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Esoterik&Religion

Eingebildete Krankmacher

Rutengänger (18. Jh.) Ein lokaler Veranstaltungshinweis für diesen Mittwoch in der Zeitung vom Samstag – eine Platzverschwendung, auch wenn es nur 12 schmale Zeilen waren – war überschrieben mit „Unsichtbare Krankmacher“; im Zusammen­hang mit dem Beitragstitel kann man sich eventuell schon denken, worum es geht, und der Veranstalter­name bestätigt es: das „Privatinstitut für Radiästhesie und Kinesiologie P. Linder“. Dazu gab’s auch eine größere bezahlte Anzeige auf einer der Anzeigenseiten – unter der ironischerweise ein Platzfüller-Kästchen mit dem Text „Mehr Wissen, mehr Entspannung – Ihre Tageszeitung“ gelandet ist. (Hätte doch eigentlich gereicht, lieber Pfaffenhofener Kurier.)

Entsprechend zum Veranstalter passend sind neben Elektrosmog auch Wünschelrutenwacklers realitätsferne Lieblinge, Erdstrahlen und Wasseradern, die Hauptthemen. Ein solcher Wünschelrutenwackler, pardon, „bekannter Rutengänger und Kinesiologe“1 namens Emanuel W. Oexle, der auch auf der klein angegebenen Website2 neben Peter K. Linder genannt ist, ist denn auch der Vortragende. Er wird sicher schon viel Erfahrung mit dieser esoterischen Selbsttäuschung haben – bzw. mit diesen beiden; kaum ein Esoteriker beschränkt sich ja auf einen einzigen Zweig –, und die Zielgruppe wird auch nicht ganz unvoreingebildet erscheinen…

Auf jener Website steht unten, unter den üblichen pseudo­wissenschaftlichen Pseudo­erklärungen, auf anscheinend jeder Seite ein stilecht in 75% grau auf weiß gehaltener Hinweistext, der schon wieder unfreiwillig komisch ist:

Obwohl unzählige Studien einen Zusammenhang von Erdstrahlen, Wasseradern und Elektrosmog auf die Gesundheit belegen, wird dieses bis zum heutigen Tag von der Wissenschaft nicht anerkannt. Jedoch konnten die Wissenschaftler auch nicht beweisen, daß es diese Strahlen nicht gibt. Das Gleiche galt über Jahrzehnte für die Akupunktur und die Homöopathie.

Halten wir also fest: Sie haben angeblich nicht näher spezifizierte „unzählige Studien“, zweifellos keine wissenschaftlich ordentlichen, wohingegen sie die zahlreichen Rutengänger-Fehlversuche und Widerlegungen wohl genausowenig (an)erkennen würden, wenn sie ihnen in die Rute beißen würden – die Wünschelrute meine ich natürlich –, wie sie offenbar Ahnung davon haben, was Wissenschaft ausmacht. Witzigerweise stellen sie ihr Glaubensgebäude auf dieselbe Stufe wie die Homöopathie, die man mittlerweile klar als widerlegt (d.h. als in der Wirkung identisch zu Placebos) bezeichnen kann…

Aber wenn wir schon bei eingebildeten Krankmachern, Strahlen und Studien sind: Das muss doch besser gehen! Wisst ihr, als ich am Sonntag an einem großen Baukran vorbeigegangen bin, dessen Ausleger in die Richtung meiner Wohnung zeigte, hat sich die herabhängende Kette mit dem Haken, obwohl in großer Höhe, von mir wegbewegt. Das ist doch ein klares Anzeichen dafür, dass SIE3 mich mit seinen radieschen­ästhetischen Strahlen müde machen und davon abhalten wollten, diesen Beitrag zu schreiben – wenn nicht Schlimmeres!

Überhaupt: Damals, als hier eine Hauptwasserleitung gebrochen ist, hieß es, man müsse das Wasser aus gesundheitlichen Gründen abkochen. Das belegt doch zweifelsfrei, dass eine Wasser­hauptschlag­ader, die nicht von ausreichend Erdreich bedeckt ist – wie es bei der Baugrube zur Behebung des Rohrbruchs der Fall war –, zu viel schädliche Strahlung abgibt! Ha, wieder ein wissenschaftlicher Beweis für die Radieschen­ästhesie!

Des weiteren beobachte ich jedes Mal, wenn ich in ländlichen Regionen bzw. im Gebirge unterwegs bin, dass alle Leute bemüht sind, den Kuhfladen auszuweichen und ja nicht reinzutreten. Was, wenn nicht so starke negative Strahlung mit so vielen Bovis – der willkürlichen Einheit der esoterischen Strahlenstärke, benannt nicht nach dem lateinischen Wort für Rind, sondern nach dem Franzosen André Bovis (der hoffentlich nie Lateinunterricht in der Schule hatte) –, dass selbst in Radieschen­ästhesie unerfahrene Wanderer sie durch ihre Stiefel spüren, kann denn die Ursache dafür sein? Siehste, wieder ein wissenschaftlicher Beweis!

