So heißt der erste Teil der von Georg Francken geschriebenen Artikelserie über (das) „Wunder Heilung“ der Fernsehzeitschrift HÖRZU, praktischerweise auch online komplett verfügbar, inklusive Kommentar-Möglichkeit.
Der Chefredakteur Thomas Garms stellt diese Serie in seinem Editorial u.a. mit diesen Worten vor:
„Gerettete erscheinen anderen Kranken als Boten der Hoffnung. Heiler werden zu Heiligen stilisiert. Was ist wirklich dran an diesem Phänomen? Ab S. 24 versuchen wir Antworten zu geben, sprechen mit Betroffenen, stellen Methoden vor und lassen auch die Kritiker zu Wort kommen.“
Ach? Ja wo sind sie denn, die Worte der Kritiker? Findet jemand welche? Ich nicht. Der einzige, der neben einem Heiler und zwei Patientinnen direkt zu Wort kommt, ist der „Inhaber des einzigen deutschen Lehrstuhls für Naturheilkunde“, und sein Bedauern der „erheblichen Defizite in diesem Forschungsfeld“ kann kaum als Kritik bezeichnet werden. Aber auch echte nicht persönlich wiedergegebene Kritik fehlt; der Kasten „Wie Sie Nieten und Kurpfuscher entlarven“ scheint mir mit Ausnahme der letzten Empfehlung „Lassen Sie mögliche Diagnosen von einem Arzt überprüfen!“ mehr zur Unterscheidung „seriöser Heiler“ von diesen „Nieten und Kurpfuschern“ zu dienen denn zu einer generellen Vorsicht zu mahnen.
Da kann man eher das Folgende als Kritik an der Wissenschaft verstehen:
Die Art, wie Aldo Berti oder Waltraud Bleile Krankheiten heilen, wird allerdings von der Schulmedizin kategorisch abgelehnt. Zu Recht. Denn wissenschaftlich erforscht sind alternative Heilmethoden generell nicht.
Mit der pauschalen Aussage im letzten Satz dieses Zitats wird die Wissenschaft meines Erachtens viel zu schnell beiseite gefegt – darauf werde ich unten noch näher eingehen, Stichwort Placebo-Effekt.
Zunächst zu weiteren Oberflächlichkeiten und Unzulänglichkeiten – ein Beispiel:
„Ein Beispiel: Bei Krebserkrankungen wird nur einer von 80000 Betroffenen spontan geheilt. Biologische Heilverfahren können diese Spontanheilungsrate signifikant erhöhen (1:600), wie eine US-Studie erst kürzlich feststellte.“
Was versteht der Autor hier unter „biologischen Heilverfahren“? „Gewöhnliche“ Medikamente mit pflanzlichen Wirkstoffen? Das heilertypische Handauflegen? Bei Vollmond gepflückte und in großen Schwimmbecken aufgelöste Blütenblätter? Streicheln empfindlicher Körperteile mit Brennnesseln?
Eine präzisere Quellenangabe könnte auch nicht schaden, die USA sind nicht gerade klein.
Georg Francken ergänzt in Kommentar #20 (leider kein Direktlink möglich):
Heiler arbeiten ausschließlich im feinstofflichen Bereich.
Wobei es sich um religiöse und esoterische Konzepte handelt, die keinen Bezug zur wissenschaftlich akzeptierten Realität haben. (Vgl. Wikipedia)
Sie arbeiten mit Energie,
…ein Begriff, der in der Esoterik weit verbreitet ist, ohne mit dem Energiebegriff in der Physik vergleichbar, richtig greifbar oder auch nur vernünftig definiert zu sein (und somit praktischerweise nicht widerlegbar ist)…
mit Schwingungen, mit Rhythmen und verwenden ähnliche Methoden wie sie die alternative Medizin aus vielen anderen Bereichen kennt, vom Ayurveda über die Mistel bis zur Schwingungsmedizin (Biofeldtherapie). Das kann bei Heilern dann durch Handauflegen passieren, durch handverlesene und handgestoßene Kräuter, durch rituelle Handlungen oder durch Anbetung einer Ikone.
Die Vielzahl von Methoden, die sich die Leute im Laufe der Zeit ausgedacht haben, wird nicht automatisch durch ebendiese Vielzahl überzeugender oder realitätsnäher. Eher im Gegenteil.
