Echte Wissenschaftler würden bestätigen: Aqua blue wirkt nicht

Jedenfalls nicht anders als durch Einbildung. Der bayrische Anbieter von „Wasseraufbereitungsgeräten“ namens Aqua blue, der immer wieder mal in der hiesigen Zeitung inseriert bzw. Prospektzettel mitliefern lässt, war hier schon vorletztes und letztes Jahr Thema; da er diesmal zu seinem Zettel wieder eine textlastige Anzeige mit der Überschrift „Wissenschaftler bestätigen: Aqua blue wirkt“ geschaltet hat, will ich halt wieder mal darauf eingehen…

Auf das Konzept an sich und die älteren „Gutachten“ bin ich in den früheren Beiträgen schon genauso eingegangen wie auf den neueren Absatz, die „klassische“ Wissenschaft würde den Kram nicht anerkennen, es wären „komplementärwissenschaftliche“ Untersuchungen nötig. Wie das halt so ist: Die echte Wissenschaft setzt auf reproduzierbare, möglichst objektive und somit von subjektiven Einflüssen, Irrtümern und Wünschen so weit wie möglich befreite Ergebnisse – für die „Komplementärwissenschaft“ bleibt nur der Rest des realitätsflüchtigen esoterischen Milieus.

Die Anzeige geht nun zum einen auf diverse angebliche kalkreduzierende Effekte ein. Wie genau die gemessen wurden, ist aus den im Web veröffentlichten Auszügen der „Gutachten“ nicht ersichtlich, insbesondere nicht, ob mögliche störende Effekte – störend für eine objektive Beurteilung, meine ich – ausgeschlossen wurden.

Ich könnte mir jedenfalls bei einem einfachen Versuch leicht einen Störeffekt vorstellen: Nach der „ohne Gerät“-Vergleichsprobe wird beim Anbringen des „Geräts“ am Rohr etwas Kalk abgeschüttelt, dann lässt man einige Liter Wasser (und somit den abgefallenen Kalk) durchlaufen, bevor man schließlich den „mit Gerät“-Test macht. Oder man reinigt die beteiligten Gefäße anders (schließlich kann die Oberflächenspannung auch durch Spülmittel gesenkt werden), u.a.m. – Möglichkeiten gibt’s da viele, und das muss nicht mal in böswilliger Absicht geschehen, sondern einfach versehentlich, aus Unachtsamkeit oder mangelndem Problembewusstsein.

Wie gesagt: Ich weiß nicht, wie genau die Untersuchungen durchgeführt wurden – kann sein, dass sie auf all diese Dinge geachtet haben. Dann wäre es aber den skeptischen unter den potentiellen Kunden gegenüber sinnvoller, auch damit zu werben und die vollen Protokolle und Beschreibungen zu veröffentlichen.

Im Falle des einen neueren „Gutachtens“ jedoch, bei dem es in der Anzeige heißt, dort wurde „eine mehrfache Wirkung von Aqua blue zweifelsfrei nachgewiesen“, wird im veröffentlichten Auszug1 nur groß von angeblichen wissenschaftlichen Grundlagen schwadroniert und dann knapp festgestellt, dass die Wirkung „nachvollziehbar“ und „mit mehreren herkömmlichen Methoden der exakten Naturwissenschaft“ bewiesen wäre.

Allerdings handelt es sich bei dem Unternehmen, das dieses „Gutachten“ geliefert hat, um das IIREC, das International Institute for Research on Electromagnetic Compatibility, das nicht unbekannt ist, wenn’s um Produkte und Zertifikate für angebliche „Enstörung“, „Elektrosmog-Schutz“ und etliche andere esoterisch-pseudowissenschaftliche Dinge geht. Meines Erachtens ist deren Gutachten aus wissenchaftlicher Sicht also nicht das Papier wert, auf dem man es ausdrucken könnte.

