeitungsastrologen, dass sich so viele Leser in ihren Kurztexten wiederfinden? Die Germanistin Katja Furthmann identifizierte 2006 in ihrer Doktorarbeit sieben sprachliche Kunstgriffe:
- erschöpfende Themenpräsentation, zum Beispiel indem Gegensätze verbunden werden
- Gebrauch abstrakter Begriffe wie Chance, Problem …
- relative und mehrdeutige Formulierungen
- Integration zeitloser Wahrheiten
- Anschaulichkeit durch bildhafte Formulierungen
- astrologisches Fachvokabular
- Inszenierung von Nähe und emotionaler Beteiligung.
Furthmann, K.: Die Sterne lügen nicht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006
Ebenso lesenswert ist natürlich auch die Themenseite der GWUP. Und ein kurzer Link zu meinem Beitrag über einen Zeitschriftenartikel über Wahrsagen im TV sei auch noch angeführt.
juliaL491 25.02.2008 um 8:41 912 Kommentare
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Oh, das wird immer besser mit den Beiträgen zum Thema. Es gibt noch eine Blogparade, diesmal speziell von/für Atheisten. Vielleicht kannst du den Beitrag hier auch noch einreichen.
Ich stimme dir natürlich zu und bin auch dabei einen Beitrag zu verfassen, erstens wegen den beiden Blogparaden und weil ich ja gerade „The God Delusion“ lese.
cimddwc2 25.02.2008 um 9:18 6322 Kommentare
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Bei der „gottlosen Veranstaltung“ bin ich schon mit dem Geller-Interview-Artikel „Ich glaube, dass wir von anderen Planeten hierher gebracht wurden“ dabei.
Pas3 25.02.2008 um 17:05 23 Kommentare
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hm, der Uri-Geller-Beitrag ist mir grade zu lange…. Wo genau steht da deine Auffassung drin?
für alles? Der Urknall ist immer noch nicht vollständig geklärt/bewiesen, außerdem warum könnte das nicht Gottes Werk sein?. Und woher kommen die ganzen Naturkonstanten? Warum sind sie so und nicht anders? Ich interessiere mich sehr für diese Fragen, aber beantworten konnte sie mir noch keiner wirklich überzeugend. Und da, wo die Wissenschaft nichts weiß (sie wird nie alles wissen) hat meiner Überzeugung nach Gott seine Finger im Spiel (gehabt). Aber wie gesagt, ich kanns nachvollziehen, dass das nicht befriedigend erscheint.
genau diesen „Satz Regeln“ meine ich. Woher kommt der, wer hat sie aufgestellt?
Auch wenn es der Wissenschaft darum nicht geht (ich habe den englischen Artikel da nur überflogen), kann man sich diese Frage und wird man sie sich immer stellen können. Die ganzen meisten (es gibt ja auch böse Dinge, Atombombe etc…) Erungenschaften der Wissenschaft finde ich gut.
Aber im Prinzip ist es auch eine Art Glauben. Nicht so richtig, aber eher Annehmen, falls wir es so sagen. Wir nehmen an, es ist so, bis wir etwas anderes entdecken und dann finden wir einen neue Formel. Bis wir wieder was anderes entdecken…
Und die Fragen, die die Wissenschaft offen lassen muss lassen sehr wohl Glaubensspielräume. Wenn mir jemand was anderes beweist, dann gerne, aber wenn nicht, dann glaube ich weiter das, was ich jetzt glaube. Denn bis jetzt habe ich (wie die Wissenschaftler) die Erfahrung gemacht, dass es für mich gut ist und darauf gründet sich mein Vertrauen (womit ich Gottesglauben eher übersetze).
Ach ja und zu den Horoskopen: Meistens sind sie positiv formuliert, denn das lesen die Leute gerner ääh lieber. Und schon mal auf BTV/Astro TV geschaut? Die Fragen die Anrufer geschickt hintenrum aus und erzähĺen denen nachher nur das, was sie eben gehört haben…
cimddwc4 25.02.2008 um 17:50 6322 Kommentare
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Zum Geller-Artikel: ums Drachen-Bildchen herum geht’s ums Beweisen; du kannst auch nach Carl Sagan suchen. (Und am Ende spreche ich auch noch das allseits beliebte Theodizee-Problem an.)
Sicher, der Anfang von Allem (ob jetzt Urknall, Membrankollision (worin?), Endlosschleife, …) ist eine Frage, die sich schwer klären lassen wird, und wer will, kann einen Gott dahinter sehen. Muss man aber nicht…
Wären sie so anders, dass es keine Beobachter wie uns geben könnte, gäbe es uns nicht, die wir darüber nachdenken können. Dieses „schwache anthropische Prinzip“ kann man auch gut mit Multiversen-Theorien kombinieren, denen zufolge es viele weitere „Universen“ gibt, in denen die Konstanten und Naturgesetze anders sein können, auch ohne dass es „jemanden“ gibt, der sie aufstellt.
Mir scheint, solche kosmologischen Probleme bieten gewissermaßen eine „letzte mögliche Nische“ für einen Schöpfergott, wenn man bei solchen kosmologischen Kenntnissen denn an einen glauben will. Wobei man dann natürlich fragen könnte, wo und warum dieser wiederum herkommt…
(Technischer Hinweis: Mehrere Zeilenumbrüche bringen nichts, es sei denn, du schreibst zwischendrin ein
– alternativ gibt’s Trennlinien mit<hr/>
.)Pas5 27.02.2008 um 16:50 23 Kommentare
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das schwache anthropische Prinzip bereitet mir seit ich vor ein, zwei Jahren davon gehört hat, Probleme… Es ist ja keine „richtige“ Begründung^^
und woher Gott kommt, tja da bin ich überfragt, wahrscheinz hat er sich selbst erschaffen :p
Trackback: 49 Suns6 02.03.2008 um 15:55
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losthere9910 07.03.2009 um 5:26 1 Kommentar
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