Habt ihr noch weitere ähnliche Vorschläge für Beweise der Radi- oder Radieschen­ästhesie? :mrgreen:

 


Siehe (neben oben enthaltenen Links) auch:

» GWUP-Themenübersicht mit vielen kritischen Texten zu solchen Themen.

  1. ich kannte ihn noch nicht, aber das muss ja nichts heißen []
  2. www.dasgesundebett.de archiviert bei WebCite® am 9.3.2010 []
  3. ja, SIE, eine Prise Verschwörungstheorie schadet nie []

Links und Videos der Woche (2010/09)

Der lange Weg des Mondes im März

Mondkalender Ein neuer Monat, also auch ein neuer Mond – und neue Fantastereien aus dem Mondkalender 2010. Wir wollen uns gar nicht lange damit aufhalten, wieso am einen Tag die Wäsche „besonders sauber“ werden soll, warum man „noch mehrere Tage etwas davon“ haben soll, wenn man an einem anderen Tag gut lüftet, warum Brillen- und Kontaktlinsenträger ausgerechnet an Widdertagen Beschwerden haben sollen oder warum man sich „an Waagetagen nicht zu dünn anziehen“ soll – das kann eh niemand sinnvoll begründen.

„Je öfter du unterwegs fragst, wie weit du noch zu gehen hast, desto länger wird dir der Weg erscheinen.“
(Aus Australien)

Deswegen fragen die Esoterikjünger gar nicht lange nach, sondern glauben einfach die „absoluten Wahrheiten“ ihrer Astrologen und Gurus.

Kann nicht jeder Tag ein Fische-Neumond sein?

Heute ist Fische-Neumond. […] lassen Sie ansonsten die Hausarbeit so weit es geht liegen.

Anscheinend nicht. (Aber ich halte mich eh nicht dran, wie man an meiner Wohnung sieht.^^) Denn den Boden muss man ja durch Umtopfen pflegen können (äh…):

Der Jungfraumond unterstützt pflegende Bodenarbeiten, wie Umtopfen und Düngen, aber auch das Ausmerzen von Schadinsekten.

Nur wo bekommt man so große Töpfe, um einen ganzen Gartenboden umzutopfen?

Ein anderer Wechsel des Mondes zwischen zwei Tierkreiszeichen soll sich „oft stark in der Natur bemerkbar“ machen – und bietet ein Beispiel, wie man als Mondgläubiger die Dinge sehen und sich bei Bedarf täuschen lassen muss:

Viele Pflanzen, die gestern noch kerngesund gewirkt haben, machen einen trockenen und schwachen Eindruck.

Denn vielleicht waren die Pflanzen ja schon gestern trocken und schwach, aber wenn der Mond sagt, sie sollen noch kerngesund wirken, übersieht man schon mal ihren Durst…

Offensichtlich?

Liebe Leser, würdet ihr sagen, dass man es beim Sport nicht übertreiben soll, da sonst eventuell Oberschenkel und Rücken Schmerzen bereiten können? Eventuell, können, nicht müssen, vielleicht auch nicht, vielleicht auch andere Körperpartien. Ja, oder? Aber habt ihr auch eine Erklärung dafür, warum das mondabhängig an einem bestimmten Tag besonders erwähnenswert ist?

Der Kalender schon:

Zur Erinnerung: Nicht der Mond verursacht Krankheiten, sondern er bestrahlt bestimmte Körperregionen. Es liegt in Ihrer Hand, ob Sie das positiv oder negativ nutzen. Schädliches wirkt schädlicher, Günstiges günstiger.

Woher der Mond weiß, welche Körperregionen grad dran sind, bleibt offenbar ein Geheimnis.

Dass das Wort „bestrahlt“ der Klientel da aber keine Angst macht… denn dass es sich sicher nicht um mess- und nachweisbare Strahlung handelt und dass sichtbares Licht schlecht zu den inneren Organen gelangt, dringt ja selten zu denen durch – das wäre schließlich Wissenschaft. Wahrscheinlich lenken sie sich dadurch ab, dass sie sich angestrengt um eine positive Nutzung bemühen, schließlich schiebt ihnen hier mal wieder ein Esoterikguru prophylaktisch die Schuld selbst in die Schuhe.

Und die Einheit Newton ist hier bestimmt genausowenig gefragt wie die Gesetze ihres Namensgebers:

Wenn Sie sich den Mondkräften öffnen, können Sie ein außergewöhnliches Wochenende erleben.

Stimmung auf der Bürotoilette!

Diese beiden Tips gibt’s für denselben Tag:

Der Mond beeinflusst heute Blase und Nieren.