Das zweite Gutachten – bzw. wieder nur Auszüge daraus2 – stammt von einem Sachverständigen für Heizung, Lüftung, Klima und Sanitär namens Schuler. Bevor dort wieder ein paar Dinge über lose anhaftenden Kalk auf Rasierspiegel und im Edelstahltopf gesagt werden, die zu unvollständig sind, um sie ordentlich beurteilen zu können – insbesondere beim Topf wird eher betont, dass zwischen kaltem und warmem Wasser kein Unterschied besteht; dass der Kalk sich vor Aqua blue vielleicht eingebrannt hat, muss man eher erraten –, steht dieser Absatz:

Bereits nach 1 bis 2 Tagen konnten die Familie und ich persönlich feststellen, dass das Trinkwasser angenehmer, wohlschmeckender und irgendwie vitalisierend schmeckt.

Oh, wow! „Irgendwie vitalisierend“! Und der Anfang des Satzes liest sich für mich eher so, dass er das Ding einfach mal angebracht und der Familie gesagt hat: Schaut mal, ich hab da ein teures Wasseraufbereitungsgerät zum Testen, das das Wasser angenehmer, wohlschmeckender und vitalisierender machen soll. Sagt doch Bescheid, ob ihr was merkt.

Auf jeden Fall sehe ich da keine Anzeichen von ordentlicher Verblindung, wo keiner der Probanden (Familie) weiß, ob das Wasser nun am Alukästchen vorbeilief oder nicht und auch keiner, der es weiß (Vater), im Raum ist; der Herr Sachverständige mag ja sachverständig in Sachen Heizung, Lüftung, Klima und Sanitär sein, aber nicht unbedingt in Pseudo- von Wissenschaft trennendem Skeptizismus – und den Auftraggeber freut’s…

(Wobei ich, wohlgemerkt, dem Sachverständigen hier keine böswillige Absicht unterstellen will – wie man, juristisch gesehen, eben jedem Esoterikanbieter bis zum Beweis des Gegenteils halt zugestehen muss, selbst daran zu glauben bzw. sich selbst zu täuschen und nicht vorsätzlich zu betrügen.)

Und somit ist es naheliegend, dass genau das rauskommt, was jeder halbwegs skeptisch-wissenschaftlich denkende Mensch als einzige Wirkung von solchen „Geräten“ erwartet: ein Placebo-Effekt, eine ausschließlich eingebildete Wirkung – der Mensch unterliegt eben viel zu leicht einer Selbsttäuschung, sodass eine ordentliche Verblindung und eine ausreichend hohe Anzahl an Versuchen unabdingbar ist, um solche Behauptungen zu testen. Sieht man ja auch immer wieder in den Psi-Tests der GWUP

Beim verwandten Produkt aus Österreich, dem Granderwasser, wurde ja bereits gerichtlich bestätigt, dass die Bezeichnung „aus dem Esoterik-Milieu stammender, parawissen­schaftlicher Unfug“ gerechtfertigt ist, und in Neuseeland wurde der dortige Grander-Vertrieb auch schon wegen Irreführung verurteilt und von der Richterin als „quackery and pseudo-science“ bezeichnet.

Da wundert es nicht, wenn sich Aqua blue mit dem erwähnten „Komplementär­wissenchaft“-Kleingedruckten abzusichern versucht; im Text der Zeitungsanzeige (vor der Nennung der beiden o.a. Gutachten und dem Verweis auf den Eiskristall­aussucher Emoto) steht:

Zu gut, um wahr zu sein? Ganz im Gegenteil. Auch wenn die klassische Naturwissenschaft die Wirksamkeit von Aqua blue bisher nicht anerkannt hat, geben Gutachter darauf Brief und Siegel.