Alle Handlungen dienen letztlich nur diesem einen Zweck, den Selbstheilungsprozess zu fördern. Denn heilen kann sich der Betroffene nur selbst. Darin sind sich sogar Schulmedizin und Alternativmedizin mal einig.
Nur bleibt dem Betroffenen bei Heilern mit ihren „Energien“ und z.B. einem Aberglauben wie der Homöopathie gar nichts anderes übrig. Die Anhänger der Glaubensmedizin wettern doch so gerne gegen die langen Nebenwirkungslisten der Medikamenten-Beipackzettel? Vielleicht liegen diese einfach daran, dass solche Präparate tatsächlich Wirkstoffe enthalten, die klinisch erprobt wurden…?
Aber „sind die Erfahrungsberichte nicht Beweis genug?“, meint R.G. in Kommentar #28. Ich denke nicht – sie sind keine echten Beweise, denn sie sind stark subjektiv, man erfährt nichts über Patienten mit möglichst vergleichbaren Erkrankungen, bei denen die Heilbehandlungen versagt haben, und es fehlt entsprechend die Vergleichsmöglichkeit mit dem Krankheitsverlauf ohne diese Heilbehandlungen (Krankheiten können sich auch ohne äußeres Zutun verbessern oder verschlimmern).
Um auf das Zitat weiter oben zurückzukommen: Heilmethoden an sich mögen nicht wissenschaftlich erforscht sein, aber eine wissenschaftlich akzeptierte Sache, der Placebo-Effekt, wird nicht ein einziges Mal in diesem Artikel erwähnt.
Mir scheint, der Autor könnte Angst vor zuviel wissenschaftlicher Realität haben… nur schade, dass sich der Artikel dadurch m.E. schon grundsätzlich nicht als ausgewogene, ernsthafte Beschäftigung mit diesem Thema qualifizieren kann – was in Anbetracht des ungebrochenen Interesses so vieler Menschen an diesem Thema angebracht wäre. Angesichts der „vielen Erfahrungen bei Heilern, Heilpraktikern und Schamanen weltweit“ und der daraus folgenden Voreingenommenheit des Autors, die er in Kommentar #8 nennt, überrascht mich das aber auch nicht wirklich.
„Der Glaube kann Berge versetzen“, heißt es – und der Placebo-Effekt beschreibt eben positive Wirkungen auf die Gesundheit allein dadurch, dass der Patient an eine Wirkung glaubt, ganz ohne Bedarf an wissenschaftlich nachweisbaren physiologischen Wirkungen oder dass irgendwelche ominösen Energien oder Schwingungen durch ominöse Wege wie Handauflegen, Mantraaufsagen oder Gebete übertragen werden müssten.
Und die Heiler, Gurus und Schamanen bauen auf eine große Vielfalt solcher ominösen Methoden – einige sicher in gutem Glauben und ohne betrügerische Absichten, einige andere sicher mit der Absicht, zufriedene (oder sich für zufrieden haltende) Stammkundschaft aufzubauen, gar psychisch abhängig zu machen, die sie abzocken können. Zu dieser Unterscheidung ist der erwähnte Kasten im Artikel sicher hilfreich. Wissenschaftlich–realer oder auch nur weniger ominös werden die zugrundegelegten Methoden dadurch aber auch nicht.
Und Schutz vor Selbstbetrug ist auch schwer. Wenn ich von der Freude über „mehr Wohlbefinden“ lese, nachdem jemand in einer anderen Stadt mit einem „Fern-Clearing“ zur Befreiung „von belastenden, negativen Energien […], die auch noch aus früheren Leben vorhanden sein können“ durchgeführt hat, frage ich mich wirklich, wohin die letzten Jahrhunderte seit Beginn der Aufklärung verschwunden sind.
Als Schlusswort dieses schon wieder viel zu lang geratenen Beitrags eine Erwiderung auf ein Zitat aus Kommentator #21 von Walter E.:
„‚Wirkung nicht erforscht‘ oder wissenschaftlich nicht erwiesen heisst nichts anderes als dass die Wissenschaft z.Zt.zu dumm ist die Vorgänge zu erklären.“
Oder es stecken jenseits des Placebo-Effektes einfach keine speziellen Vorgänge dahinter.
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