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Esoterik&Religion

Es wäre schlimm… (Zitat des Tages 25)

Kirchturmspitze vor dunklen Wolken (Montage) Schärfere Regeln gegen sexuellen Missbrauch will der Vatikan heraus­gegeben haben – gut, das haben sie, aber nicht nur vielen Opfern dürften die nicht reichen. Aus der ZDF-heute-Sendung vorhin:

„Die wichtigsten Änderungen: Die Verdoppelung der Verjährungs­frist auf 20 Jahre, die Beschleunigung von Entlassungs­verfahren für schuldige Priester und die Straf­androhung für den Besitz von Kinder­porno­grafie. Nichts aber zur Anzeige­pflicht bei Missbrauchs­fällen.“

Prof. Pater Markus Graulich, Kirchenrechtler Salesianer-Universität Rom, der dazu befragt wurde:

„Es wäre schlimm, wenn’s drinstünde. Und zwar deswegen, weil es ein kircheninternes Gesetz ist. Da steht nichts drin, weil sie sich natürlich an die Gesetze ihrer Länder halten müssen.“

Ja, hallo, dann schreibt doch rein, dass Anzeigepflicht besteht, wenn Kindesmissbrauch im jeweiligen Land unter Strafe steht!1 Wäre das so schlimm für euer Kirchenrecht? Aber klar, ihr wollt ja für eure Organisation so viel Trennung von den Staaten, wie ihr nur meint, bekommen zu können.

Ich hab ja noch nie gedacht, dass der Vatikan allzu lernfähig wäre, aber dass er das immer wieder bestätigt, ist trotzdem schade.

  1. Und wenn das irgendwo im staatlichen Äquivalent zu Hintertupfingen noch nicht der Fall ist, wäre das doch ein Punkt, für dem ihr euch engagieren könntet, so zum Wohle der Kinder und so, muss euch doch auch ein bisschen was bedeuten… []

Ernst?

Kann man so ein Angebot wie das, um das es hier geht, überhaupt ernst nehmen? Meint es der Anbieter denn überhaupt selbst ernst damit?

Doch der Reihe nach. Diese Kleinanzeige fand sich letzte Woche in einem der hiesigen Anzeigenblättchen:

Scharim-Kleinanzeige

Minimalistisch. Und Neugier erweckend, zumal für mich in der Hoffnung auf blogtaugliches Esoterikfutter.^^ Auch der Inhalt der Domain ist ziemlich spärlich: Ein einigermaßen ansprechendes Design aus dem Baukasten mit ganzen drei Seiten. Und selbst die sind sehr spärlich…

Die Startseite1 ist wie alle anderen Seiten überschrieben mit dem Site-Titel „Prophezeihungen, Wahrsagerei und Vorhersagen“ und enthält diesen aussagekräftigen Text:

Von der Insel mag man wegrennen,weil man sich nicht versteht.

.

.

Die meisten pläne von dem Mischwesen hinüber sind.

Aha. Zumindest das mit dem „nicht verstehen“ hat er schon mal gut erkannt…

Bietet die Seite „Lebensberatung“2 denn mehr? Nicht wirklich, da steht unter der Unterüberschrift „Ratgeber, Hellsehen und Kartenlegen“, wann (10-22 Uhr) und unter welchen Telefonnummern (Festnetz und mobil) der Anbieter erreichbar ist und auf welches Konto die 5 Euro Gebühr pro Beratung zu überweisen wären. Nur Name, keine Adresse – also kein ordentliches Impressum.

Die dritte Seite „Zauberei“3 hat schließlich nur die Überschrift „Kartentricks :-)“ und sonst gar nichts. Aaaaha.

Nun könnte man meinen, die Website wäre nur ein unvollständiger Vorabentwurf – allzu geschickt wäre das nicht, dann schon die Kleinanzeige zu schalten… hat einfach die Zeit nicht gereicht?

Ist das esoterische Angebot also ernst gemeint? Der Billig-Discounter unter den Telefon­hellsehern zur Taschengeld­aufbesserung? Ein Versuchsballon, um zu sehen, ob sich genug Leute interessieren? Oder gar eine Art Experiment? Tja, wer weiß…

Wäre ich ein esoterischer Hilfesuchender, hätte ich jedenfalls so meine Zweifel. Andererseits – ich bin auch schon auf Eso-Hotline-Seiten mit wildgefärbtem 90er-Jahre-Webdesign (stilecht mit vielen sinnlos animierten Bildchen wie einem glänzenden drehenden „@“) gestoßen, die es definitiv ernst meinten, und dagegen ist dieses Angebot ein Ausbund an seriöser Anmutung…

  1. scharim.de archiviert am 9.7.; war am 14.7. aber auch nicht anders []
  2. scharim.de/40578.html, archiviert wie oben []
  3. scharim.de/40569.html, archiviert wie oben []

Links und Videos der Woche (2010/27)

(Hier war etwas als Flash-Objekt eingebunden. Nicht mehr zeitgemäß.)

 

  • The Art of Analog Computing (via Yaab)

Zwei Monde

Mondkalender Höchste Zeit für eine neue Folge der Irrungen und Wirrungen des Mondkalenders 2010 vom Moewig-Verlag – doch diesmal gibt’s noch mehr! Ein Unternehmen namens FID Gesundheit bzw. FID Verlag war nämlich so frech, mit einem Angebot für regelmäßige Mondkalender-Mails auf meiner Bloggerei.de-Detailseite in der Google-Werbung aufzutauchen, und die hab ich doch glatt mal abonniert…

Und so gibt’s – gespickt mit Werbung für eigene „natürliche Gesundheitsprodukte“, bei denen vermutlich der Wassermann-, pardon, Löwenanteil der Wirkung auf dem Placeboeffekt der hochtrabenden Werbesprüche beruht – eben auch ein paar vermeintliche Mond-Tips im bekannten Stil sowie einen Link zu einer Monatsübersicht, wo es entsprechend stichwortartig weitergeht.