Ich persönlich finde das allerdings – wie so oft bei diversen Anbietern – zu wenig. Groß „Wissenschaftler bestätigen“ zu titeln und sich dann mit halbherzigen Wunschkonstruktem wie „noch nicht anerkannt“ und „Komplementärwissenschaft“ herauszureden – das mag juristisch in Ordnung sein oder nicht (ich mag das nicht beurteilen), die Beteiligten mögen das selber glauben oder auch nicht; für mich ist das eine Scheinheiligkeit, die mich einfach ankotzt. Entweder man arbeitet wissenschaftlich oder nicht – das Kriterium dafür ist aber nicht, sich als „Wissenschaftler“ zu bezeichnen, sondern eben wie man arbeitet…

 

Siehe auch:

  1. www.aqua-blue.de/uploads/File/AuszugGutachtenDrMedinger.pdf, archiviert bei WebCite am 9.8.2010 unter www.webcitation.org/5rrMIfCX0 (PDF)  ↺
  2. www.aqua-blue.de/uploads/File/GutachtenSchulerLoehnertGmbH.pdf archiviert bei WebCite am 9.8.2010 unter www.webcitation.org/5rrMv4lHK (PDF)  ↺

Links der Woche (2010/31)

Projekt Hörsturz 26

Projekt Hörsturz Runde 26 im Projekt Hörsturz – bringt sie uns doppelt Unglück (2×13), oder ist das größte Unglück, dass ich mir hier irgendwas zur Zahl aus den Fingern saugen muss und nicht einfach anfange?

  • Guillemots – Kriss Kross (von kasumi)
    Eine seltsame Mischung, erst kräftige streicherähnliche Synthie-Akkorde, die schon etwas Energie versprechen, und je länger das Lied wird, umso radiopoppiger wird das Ganze – gerade bei den Gesangsphasen – und ich bin froh, als der Schlussakkord kommt.
    2 von 5 Sternen 2 lümmelnde Trottel1
  • Jamie Lidell – The Ring (von beetFreeQ)
    Welcher Synthesizer furzt denn da am Beginn rum? Oder sind das verzerrte Human-Beatbox-Geräusche? Egal, der folgende Rhythmus weiß schon mal zu gefallen – das „Gesamtkunstwerk“ eigentlich auch.
    4 von 5 Sternen 4 Ringe (auf wessen Auto?)
  • Aereogramme – Post-tour, pre-judgement (von Dr. Borstel)
    Aus dem belanglosen ruhige-Ballade-Anfang wird zum Glück noch mehr. Und das mit ganz ordentlicher Dynamik – auch das Schreien am Ende passt, finde ich. Ich würde sogar sagen: gehört dazu. Nur der Depp, der über „Fuck“ und die ganze Musik dabei drüberpiepst, gehört in die Hölle.
    4 von 5 Sternen 4 gefickte Teufel
  • Jex Thoth – Nothing left to die (von Fini)
    Da streicht jemand in die falsche Richtung über die Saiten… ah, jetzt hat er sich umgedreht. Ach, Jex ist ja ’ne Frau. Und die singt zu ziemlich getragenen, düsteren, doommeetta— äh, doommetallischen Klängen. Nicht mal schlecht, auch wenn’s den Instrumenten etwas an Klarheit fehlt.
    3½ von 5 Sternen 3½ okkulte Narn
  • Sorry About Your Daughter – Scapegoat (von mir)
    Beim späten Rippen alter CDs bin ich neulich auf einen 15 Jahre alten Sampler gestoßen, auf dem je 2 Songs von 6 Bands drauf waren (was auch ein ungewöhnliches Konzept ist) – eine davon war diese Band mit dem kuriosen Namen. Zwar mit zwei anderen Songs, aber Scapegoat gefällt mir besser. Nett für zwischendurch sind die allemal. :)
    keine Wertung, da von mir

Macht einen guten Schnitt von 3,375. Weiter zum Bonus, bei dem ich dem Bandnamen nach schon einen heftigen Anfang erwarte – hey, ist immerhin die erste Band, die ich in dieser Runde kenne (außer meinem eigenen Vorschlag, versteht sich):

Der Durchschnitt für die Bonussongs ist somit 2,82 und für alle Songs 2,97.


Als Vorschlag fürs nächste Mal nehm ich kurzentschlossen das, was der Liebling aller Kreationisten heute verbloggt hat: D.O.A. – That’s Why I’m An Atheist

  1. „vertrottelte Lummen“ hat der Postpunk ja schon geschrieben ↺