Neuer Monat, neues Thema im Projekt 42 – bei dem die Teilnehmer mehr oder weniger spontan einen Text zu einem vorgegebenen, meist mehrdeutigen Wort schreiben sollen –, und das ist diesmal eben „Sinn“.
Moritz vom Sockenblog hat schon über den Sinn des Lebens und dessen Findung geschrieben. Ich will hier wieder auf den Astrologen, der schon Anlass für meine „Anleitung“, wie man immer Sechsen würfelt, war und der dort wieder vorrübergehend ins Gespräch kam, und seinesgleichen eingehen, denen es insbesondere um das „Erkennen“ des Sinns in ihren Horoskopen geht. Also nicht des Sinns der Horoskope, sondern von irgendwas anderem durch sie. Auch wenn sie bei beidem auf verlorenem Posten stehen.
Das sieht dann so aus, dass Astrologen nicht nur Horoskope für Personen, Staaten, Ereignisse, Gebäude und wahrscheinlich sogar die Tiernahrung in der Küchenspüle erstellen, sondern auch umgekehrt bei der Frage nach dem „Sinn“ oder der „Ursache“ eines Ereignisses oder einer Eigenschaft sich an erkünstelten Konstellationen entlanghangeln, Hauptsache der irregeleitete Klient bekommt eine Antwort – wäre sicher schlecht fürs Geschäft, ihn ratlos heimzuschicken –, eingewickelt in eine Lage Psychologie und Schwurbelei.
Probleme im Beruf? Hmm, Saturn steht nicht in Opposition … aber dieser Mars in Konjunktion… ach nein, Eris ist im Sextil, nehmen wir besser das, da können wir was Schöneres rauslesen. Und wenn nicht, es gibt noch mehr Himmelskörper.
Ein „individuell gefundener und erfahrener Sinn“, wie der Astrologe meinte? In gewissem, äh, Sinne sicher individuell – aber mehr er- als gefunden und sicher nicht „vom Kosmos selbst gezeigt“, auch wenn sich die Astrologen noch so viel auf ihre – einander oft genug widersprechenden – Systeme einbilden. Die Sterne lügen nicht? Klar, sie sagen eben überhaupt nichts; für die Herbeideutungen sind schon die Astrologen zuständig, doch auch eingebildete Synchonizität und/oder Herumphilosophieren und/oder falsch verstandene Quantenverschränkung und/oder quote mining bei berühmten Persönlichkeiten machen daraus keine Realität.
Nicht genug, dass die angebliche Findung und Deutung dieses „Sinns“ dermaßen hanebüchen beliebig, unbelegbar und unreproduzierbar erfunden wurde. Schon die Annahme, es gäbe überhaupt einen höheren Sinn – einen Sinn außer dem, den wir jeder für uns (im Zusammenspiel mit der Gesellschaft) suchen und uns selbst geben –, einen göttlichen, kosmischen, außerirdisch-engelhaften oder wie auch immer begründeten Sinn, dessen Existenz aus skeptisch-rationaler Sicht durch nichts zu rechtfertigen ist, ist nichts als eine wohlfühlromantische Wunschvorstellung,
Wer gerne die „Grunderfahrung, dass die eigene persönliche Existenz eingebettet, ja letztlich aufgehoben ist in einem letztlich transzendenten „Rahmen““ haben möchte, wie es dieser Astrologe ausgedrückt hat, wird im Angebot der Realitätsflüchtlingshelfer zuhauf fündig. Die interessantere Erfahrung wäre es sicher, wenn sich die Sinnsuchenden an mehrere solche Anbieter wenden und widersprüchliche „Sinne“ genannt bekommen – eine Art Podiumsdiskussion von Vertretern mehrerer astrologischer, numerologischer und religiöser Schulen könnte lustig werden, vielleicht wäre ein Boxring als Podium geeignet.
Da bliebe nur zu hoffen, dass die Sinnsuchenden dabei nicht von einer Abhängigkeit noch tiefer in die andere rutschen, sondern einen klaren Kopf bekommen und sich von diesem Unsinn abwenden – aufhören, sinnloserweise die begrenzte Zeit des Lebens mit der Suche nach dessen vermeintlichem höheren Sinn zu verschwenden, anstatt es zu leben…
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