Lieber Herr Bischof Fürst, dass Sie als Chef der Rottenburg-Stuttgarter eine Angst vor selbstbewusstem Gegenwind empfinden, ist irgendwie kein Wunder, und der verblendete Inhalt Ihrer Pressemeldung „Den Glauben mit guten Gründen verteidigen“ – auf die ich hier auszugsweise eingehen will – auch nicht.
So meinen Sie,
die Vorstellung von der Evolution sei grundsätzlich mit der Bibel und der kirchlichen Lehre vereinbar. Es handle sich um zwei Sichtweisen: zum einen um eine naturwissenschaftliche Erklärung, zum anderen um eine theologische Deutung der Weltentstehung.
Die naturwissenschaftliche Erklärung befasst sich mit der objektiven Sicht auf die überprüfbare Realität. Die „theologische Deutung“ will sich also absichtlich um eine Sicht kümmern, die nicht mit der Realität in Einklang zu bringen ist? Um die willkürliche Deutung von Fragen, die sie selbst rein zu dem Zweck aufwirft, sich eine Daseinsberechtigung zu fabrizieren?
So seien weder „die großartigen Erkenntnisse Charles Darwins zur Entstehung des Artenreichtums“ noch die Evolutionslehre eine Absage an den Schöpfungsglauben.
Nun, auf jeden Fall eine Absage an den Schöpfungsglauben gemäß Genesis, den Kreationismus, den Sie ja freundlicherweise – wohl als Zugeständnis an die hierzulande aufgeklärtere Klientel – auch offiziell ablehnen. Doch was bleibt dann noch davon übrig – außer einem schönen Beispiel für die Rosinenpickerei in Ihren angeblich göttlich inspirierten und wahren „heiligen Schriften“, wo je nach Lust und Laune manche Teile wörtlich, andere nur metaphorisch verstanden sein wollen?
„Richtig verstanden kann uns eine vertiefte Kenntnis der Evolutionsgeschichte mit all ihren großartigen und staunenswerten Seitenpfaden einführen in die Großartigkeit der Schöpfungsmacht Gottes“, betonte der Bischof.
Die Naturwissenschaft (nicht nur die Evolutionslehre) erklärt die Dinge sehr gut, ohne irgendeiner göttlichen Macht zu bedürfen, selbst für die letzten Lücken, in die sie Ihren Gott schon zurückgedrängt hat, – die Entstehung des Universums und seiner Naturgesetze selbst – gibt es gute Argumente. Richtig verstanden wäre der Verzicht auf „Gott“ und seine „Schöpfungsmacht“ die einzig sinnvolle Konsequenz.
Allerdings, so Bischof Fürst, liefere der Darwinismus für viele das Argumentationsmaterial für die atheistische Position, Gott existiere nicht.
Hey, immerhin ist das tatsächlich Argumentationsmaterial und noch dazu umfangreich und belastbar – was haben Sie denn außer Ihren jahrtausendealten Geschichtenbüchern und den Wahnvorstellungen (etwa „Marienerscheinungen“) Einzelner anzubieten?
„Die Konfessionslosigkeit zieht es in den öffentlichen Raum“, betonte der Bischof. „Aus einem latent und unterschwellig vorhandenen und weithin akzeptierten Agnostizismus ist ein offensiv und selbstbewusst auftretender und sich inszenierender ‚neuer Atheismus geworden.“
Ja, und das macht Ihnen Angst im Hinblick auf die davonschwimmenden Felle Ihrer Schäfchen, hm? Richtig so! Welches Recht hat die Konfessionszugehörigkeit auf eine alleinige Nutzung des öffentlichen Raums und des Auf-sich-aufmerksam-Machens?
Das Darwin-Jahr werde oft nur als Vehikel benutzt, um die atheistischen Thesen „auf offensiv werbende und teilweise auch auf subtil aggressive Art in die Gesellschaft hineinzutragen“.
Auf geht’s, Mit-Atheisten, benutzen wir einzelne Todestage oder erfundene Ereignisjubiläen als Vehikel, um in der Öffentlichkeit offensiv z.B. mit Prozessionen zu werben, errichten wir pompöse Bauten, die mit lauten Glocken ihre Gegenwart verkünden, und warnen wir subtil-aggressiv vor ewiger Verdammnis!
Die Argumentationsmuster, so Bischof Fürst, reichten von dem alten Versuch, Religion aus den Bedürfnissen des Menschen zu erklären, bis zu einer aggressiven „Destruktion alles Religiösen mit dem Instrumentar einer biologistischen Sprache“.