Nun sind sich die beiden Kalender meistens durchaus einig darin, in welchem Tierkreiszeichen der Mond stehen soll, und einige Male raten sie auch ähnliche Dinge – wenn sie nicht wie so oft nur aneinander vorbeireden, d.h. der eine empfiehlt das eine, der andere etwas anderes. An manchen Tagen jedoch halten sie’s eher mit Paul Claudel:

„Ordnung ist die Lust der Vernunft. Unordnung ist die Wonne der Phantasie.“
(Paul Claudel)

Dass an einem Tag etwas gut und am nächsten schon wieder schlecht sein soll, ist ja noch die „gewöhnliche“ Beliebigkeit der Astro-Schwurbler. Aber einige Tage an der Grenze zwischen zwei Tierkreiszeichen rechnen die Kalender gerne unterschiedlichen Zeichen zu! Dabei sollte man doch meinen, dass diese uralte Erfahrungs­wissenschaft auch Regeln dafür hat, was mit geteilten Tagen zu geschehen hat… Und, oh Schreck, so kann es dazu kommen, dass jemand am falschen Tag die Wäsche wäscht! Sowas muss doch vermieden werden, liebe Mondkalender­autoren!

Aber selbst wenn beide Kalender einen Tag gleich einordnen, gibt’s Unterschiede – hier ein deutliches Beispiel vom 21. Juli:

Der Schütze bietet die ideale Gelegenheit, um Früchte und Beeren zu ernten. Sie können auch Unkraut jäten oder die Fenster putzen.

Zeit für Schönheitspflege, schlechter Tag zum Heimwerken, Wäsche waschen, Fenster putzen, für Malerarbeiten.

Am besten schmeißt man die Fensterscheiben gleich am 20. Juli ein, dann hat man da keine Probleme…

Oder wurde der Kalenderautor Opfer seines eigenen Tips für den Folgetag, dass der Schützemond „Horizonte öffnen“ könne, „aber auch die Gefahr der Übertreibung in sich“ berge?

Wie schnell keimt eigentlich Rasen?

Der eine Kalender rät nämlich:

Wenn Sie neuen Rasen säen möchten, ist heute ein guter Termin, da der Fischemond die Blattbildung fördert und der abnehmende Mond verhindert, dass er zu sehr in die Höhe schießt und dann schnell zu wachsen aufhört.

Am selben Tag dürfe man dem anderen Kalender zufolge aber keine Blumen gießen, umtopfen oder Bäume pflegen. Aber Rasen ist ja weder Blumen noch Bäume noch in Töpfen, und der Mond ist ja schlau genug, da zu unterscheiden. Das gilt sicher auch für einen anderen Tag, wo hie das Rasenmähen empfohlen, da vom Unkrautjäten abgeraten wird.

Ebenso weiß der Mond sicher, wieso man „Fließen[sic!] gründlich reinigen“ kann (Moewig), aber keine Fenster putzen (FID). Vielleicht weil der Mond durch Fliesen nicht durchschauen kann?

Diät für die intelligenten Augen

Bei manchem frag ich mich echt, was manche Möchtegern­ratgeber für Vorstellungen vom menschlichen Körper haben:

Wenn Sie Ihren Augen etwas Gutes tun wollen, verzichten Sie weitgehend auf die täglichen Katastrophennachrichten und den Klatsch der Tageszeitung – so eine „Augendiät“ wirkt sehr befreiend.

Als ob die Augen darüber nachdächten, was sie sehen. Aber nicht die Ohren oder besser gesagt das Gehirn dazwischen vergessen:

Achten Sie darauf, was man Ihnen heute zu sagen hat – es könnte wichtig sein!

Das war am Dienstag – den Rest des Monats können wir also alles ignorieren, was man uns sagt, juhu!

Und das ist gut, denn der spätere Wassermann-Vollmond-Tag „beflügelt die Phantasie, vor allem bei Vollmond ist die kosmische Anbindung besonders intensiv“ – so abgehoben kann man niemanden brauchen, der einem dreinredet…

Erwiesen und logisch?

Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, an Stiertagen Geldentscheidungen zu treffen.

Na da möchte ich mal die Studien sehen, die das erwiesen haben! Aber bitte erst am richtigen Tag, an dem das hier gilt:

Im Beruf sollten Sie die analytischen und logischen Mondimpulse zum konzentrierten Arbeiten nutzen.

*räusper* Liebe Autoren und Leser, die es noch nicht mitbekommen haben sollten: An „Mondimpulsen“ ist kein Deut logisch und analytisch.

Da passt zum Schluss ein depperter Spruch eines mystikliebenden Schriftstellers und Philosophen:

„Wissenschaft ist nur eine Hälfte, Glauben ist die andere.“
(Novalis)

Hälfte von was? Vom Leben? Pfft. Im Wunschdenken der religiösen Apologeten vielleicht.

Nicht mal auf die Mondkalender trifft das zu, denn wie gesagt: Wissenschaft findet man dort nicht. Dafür möglicherweise das Ergebnis des zweiten Schlussspruchs – ja, zur (WM-Trauer-)Feier des Tages gibt’s noch einen:

„Wer viel redet, der glaubt am Ende, was er sagt.“
(Honoré de Balzac)

Gell, liebe Eso-Schwurbler? Ihr könnt ja in riesigen Absätzen noch weniger Handfestes aussagen als Politiker…

 


PS: Für die noch nicht ganz dem Mond-Aberglauben anheim Gefallenen seien noch ein paar kritische Links ergänzt: