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Esoterik&Religion

„Das Buch Ihres Lebens“

Sternzeichen-Uhr Mystische Kleinanzeige in hiesigen Anzeigenblättern, Folge 627233:

Buch Ihres Lebens!
Jedes Lebensbuch wird individuell berechnet und erstellt.

Es wäre an sich auch ein Fotoalbum für alle Bilder seit der Geburt denkbar, aber „natürlich“ ist es astrologisch-mystischer Antirealismus-Mischmasch, wie auf der angegebenen Seite ([Ergänzung 22.10.:] bei der es sich effektiv um eine von mehreren Subdomains von astrobook.info handelt, anscheinend ein Vertriebssystem mit Verkaufsprovisionen; jemand hatte etwa nach „dein.astrobook.info“ gesucht, andere finden sich via Google) – und auch wenn NoScript mich zunächst davor bewahrt hat (aber wegen Javascript-Downloads abgeschaltet werden musste), eine Warnung: sie nervt mit einem geräuschvollen Flash-Header! – schnell klar wird:1

 Weltweite Neuheit:  Jahrtausendealtes, zum Teil geheimes Wissen wurde jetzt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht! Das Buch Ihres Lebens weiß um die verborgensten Bereiche Ihrer Persönlichkeit! Dieses Buch ist das Abenteuer der Entdeckung Ihres wahren Ichs.

Wessen Gehirnwindungen schon mal der eine oder andere kritische Gedanke über Astrologie geziert hat, dürfte auf diese Aussagen nicht allzu viel geben.

10 Persönlichkeits-Analysen, aus den verschiedensten Kulturkreisen der Welt, werden Ihnen helfen, Ihre wahren Fähigkeiten und Stärken zu erkennen. So können Sie in allen Bereichen erfolgreicher werden!

Nämlich eine astrologische Persönlichkeitsanalyse (mit 30 Seiten am stärksten), eine kabbalistische Namensanalyse, chinesisches, indianisches, indisches, atlantisches und Karma-Horoskop – und dann noch gezielte Horoskope für Beruf, Gesundheit und Flirt und Erotik.

Klingt für mich aber nicht nach etwas, das erst jetzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde, sondern eher nach einhundert Seiten voller Barnum-Gelaber: Gemeinplätze, in denen jeder etwas vermeintlich zu ihm Passendes findet und die nicht durch das, was sie aussagen, sondern höchstens dadurch zu etwas Selbsterkenntnis führen, dass man überhaupt über sich nachdenkt. Das macht aber – ungeachtet dessen, ob der Anbieter selbst glaubt2, was er da verkauft, oder nicht – die „objektiv unmöglichen“ Behauptungen der Astrologen und Mystiker auch nicht realitätsnäher und wahrer, und die Werbeaussage „das Buch Ihres Lebens weiß alles über Sie!“ wirkt angesichts der Barnum’schen Vielseitigkeit fast schon ironisch.

Tierkreis Und wen wundert’s: Diese Vermutung bestätigt sich3 beim Blick in die herunterladbaren Bücher für vier Prominente – Steffi Graf, Barbra Streisand, Franz Beckenbauer, Arnold Schwarzenegger. Doch zunächst zum Angebot:

Einzelanfertigung – jedes Lebensbuch wird persönlich für Sie erstellt

Wenn schon nicht in den Deutungen, so würde es, liebe Leser, dann doch bei Geburtsdaten und Namen auffallen, wenn dort etwas von anderen stünde…

Personalisierung – Ihr Name ist auf jeder Seite im laufenden Text enthalten

Wow, liebe Leser, sie schaffen es, Platzhalter im Text automatisch durch den Namen zu ersetzen! Wird das nicht zu viel des guten, liebe Leser, wo doch schon die verschiedenen „Analysen“ in einem Dokument kombiniert werden…? Aber wärt ihr, liebe Leser, erfreut darüber, mehrmals pro Seite, alle paar Absätze direkt angesprochen zu werden?

Spezialschrift: wir haben für das Lebensbuch einen speziellen Schriftfont anfertigen lassen

Na das ist ja wirklich ein tolles Verkaufsargument! Vergesst, liebe Leser, die hundert Seiten Gerede, sie verwenden einen eigenen Font!! Das gibt dem Inhalt gleich viel mehr Gewicht!! (Und nebenbei scheint es Copy&Paste und ein Durchsuchen des Inhaltes zu verhindern, weil keine Standard-Zeichen verwendet werden, sondern welche in der private use area von Unicode. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…)

50 % Rabatt – nutzen Sie noch rasch den extremen Einführungs-Rabatt

Und der liegt bei 19,95 € statt 39,90 €. Für eine „schnelle Lieferung per E-Mail als druckfähige PDF-Datei!“ – also, liebe Leser, noch nicht mal was zum Anfassen. Enttäuschend.