Und? Angst, dass es wahr sein könnte? Angst – oder Erkenntnis –, dass unsere Argumentationsmuster besser und realistischer sind als eure, die auch nach Jahrhunderten noch so ihre Problemchen haben, vernünftig und logisch zu sein? Angst, dass immer mehr Leute das erkennen?
Offensichtlich, denn wozu sonst diese Pressemeldung – oder wie tischl im Brights-Blog kommentiert hat: „Sie können es offensichtlich nicht mehr ignorieren. Es wirkt, sehr schön!“
So höhle die Bestreitung Gottes auch den Geltungsanspruch der Gebote Gottes aus. „Ich bin überzeugt, dass die moralisch handelnde Persönlichkeit, das auf Ethos und Moral basierende Zusammenleben und die auf Ethos und Moral basierende Verantwortung ins Wanken geraten, wenn die Gottesfrage existenziell negativ beantwortet wird“, sagte Bischof Fürst.
Mhm, Atheisten ziehen ja ständig mordend und vergewaltigend durch die Straßen, weil ihnen keine höhere Instanz das verbietet, wohingegen die Gläubigen aus Angst vor göttlicher Vergeltung lieber darauf verzichten. Was letztere dann wohl täten, wenn ihr Gott ihnen mal eine unbeobachtete Stunde gönnte?
Oh, doch keine solchen Atheisten zu sehen? Tja, Herr Bischof, vielleicht gibt’s ja auch noch menschliche Werte, die ganz ohne erhobenen göttlichen Zeigefinger auskommen – schon mal ernsthaft darüber nachgedacht? Von Ihren göttlichen Geboten bleiben dann nur die göttlichen Eifersüchteleien übrig…
Die Bestreitung Gottes sei „letztlich auch eine Kampfansage an eine alle bindende Moral“.
Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Behauptung Gottes (welches Gottes auch immer) ist letztlich eine Kampfansage an eine alle, nicht nur seine jeweiligen Gläubigen bindende Moral!
Wann hört diese Unverschämtheit endlich auf, Atheisten Moral und Ethos abzusprechen? Die Kirchen und Gläubigen haben das Monopol auf ethische Fragen weder gepachtet noch verdient!
Er fürchte, dass auch die zunehmende bedingungslose Bewertung aller menschlichen Lebensbereiche nach wirtschaftlichen Maßstäben hier ihren geheimen ideologischen Hintergrund habe. Die Entwicklung zu einem Wirtschafts- und Sozialdarwinismus, so Bischof Fürst, lasse ihn „sehr besorgt in die Zukunft unserer Gesellschaft schauen“.
Uuuh, eine böse Verschwörung, und Darwin ist an allem schuld – da kann nur noch ein neuer Ablasshandel helfen, schlage ich vor! Wundert es eigentlich noch jemanden, wenn Kirchenfürsten es nicht so genau nehmen mit der Unterscheidung der wissenschaftlich fundierten Evolutionstheorie, sozusagen dem „echten“ Darwinismus, vom Wirtschafts- und Sozialdarwinismus und insbesondere deren Anhängerschaften?
Christen müssten hier hellwach sein und ihre eigenen Glaubensüberzeugungen offensiv vertreten.
Ja, Christen dürfen das, aber wenn Atheisten ihre weltanschaulichen Überzeugungen offensiv vertreten – oder auch nur explizit in der Öffentlichkeit darüber informieren –, dann ist das natürlich pöhse! Wo kämen wir denn da hin??
Gott zu erkennen sei Gnade. Aber Glaubende müssten deshalb ihren Verstand keineswegs abgeben, sondern mit guten Gründen gegenüber den Herausforderungen der Gegenwart verteidigen.
Ich nehme an, diese Formulierung ist den Diözeslern etwas daneben gegangen, denn es sollte dem Titel (und dem Sinn) nach doch der Glaube zu verteidigen sein und nicht der Verstand – der sich hier schon gehörig winden muss, um die wissenschaftlich und vernunftgemäß unbegründete Postulation einer Existenz eines Gottes nicht zu verwerfen, und eher eine Verteidigung in die andere Richtung nötig hätte.
Nun, welche guten Gründe sind das jetzt? In dieser Pressemeldung hab ich keine gefunden.
Siehe auch:
urspr. via Brights-Blog — Foto (Orig.): Matt Ferrell/Fotolia.com