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Glaube

Na, na,…..

Florian von Astrodings Simplex bekommt ja massenweise Mails aller – auch unangenehmer – Art zu 2012-Ängsten und -Phantastereien; da bin ich froh, dass mein Blog um Größenordnungen weniger Leser hat und Reaktionen hervorruft und eine Mail schon eine Ausnahme ist. Eine Mail etwa wie die, die mich heute erreicht hat (deren Betreff ich hier als Titel nutze) und die ich hier mit freundlicher Genehmigung veröffentliche – ich hoffe, es ist genug von der gewünschten Sachlichkeit enthalten…

Sicher haben die negativen Kräfte schon immer an bestimmten Daten ihre Warnungen verbreitet, z.B. die Computerwarnung für das Jahr 2000, um damit Geld zu verdienen. Nur mit dem Jahr 2012 ist das etwas ganz anderes.

Sie gestatten, dass ich laut lache? :lol3: Ein Blick in die nächste Buchhandlung oder auf die ganzen Internetangebote sollte da doch ausreichen, um das Gegenteil zu erkennen. Auch wenn es natürlich auch ein paar 2012-Weiterverbreiter ohne finanzielle Interessen gibt.

(Mal abgesehen davon, dass das Jahr-2000-Problem, wie übertrieben und geldmacherisch das auch genutzt worden sein mag, in Form von zweistelligen Jahreszahlen eine reale Grundlage hatte.)

Kosmisch gesehen gehen wir von einem tönernen Zeitalter in ein goldenes Zeitalter. Das tönerne wird in den östlichen Lehren auch als ein Kali-Yuga bezeichnet – ein Zeitalter der Zerstörung und der Kriege.

Ist ja schon praktisch, wenn man hier östliche Mythen wie das Kali-Zeitalter und Datierungen so hinbiegen kann, dass es zum 2012-Hype – wir erinnern uns: der entstand, als westliche Wohlstands­esoteriker den Maya diverse Prophezeiungen in den Mund gelegt haben – passt; selbst wenn das zu den meisten anderen, früheren Datierungen nicht passen dürfte. Aber das ist für Mystikgläubige erfahrungsgemäß meist kein großes Problem.

Wir werden also keinen Untergang erleben, obwohl wir nun mitten in der Apokalypse stehen. Eine japanische Prinzessin sagt, die 3 Tage Finsternis seien vom 22.-24.12.2012 aufgrund einer erhöhten elektromagnetischen Tätigkeit der Sonne.

Und eine angebliche, wohl illegitime Prinzessin mit TV-Erfahrung muss unbedingt glaubhafte, vernünftige, belastbare, vertrauenswürdige Aussagen machen, ja? Drei Tage und Nächte ohne nutzbare Elektrizität, ohne Sonne und Sterne, während die Erde in die 5. Dimension springen solle – vielleicht sollte sie und alle anderen sich mal informieren, was Dimensionen sind (und was nicht). Und dass es nicht darauf ankommt, wer etwas sagt – sogar Nobelpreisträger verrennen sich ja mitunter in Unsinn –, sondern wie er oder sie es belegt.

Ich selbst bin mir nicht klar, ob die 3 Tage Dunkelheit im Inneren der Menschen oder außerhalb stattfinden.

Die „Prinzessin“ schon. Aber es würde mich schon sehr wundern, wenn es sich dabei um mehr als die „Dunkelheit“ in denen handelte, die merken, dass am 21.12. doch nichts passiert sein wird.

Auf jeden Fall aber ändert sich gravierend etwas.

Ja: das Datum der irrationalen Realitätsflucht. Was kommt als nächstes, 2029? Oder ist das schon zu spät?

Weitere Hinweise finden Sie bei www.diewunderseite.de und bei www.shareinternational-de.org . Schauen Sie sich vor allem die Monatshefte an. In manchen finden Sie die Rubrik Zeichen. Schauen Sie sich diese Zeichen an. Und dann ändern Sie vielleicht etwas auf Ihrer Seite. J

Soweit die Mail. Schauen wir also mal. Fangen wir bei 9/2000 an, den ersten Eintrag zitiere ich ob seiner Kürze mal ganz:

Energieregenbogen in Moskau
Russischen Wissenschaftlern ist es unerklärlich, wie ein junger Mann in einem stark besuchten Moskauer Park vor Dutzenden von Augenzeugen ohne jegliche Tricks oder technische Hilfe eine regenbogenartige Energieaura erzeugen konnte. Die Passanten trauten ihren Augen nicht, als sie sahen, wie sich um den etwa dreißigjährigen Mann, der sich an einem Springbrunnen mit seiner Freundin unterhielt, eine Aura in Form und Farben eines Regenbogens bildete.
(Quelle: Diario de Cádiz, Spanien)

Welche Wissenschaftler? Nicht jeder, der sich so nennt, arbeitet auch wirklich mit wissenschaftlicher Methodik1. Wieso wird die Erscheinung gleich als „Energieaura“ festgelegt? Ein Regenbogen an einem Springbrunnen, ist das so ungewöhnlich? Also bitte! Gleich daneben „weinende“ Statuen in Indien – „Die Augen […] seien feucht geworden“ kurz nach „sintflutartigen Regenfällen“. Ob’s da nicht doch einen eeeeetwas weniger wundersamen, sondern vielmehr physikalischen Zusammenhang geben könnte?