Ich hatte mir überlegt, ob ich für die vorhin erwähnten vier Prominenten die wesentlichen Punkte der je zehn Horoskope (bzw. neun Horoskope und einmal Numerologie) tabellarisch nebeneinanderstelle und euch raten lasse, welches Buch welchen Promi beschreibt, aber das war mir dann doch zu viel Arbeit. Also hab ich mir nur den „Kaiser“ genauer angeschaut (aber auch nicht komplett gelesen) und die anderen nur überflogen.

Ich fand mich übrigens selbst – wenn nicht in einem Absatz, dann im nächsten – recht gut beschrieben (und geschmeichelt). Bei allen vieren. Tja, so sind solche Texte eben formuliert…

Aber wozu auch die ganze Arbeit mit den Promi-Vergleichen, wenn sich schon die einzelnen Horoskope innerhalb eines Buches widersprechen? In der Einleitung steht zwar eine Ausrede im Hinblick auf „verschiedene Lebensumstände“, aber soll man die tatsächlich auch auf die grundlegenden Aspekte anwenden??

1-22 Sicher, mit der nötigen Kreativität erfahrener Mystikgläubiger findet sich fast immer ein Weg, sich hin und her zu winden und das alles doch noch scheinbar miteinander zu vereinbaren – doch wie viel Glaubwürdigkeit kann dann noch in der ganzen Mystik-Mixtur stecken? Ganz abgesehen davon, dass Astrologie und Numerologie noch nie ernsthaft bestätigt werden konnten, natürlich…

Ein paar Beispiele:

  • So heißt es in der Astrologischen Persönlichkeits-Analyse (1. Haus), „Sie, Herr Beckenbauer, schließen sehr schnell Freundschaften“, auch wenn die „oft unverbindlich bleiben“. Das Chinesische Horoskop (Doppelwoche) meint hingegen, „es ist Ihnen allerdings nicht gegeben, schnell Freundschaften zu schließen.“
  • Manche Horoskope betonen, Franz wäre beharrlich, diszipliniert und nicht sprunghaft, „sprunghaftes Verhalten, ruheloses Umherschweifen oder unüberlegtes Vorgehen sind […] überhaupt nicht nach Ihrem Geschmack“ (Gesundheit). Dafür hält das Kabbalistische es aber für nötig, vor dem Abgleiten in die Sprunghaftigkeit zu warnen, und Indisch betont einen „Drang nach Veränderung und Ortswechsel“, was zu „Ruhelosigkeit und Unstetigkeit“ führen könne.
  • Das Chinesische Horoskop nennt ihn besonnen, unbeweglich, er gehe keine unkonventionellen Wege; das 9. Haus schreibt ihm aber eine „nicht alltägliche Weltanschauung“ zu, man könne ihn für „exentrisch und weltfremd“ halten, und die Kreativität wird an mehreren Stellen immer wieder betont.
  • Im Atlantischen Horoskop heißt es:

    Die wässerige und romantische Rose
    Ihre träumerische und schwärmerische Veranlagung macht Sie, Herr Beckenbauer, zu einem empfindsamen und gefühlsbetonten Menschen, der sich sehr stark von seinen Emotionen leiten läßt.

    Im Gesundheits-Horoskop4, ganze zwei Seiten weiter:

    Die planvolle Jungfrau
    […] In Ihrer ernsthaften und nachdenklichen Art lassen Sie, Herr Beckenbauer, sich kaum von Emotionen beeinflussen, wer demnach versucht, Sie mit Komplimenten und lobenden Äußerungen um den Finger wickeln zu wollen, wird kläglich scheitern.

Ja, ’tschuldigung, wie realitätsentrückt muss man denn sein, um dann immer noch zu glauben, es würde auch nur ein Fitzelchen Wahrheit hinter den Horoskopen stecken?

Die Berufsanalyse nennt als „geeignete Berufe und Tätigkeitsfelder“ für Herrn Beckenbauer übrigens den juristischen Bereich, Verlagswesen (Verleger/Lektor), den feinmechanischen, den Verwaltungs- und den sozialen Bereich. Im großen Horoskop am Anfang, 10. Haus, steht noch die „Welt der Technik, wobei die modernen Gebiete bis zu Raumfahrt und Atomphysik an der Spitze stehen. Erfindungen sind nicht ausgeschlossen. Schließlich sind die Bereiche Psychologie und Psychoanalyse denkbar.“ (Nicht mal da kann sich das Buch einig sein, was wichtig ist…)

Da hat der Kaiser wohl irgendetwas falsch gemacht!

