Der dritte Teil der Artikelserie über (das) „Wunder Heilung“ der Fernsehzeitschrift HÖRZU, auch online komplett verfügbar, inklusive Kommentar-Möglichkeit. Meine früheren Beiträge: » Teil 1, Teil 2.
Ein künstlerischer Gemischtwarenladen erwartet uns diesmal:
Sie töpfern, bildhauern, malen, tanzen und rezitieren auch mal Verse: Immer mehr Patienten schwören auf die Heilkraft kreativer Betätigung. Und auch die Schulmedizin hat die Chancen solcher Methoden erkannt.
In der ersten Hälfte des Artikels kommt erst Mal die „gewöhnliche“ Kunsttherapie dran, die durch ihre insbesondere psychologische und psychosomatische Wirkungen durchaus in vielen Bereichen zur Bewältigung schwieriger Krankheiten und schwieriger Lebenssituationen ihre Daseinsberechtigung auch in der Schulmedizin hat. Dagegen gibt’s nicht großartig was einzuwenden.
In der zweiten Hälfte hingegen wird von einer seltsamen Variante von Chronobiologie, bei der gestörte „Körperrhythmen“ für viele Krankheiten verantwortlich gemacht werden – die dann „natürlich mit Rhythmus“ behandelt werden – weitergeleitet:
Zum Beispiel mit Eurythmie, einer Art Therapietanz, der auf den Gründer der Anthroposophie Rudolf Steiner zurückgeht. Oder die Patienten bekommen Präparate der Heilpflanze Mistel gespritzt, weil diese die Körpertemperatur im Tagesverlauf wieder in Bewegung versetzt.
Die Eurythmie (auch: Eurhythmie) wird auch in einem Kasten prominent erwähnt. Nichts gegen Tanzen, das sicher auch Spaß machen und so positive psychologische Wirkung haben kann – aber wenn das Grundprinzip auf diesem unsäglichen quasi-religiösen, okkulten Rundumschlag gegen den Verstand, den Rudolf Steiner mit seiner Anthroposophie da aufgebaut hat – die ihrem eigenen Anspruch an Wissenschaftlichkeit nun wirklich nicht gerecht werden kann, von Steiners geheimwissenschaftlich-mystischem Gerede über Prophezeiungen, Atlantis, „Christus im Ätherischen“, „Zugang zu unumstößlichen Wahrheiten“ & Co. ganz zu schweigen –, dürfen die Details von Vorgehensweise und Wirkung auf jeden Fall angezweifelt werden, da helfen auch etwaige partielle Erfolge in der Pädagogik oder anderswo nichts. (Natürlich könnte auf einer schlechten Grundlage auch mal etwas Gutes entstehen – nur wie wahrscheinlich ist das hier? Und wie nebenwirkungsfrei in mentaler und intellektueller Hinsicht?)
Dass viele anthroposophische Heilmittel anscheinend mit den homöopathischen vergleichbar sind (die bekanntermaßen nur Placebo-Wirkung haben) und die angesprochene Mistel mitnichten das von den Anthroposophen erträumte Wundermittel ist – es sollte ursprünlich gar gegen Krebs helfen –, ist da eigentlich nur eine Nebensache…
Es sei noch schnell aus einem der seltenen kritischen Kommentare (#94 bei Teil 1, von Hans-Peter H.) zitiert:
Am unerträglichsten empfinde ich jedoch die Darstellung dieses naiven Geisterglaubens, der davon ausgeht, dass unser Glück und Leid durch außerweltliche und unkörperliche gute und böse Dämonen verursacht wird. Demzufolge benötigt man offenbar nur ein geeignetes Medium, z.B. eine Trance-erfahrene kleine unscheinbare Frau, um diese bösen Mächte durch magische Zeichen auf zerknüllten Zetteln günstig zu beeinflussen. Eine Woge von Energie rast durchs Gehirn und die bösen Dämonen verlassen daraufhin den Körper und der Krebs ist besiegt. Wie beim katholischen Exorzismus.
Warum kein kritisches Wort über diesen Unsinn? Diese Vorstellungen stammen aus der Altsteinzeit, in der keinerlei Kenntnis über Naturereignisse und Krankheitserreger bekannt waren.
Auf jeden Fall darf das subjektive Wundergefühl im emotionalen Ausnahmezustand eines Betroffenen nicht als objektive Tatsache dargestellt und somit quasi zur Nachahmung empfohlen werden!
Da hilft es den Glaubensmedizingläubigen auch nicht, dass Irene H. (#98) am Tag darauf Bibelstellen nennt, die zeigen sollen, „dass Jesus auch heilen kann, wenn die ärztliche Medizin versagt. Alle anderen Heilungsversuche sind nicht im Sinne der Bibel.“ Denn an sich ändert sich die mangelnde Realitätsnähe nicht, wenn man ein zugrundegelegtes Glaubenssystem gegen ein anderes austauscht…
Linktips:
Klecks-„Kunst“ von mir mit dem Pollock-Generator; Foto Tänzerin © domiphoto – Fotolia.com (denen ich hiermit keinen Zusammenhang mit Eurythmie unterstellen will)