Und Benjamin Creme, der Begründer dieser Magazine und der Prophezeiungen der Wiederkehr seines religions­übergreifenden Zukunftsbuddha-Christus-Avatars „Maitreya“ – welcher sich irgendwie nie so richtig zeigen oder nachweisen lassen wollte wie prophezeit2 – schmarotzt3 an diesen und fast allen anderen Meldungen und Bildern, indem Anmerkungen à la

Benjamin Cremes Meister bestätigt, daß die Aura – der Regenbogen – von Maitreya manifestiert wurde.

Benjamin Cremes Meister bestätigt, daß das Phänomen der weinenden Statuen ein authentisches Wunder ist, das von Maitreya manifestiert wird.

druntergepappt werden. Sein „Meister“ ist, wenn ich das richtig verstanden habe, ein angeblicher telepathischer Kontakt. Er könnte sich ja mal bei James Randi um dessen Million bemühen, wenn er da etwas Glaubwürdigkeit ergänzen will…

Ansonsten gibt’s in anderen Monatsheften z.B. noch formschöne Lichtreflexionen von Fenstern und Fassaden an gegenüberliegenden Häusern; die typischen verwackelten und unscharfen Ufo-Sichtungen; ein Bericht, der Verwunderung darüber ausdrückt, dass es an Neujahr(!) mehr Ufo- bzw. Leuchterscheinungs-Meldungen gab als an anderen Tagen; ein Foto, in dem drei lange Haare, die vermutlich von der Fotografin nahe und somit unscharf vor die Linse geweht wurden, als „Segen von Meister Jesus“ umgedeutet werden; ebenso als bei einem offenbar lange belichteten Foto eines frisch getauften Babys in einer dunklen Umgebung ein unscharfes Etwas zu sehen ist, das wie eine typische Bewegung bei Langzeitbelichtungen außerhalb der Schärfentiefe aussieht (die letzten alle in Heft 1/2012, Abschnitt „Zeichen der Zeit“). Was sollen daran denn „Zeichen“ und „Wunder“ sein?

Das ist alles so lächerlich.

Jesus-Facepalm

Und es ist Futter für all diejenigen, die unbedingt an solche wundersamen Dinge glauben wollen und schon weit über den Punkt hinaus sind, wo sie noch bereit oder überhaupt in der Lage sind, ihren Verstand einzuschalten, wenn man ihnen solche Dinge vorlegt – selbst wenn wie in den genannten Beispielen eine rationale Erklärung so banal und naheliegend wäre (und selbst wenn sie in anderen Themen durchaus rational vorgehen mögen). Alles wird in den Glauben, in die eigene Wunsch-Welt reingezwängt.

Schade eigentlich, böten die wissenschaftlichen Erklärungen und die echten, realen Phänomene der Natur doch so viel Faszination, ohne sich mystische Pseudoerklärungen herbeizuphantasieren. Aber manche wollen es halt anscheinend anders.

  1. z.B. Dieter Broers; s.a. Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft []
  2. aber fehlgeschlagene oder allgemein-vage Prophezeiungen sind ja ach so typisch bei so ziemlich allen Möchtegern-Wahrsagern – schon seltsam, dass so viele Leute trotzdem darauf hereinfallen []
  3. außer bei dem, was ihm gezielt zugesandt wurden, natürlich []

Links und Videos der Woche (2012/25+26)

 

Fallgrube?

Da kamen vorhin ein paar Bauarbeiter, sperrten einen Teil der Straße ab, sägten lauthalsmaschinig die Asphaltdecke auf – und verschwanden dann wieder:

Asphalt aufsägen 1 Asphalt aufsägen 2

Und ich dachte schon, die wollen eine Fallgrube für die Fronleichnamsprozession morgen bauen. Schade. Oder kommen die heute Nacht wieder, um die restliche, leise Arbeit dann heimlich zu erledigen? ;)

Götter brauchen auch mal Ruhe

Der alte Luzifer, ähm, der Lichtbringer, ähm, also der mit dem Spruch „es werde Licht“, der bekanntermaßen den siebten Tag der Woche zum Faulenzen geschaffen hat1, braucht derzeit wieder viel Ruhe – Frühjahrsmüdigkeit, vermutlich. Deswegen hat er den gestrigen Donnerstag zum Freitag gemacht, den heutigen Freitag zum ersten Faulenzer-Sonntag – nicht mal durch Tänzer will er gestört werden! –, morgen muss er kurz einkaufen, und dann gibt’s zwei Sonntage am Stück zur Erholung (vom Einkaufen?), bevor am Dienstag Montag ist.