Steffi Graf auch: Der journalistische und schriftstellerische (Redakteur/Autor), der pharmazeutische (Apotheker), der kriminalistische, der Verkaufs- und der technische Bereich (Ingenieur). Schwarzenegger: Werbung, Management, Journalismus, Sport (Trainer), künstlerisch (Graphiker/Designer). Streisand müsste kaufmännisch, gastronomisch, musikalisch, im Gartenbau oder als Lehrerin tätig sein. Na immerhin nicht ganz ohne kleinere Treffer – gab ja genug Auswahl. Und, Stichwort confirmation bias, wer erinnert sich dann noch an die zahlreichen Nicht-Treffer?

So bleibt am Ende nur die Erkenntnis: Zehn Horoskope auf einmal ⇒ zehnmal so viel Barnum-Effekt. Aber kein Wissen, keine „Entdeckung des wirklichen eigenen Ichs“.


Linktips:


Fotos: zager/sxc, cinezi/sxc

  1. Hervorhebungen im Wesentlichen vom Original übernommen, aber ohne Farben []
  2. was man bis zum Beleg des Gegenteils natürlich annehmen sollte []
  3. wobei jede „Analyse“ noch eine allgemeine Einleitung hat, also nicht wirklich 100 Seiten Barnum-Text zusammenkommen []
  4. das sich übrigens nicht nur auf die Gesundheit beschränkt, sondern wie auch das Berufs-Horoskop genauso allgemeine Aussagen enthält, wie sich auch das große allgemeine Horoskop auf Gesundheit und Beruf erstreckt []

Links und Videos der Woche (2009/42)

(Hier war etwas als Flash-Objekt eingebunden. Nicht mehr zeitgemäß.)

 

 

  • Blechbläser spielen Bohemian Rhapsody – inkl. einiger witziger Einlagen (via @gillyberlin):

    https://youtu.be/hBLm747tyn0

Keine Götter?

betend Bei Thomas bin ich auf diese kleine Blogparade vom Fischkopp gestoßen, bei dem es um ein paar Fragen zu diesem Thema geht:

Was wäre wenn morgen jemand den wissenschaftlichen, absoluten Nachweis erbringen würde, das es definitiv keinen Gott, keinen Budha oder Allah gibt bzw. nie gegeben hat??? (Diese Fragestellung bitte ich als rein hypothetisch/philosophisch zu betrachten! Es geht nicht darum seine Religion oder Ansichten zu outen oder das Für und Wider zu diskutieren…)

Nun, den „wissenschaftlichen, absoluten Nachweis“ müsste man als Widerlegung der „Gottes­hypothese“, der Behauptung der Existenz eines wie auch immer gearteten Gottes sehen – mit dem klitzekleinen Problem (zumindest bei denjenigen Varianten, die die Bezeichnung „Gott“ auch verdienen), dass diese Hypothese nicht wissenschaftlich ist und sich der Falsifizierbarkeit entzieht, dass diese Fragestellung also definitiv nur hypothetisch sein kann; wenden wir uns also den einzelnen Fragen der Blogparade zu:

Was würde in der Welt geschehen?

Die Welt würde sich sofort in Luft auflös— nein, Spaß beiseite, es würde nichts Besonderes geschehen; vor allem nichts, was nicht im Rahmen der anderen Fragen beantwortet würde. ;)

Wie würden Milliarden gottgläubiger Menschen (Christen, Juden, Moslems, Budhisten…) darauf reagieren?

Ich denke, die allermeisten, insbesondere die tiefergläubigen Ottonormal­gläubigen würden das kurz zur Kenntnis nehmen und ganz einfach ignorieren – sie kümmern sich ja jetzt schon allgemein nicht um rationale Argumente gegen ihren Glauben und speziell nicht um wissenschaftliche Belege gegen bestimmte Elemente wie den wörtlichen Schriften­auslegungen der Kreationisten; diese würden sicher auch mit ihren kläglichen pseudo­wissen­schaftlichen Versuchen weitermachen, nur dass sie dann halt ein neues Ziel neben der Evolutionslehre hätten.

Einige mit schwächerem Glauben, insbesondere unter den westlichen Christen, die eh schon kurz vor dem Kirchenaustritt stehen, würden diesen hypothetischen Beweis dann vielleicht zum Anlass nehmen, Nägel mit Köpfen zu machen.

