Neumondluft ist nur eine Satire meinerseits, aber Vollmondwasser ist esoterische Realität, und natürlich ist Labertaler, über die ich letztes Jahr geschrieben habe, damit nicht allein:
Eine ganzseitige Anzeige von St. Leonhards in Stephanskirchen auf der Rückseite eines Getränkeladen-Werbezettels neulich deutete schon in mit der Überschrift „Lebensgefährten – Acht lebendige Wässer“ eine gewisse Esoterizität an – denn wie bitte soll es bei Trinkwasser einen Unterschied zwischen „lebendig“ und „tot“ geben? –, die die Firmen-Website denn auch bestätigt; schon auf der Startseite stehen u.a. Termine zu ganzheitlicher Träumerei à la Energiemedizinkongress und einem „Wasservortrag“ mit dem altbekannten Wasserphantasten Masaru Emoto („ein voller Erfolg“).
Entsprechend wird die „Lebendigkeit“ über „Schwingungen“ und „Informationen“ im Wasser und „biophysikalische Frequenzen“ definiert, die sich über Messungen der „Mondquelle“ ergeben haben sollen – u.a. mit Hinweis auf „zum Beispiel vom renommierten IBBU“, dem „Institut für Biosensorik und Bioenergetische Umweltforschung“ in Graz (dessen Renommee in der Tat zu einem EsoWatch-Eintrag reicht) durchgeführte Messungen – die übliche „energiemedizinische“ Esoterik eben, die sich im Netz zuhauf findet und nichts mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun hat, wie es auch bei der „Feinstofflichkeit“ und den mystischen wässrigen „Informationen“ der Fall ist; darauf will ich hier gar nicht näher eingehen, Interessierte finden Informationen in den Links unten.
Tja, jeder darf glauben, was er will, und der Anbieter wird schon glauben, was er behauptet, auch wenn alles objektiv nicht über Placeboeffekte hinausreichen wird. Fairerweise muss man auch festhalten, dass sie immer wieder „unserer Ansicht nach“ u.ä. einfügen – wenn auch meiner Ansicht nach etwas halbherzig. Wie wär’s denn mit mehreren ausführlichen Absätzen wie dieser Esoterik-Hersteller?
Aber egal ob voll Mond oder nicht, niemand soll rohes oder totes Wasser wollen, wenn er reifes lebendiges haben kann – Folgendes spielt bei ihrer Bedeutung von „lebendig“ ebenfalls eine Rolle:
Reifes Wasser ist unserer Ansicht nach „lebendig“. Der Grund: Arteserquellen treten aus eigener Kraft zu Tage. Das bedeutet, sie haben den Jahrhunderte dauernden Kreislauf des Wassers vollendet und sind reif zum Trinken. Alle Wässer drängen aus unterschiedlichen Tiefen als Arteserquellen aus eigener Kraft an die Oberfläche.
Ach, wenn Wasser nach oben gepumpt wird, ist es noch nicht „reif zum Trinken“? Wie kann man dem armen Wasser sowas nur antun?? Jetzt mal im Ernst: Einer gewöhnlichen Flüssigkeit so eine quasi intelligente (oder meinetwegen auch nur der Reife von Früchten gleichgestellte) Lebendigkeit zuzuschreiben, ist meiner Ansicht nach nichts als eine mystische Schwurbelei ohne Realitätssinn und ohne Inhalt (abgesehen davon, dass es meiner Ansicht nach entsprechend vorverbildete Klientel ansprechen dürfte).
Des meiner Ansicht nach weiteren führe man sich mal folgende (von mir hervorgehobenen) absurden Folgerungen zur Gemüte:
Die im Wasser enthaltenen Mineralien wurden aus den verschiedenen Gesteins- und Bodenschichten gelöst und sind daher nach der Ansicht vieler Naturheilkundler anorganisch, d. h. zu grobstofflich um vom menschlichen Körper in dieser Form gut verwertet werden zu können. Um die Mineralien besser aufnehmen zu können, sollten diese nach dieser Theorie zuerst von der Pflanze verstoffwechselt werden.
Wow! Es gibt Naturheilkundler, die wissen, dass Minerale anorganisch sind! Aber nur „viele“, also nicht alle? Die anderen haben meiner Ansicht nach dann wohl im Chemieunterricht gepennt… Da kann man meiner Ansicht nach echt nur den Kopf schütteln, was diese Naturheilkundler sich so ausdenken (und wahrscheinlich selbst glauben).
Soll man denn erst seine Kräuter oder Salatpflanzen mit dem (verglichen mit Leitungs- oder Regenwasser) teuren Mineralwasser gießen? Gehen auch Beeren und Obstbäume, und dürfen die keinen Regen oder gar, oh Schreck, unbelebtes Leitungswasser abbekommen, da sonst alles, ähm, verwässert wird? Und was sagen Masaru Emoto und all die anderen „Wasserinformatiker“ dazu, denen meiner Ansicht nach doch bestimmt die „Information“ der Mineralien im Wasser ausreichen müsste?
Schadet zudem nicht die „Information“, die im Glas der Flasche steckt – und meiner Ansicht nach bestimmt nicht besonders angenehm ist, denn das Glas wurde bei der Herstellung sicher stark erhitzt (aua!) –, nicht auch der informationellen Güte der doppelten Dankbarkeit und der Liebe1? Sollte ein verantwortungsbewusster Esoterikwasseranbieter denn nicht besser die Kunden ausschließlich direkt an seinen Brunnen trinken lassen, anstatt – ein kollektives Ooooh! bitte – das arme Wasser in starre gläserne Hohlkörper zu quetschen?
Aber würden Esoteriker ihre „Theorien“ tatsächlich konsequent und ernsthaft durchdenken, bliebe – wegen innerer Widersprüche oder mit etwas Glück Erkenntnis der Realität – nicht mehr viel davon übrig. Meiner Ansicht nach.
Siehe auch:
- Wikipedia: Belebtes Wasser
- Esowatch: Wasserbelebung
- Wikipedia: Feinstofflichkeit (Esoterik)
- GWUP-Themenübersicht
- Masaru Emoto über Wasser, entspr. assoziiert mit H2 bzw. O; vgl. ZEIT Online [↩]