Und simmermalehrlich – ach nein, das heißt ja heutzutage: was gesagt werden muss –, wer außer einem Gott kann den Kalender so umgestalten?

Naja, wenn er’s nicht getan hätte, hätte sich halt die Bahn drum gekümmert, schließlich will sie ja vier Tage am Stück zur Verfügung haben, an denen sie an ihren Schienen rumwerkeln kann, ohne den Berufsverkehr zu beeinträchtigen. Vielleicht, nein, bestimmt ist der christliche Teil des Osterfests erst von der Bahn erfunden worden! Und nachdem das mit dem „am dritten Tage auferstanden von den Toten“ missverstanden wurde – als „am dritten Tage inklusive Todestag“ statt „am dritten Tage nach dem Todestag“ – und die (offenbar vielen), die die Bahn zu Gläubigen machen konnte, schon am (eigentlichen) Sonntag gefeiert hatten, wurde eben der Montag auch noch zum Feiertag erklärt.

Ist doch eigentlich eine plausible Erklärung, oder? :mrgreen: Fragt sich nur, wer noch alles in dieser Verschwörung mit drinsteckt…

  1. warum gehen die Gläubigen eigentlich ausgerechnet da in die Kirche? []

„So wahr mir Gott helfe“

Tizian-Gemälde …das übliche – wenn auch optionale – Ende eines deutschen Amtseids. Dass ausgerechnet unser neuer Bundespräsident1 Gauck, ein früherer Pastor, bei seiner heutigen Vereidigung auf die Anrufung seiner höheren Lieblingsmacht verzichten würde, war natürlich nicht zu erwarten – um ihn selbst soll’s hier aber gar nicht gehen.

Sondern um die Formulierung und die Eidformel an sich. Die Amerikaner z.B. hoffen/bitten/flehen einfach „so help me God“, so helfe mir Gott. Aber so wahr… das benutzt man doch sonst eher in Zusammenhängen der Art „so wahr ich hier stehe“, „so wahr ich lebe“ o.ä., also mit einer offensichtlichen Tatsache, die verdeutlichen soll, dass man den Eid (oder die zuvor getroffene Aussage) auch wirklich ernst meint.

In „so wahr mir Gott helfe“ wird der Anfang aber mit einem Konjunktiv, dem Ausdruck eines Wunsches verbunden. Selbst wenn man die verschiedenen Bedeutungen von „wahr“ – der Wahrheit entsprechend, tatsächlich, aufrichtig, richtig, bekräftigend – berücksichtigt, finde ich das seltsam. Der Duden ordnet die Eidformel übrigens ausgerechnet der Bedeutung 1.a. „der Wahrheit, Wirklichkeit, den Tatsachen entsprechend; wirklich geschehen, nicht erdichtet, erfunden o. Ä.“ zu.

Ist da nicht die Ausrede schon mit eingebaut, ist die Formel – auch wenn die sie ernstgemeint Aufsagenden sie anders verstehen – nicht von vorneherein nichtssagend oder eher gegenteilig? So wahr ich hoffe, dass es wirklich so ist? So sehr Gott helfen will, und wenn was schiefgeht, war’s nicht (allein) meine Schuld?

(Dazu hab ich auch einige Politikerantworten bei Humanistische Aktion gefunden.)

Hey, liebe Politiker, auch wenn ihr euch „angesichts“ eurer religiösen Einbildungen noch so sehr gewahr werden wollt, dass der Mensch fehlbar ist, dass ihr euch einer angeblichen höheren Instanz gegenüber verantwortlich fühlt oder was auch immer: Hofft nicht auf Hilfe von jemandem, der bei genauerem Hinsehen dafür bekannt ist, sich vor allem dann überall rauszuhalten, wenn er am dringendsten gebraucht würde – strengt euch selber an! Handelt nicht für die angebliche himmlische Beurteilung anhand von Maßstäben, von denen ihr hofft, dass es zufälligerweise die richtigen sind, die in gar so vielen Variationen gar so vielen Göttern in den Mund gelegt werden – handelt für die realen Mitmenschen, und schiebt die Verantwortung nicht von euch weg „nach oben“!

Und wenn ihr euch wirklich selbst für die Menschen anstrengen wollt – mal hoffend, dass es solche Politiker gibt –, dann könnt ihr auch auf „so wahr mir Gott helfe“ verzichten, oder nicht?

  1. weshalb dieser Beitrag auch mein Beitrag zum Projekt 42 mit dem Monatsthema „Präsident“ ist []