Am radikalen Ende des Spektrums hätten manche, die jetzt schon gewaltaffin sind, einen weiteren Vorwand, und auch die Hassprediger diverser Couleur hätten die Gelegenheit, ihr aus den Anders- und Nicht­gläubigen bestehendes Feindbild um Wissenschaftler zu erweitern. Kurz: an Ostern nicht viel Neues…

Was würde mit den kirchlichen Institutionen als Arbeitgeber geschehen?

Ein paar weniger Schäfchen, dafür ein paar weniger niedere Angestellte in diesem Bereich, aber sonst keine Änderungen. Warum auch?

Kriegt der Papst dann Hartz IV? ;-)

Selbst bei einem deutlich höheren Rückgang der Mitgliederzahlen als ich vermute würde der Vatikan davon bestimmt nicht arm werden. Und bevor’s Hartz IV gäbe, müssten sie eh erst ihre Vermögenswerte abbauen; der Papst sollte zuerst in eine kleinere Wohnung umziehen und aus seinen Palästen Hotels oder Sozialwohnungen machen. (Wäre eigentlich auch so keine schlechte Idee.) ;)

Könnte es gar zu kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt kommen?

Auch nicht zu nennenswert mehr als heute. (Und das sind schon mehr als genug.)

 


„I have never seen the slightest scientific proof of the religious ideas of heaven and hell, of future life for individuals, or of a personal God.“
Thomas Alva Edison


Foto: criswatk/sxc

Herbstliche Hexerei

Halloween-Hexe Es wird Herbst – sieht man das auch den Hexen an? Dies ist jedenfalls das (etwas verspätete) zehnte „Best Of“ des „Hexenkalender“ für 2009 des Moewig-Verlags (alle Beiträge » hier). Aber psst!

„Es liegt im Stillsein eine wunderbare Macht der Klärung, der Reinigung und der Sammlung auf das Wesentliche.“
(Dietrich Bonhoeffer)

Wenn das manch wild herumschwurbelnde Astrologen nun auch beherzigten – aber die schweigen lieber erst dann, wenn sie sich in eine Sackgasse hineinlaviert haben und ihnen gerade kein Ausweichen auf ein anderes Thema einfällt.

Die Sterne kennen die Römer

Jedenfalls war die Information, dass der Oktober so heißt, weil er im römischen Kalender der achte Monat war, in der Astrologie-Rubrik zu finden. Wahrscheinlich war das wegen des kalendarischen Gleichgewichts nötig, Sternzeichen Waage und so. Apropos Waage: Waage-Kinder brauchen angeblich sehr viel Liebe, weil sie sich „schon in frühem Alter ständig in einem Zwiespalt zwischen Gefühl und Verstand“ befänden. Achtung, wenn sie zu viel Verstand einsetzen, auf einmal interessieren sie sich nicht mehr für das Astrologie-Gedöns!

Aufatmen für alle Nicht-Waage-Hexen und deren innere Schweinehunde: Ihr könnt auf körperliche Aktivität verzichten, denn diesen Tip gibt’s laut dem „uralten Wissen“ der Hexen eben sternzeichenspezifisch:

Gesundheitstipp für Waage-Hexen: Körperliche Aktivität ist nicht nur gut für Ihre Gesundheit – sondern auch für Ihre Figur.

männliche Karotte Grüße aus der Unterwelt

Hilfe, ich werde von der Unterwelt verfolgt! Ist das auf dem Bild rechts ein Vorfahr von mir? Ist es ein böser Zombie? Ist es Vincent Raven? Aber es muss eine Bedeutung haben:

Wurzel- und Knollengemüse vermittelt Ihnen Botschaften aus der unterirdischen Welt – denken Sie daran, wenn Sie Kartoffeln, Möhren oder Rote Bete essen.

Bietet Baum-Obst dann Botschaften aus dem Himmel? Und was ist mit Strauchfrüchten, haben die dann gar nichts in petto? Das wäre aber schade.

Aller Anfang ast schwar

Und wieder meditieren wir buchstabenorientiert – seltsamerweise gab’s im ersten Halbjahr keine solchen Tips (sofern ich keine übersehen habe). Nun ja, die Hexen werden schon wissen, warum. Diesen Monat geht’s jedenfalls ums A – war ja klar, sovaal A an „Vanas“ and „Aktabar“ varkammen:

Dem Planetenherrscher der Waage, der Venus, ist in der Musik der Ton „F“ und in der Sprache der Vokal „A“ zugeordnet. Zur Meditation geeignete Wörter: Anfang, Andacht, Klang, Arbeit, Maß, Gast, Gabe.

Schließen wir mit Worten Johann Wolfgang von Goethes:

„Man soll alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich ist, einige vernünftige Worte sprechen.“

Schade, dass er das letztere einschränken muss.


Foto: harry harris/flickr, CC-by-nc-sa