Der Mond fördert heute besonders die Stimmung zwischen den Kollegen.

Also überlegt euch schon mal, wie ihr dort, wo die Blase euch immer wieder hinschickt, mit den Kollegen für Stimmung sorgt… Es könnte aber ratsam sein, die Männer/Frauen-Trennung der Toiletten dennoch zu berücksichtigen, denn nicht jede(r) ist ein Mondfan, und mit sexueller Belästigung ist auch bei der güngstigsten Mondphase nicht zu spaßen.

Ich hatte mich übrigens schon gefragt, wann es verdünnten Hokuspokus zum Schlucken gibt – zum physischen Schlucken, nicht zum geistigen; dort ist ja auch nichts verdünnt –, und es wundert mich, dass es bis Mitte März gedauert hat:

Wenn Sie unter Vollmond-Schlaflosigkeit leiden, hilft Ihnen unter Umständen ein homöopathisches Coffea-Präparat.

Leider lässt es sich der Kalender auch in diesem Monat nicht nehmen, gleich zweimal unverantwortlicherweise zum Vermeiden von Operationen und Zahnarztterminen zu raten. Der Disclaimer „In allen medizinischen Fragen ist der Rat eines Arztes maßgebend“ steht leider nur einmal am Anfang und nicht auf jeder solchen Seite.

Bleibt uns am Schluss noch die Erkenntnis, dass es den Gläubigen mal gut täte, über die bestaunenswerte Realität zu staunen:

„Staunen, das ist der Same des Wissens.“
(Francis Bacon)

 


PS: Für die noch nicht ganz dem Mond-Aberglauben anheim Gefallenen seien noch ein paar kritische Links ergänzt:

Links und Video der Woche (2010/08)

Wenn Jesus nach 2000 Jahren zurückkehrt…

…dann muss er natürlich mit einem Asteroiden kommen. Ist doch klar, oder?

Asteroid-Jesus

Jedenfalls brachte ein Rolf bei Konnas altem 2012-Beitrag – der mittlerweile selbst für Konnas Verhältnisse viele Kommentare gesammelt hat – Jesu angebliche Wiederkehr mit dem Asteroiden Apophis in Beziehung (ob er das wirklich ernst meint?):

Also 2012 ist noch gar nichts los. […] Jesus hat am Kreuz nicht nur gesagt, “Herr vergibt Ihnen, denn sie wisen nicht, was sie tun.” sondern (und das ist geheim geblieben) “Es werden tausend Jahre vergehen und noch einmal tausend Jahre. Dann werde ich wiederkommen. Doch Ort und Stunde weiß nur der Vater im Himmel.”

Und wer „das Hin und Her mit der Zeitrechnung kennt“, könne daraus den 13. April 2029 ausrechnen – den Tag, an dem Apophis an der Erde vorbeifliegt. 2029, das neue 2012? Bestimmt, denn so ein populärer Asteroid bietet sich immer an. Fragt sich nur, wie viele neue 2012s noch dazwischen kommen – für die Ungeduldigen…

Aber was sollte ein zurückkehrender Jesus davon haben, mit einem Asteroiden 30.000 Kilometer an der Erde vorbeizufliegen? Warum überhaupt ein Asteroid? Kann sich ein Gottessohn nicht ein repräsentativeres Gefährt leisten?

Zugegeben, Rolf meint diese Verbindung nicht so direkt wie in meiner Illustration oben:

Und Jesu Geburt (zur Erlösung der Menschen) wurde durch die Erscheinung eines (diesen?) Asteroiden angekündigt (dem die drei heilgen Könige folgten) und durch die Erscheinung eines (diesen) Asteroiden wird er das Dasein der Menschen beenden.

In der langen Liste möglicher astronomischer Erklärungen für den Stern von Bethlehem steht in der Wikipedia nichts von einem Asteroiden. (Und ein solcher dürfte schwerlich längere Zeit vor den drei ersten Jesuswallfahrern herziehen, wenn man sich schon auf solche Geschichten berufen wollte.) Und so ganz passt weder 2029 als Jesu Todesjahr +2000 („die meisten NT-Historiker halten 30 für das wahrscheinlichste Todesjahr“) noch der Ostertermin, wenn wir denn tagesgenau sein wollen.

Aber wollen, ja müssen wir überhaupt so haarespaltend sein? Schließlich wollte Jesus ja eigentlich schon in derselben Generation seiner Jünger zurückkehren, wie diese Erzählungen mehrfach betonen. Wahrlich, ich sage euch: Dann deuten die Wiederkehr­gläubigen inkonsequenter­weise eben die ach so wahren, ach so göttlichen Worte in der Bibel wieder mal um, um diesen Spagat zwischen der vergangenen Zeit und ihrer eskapistischen Hoffnung, egal ob mit oder ohne Asteroid, irgendwie hinzubiegen – oder berufen sich gleich auf „geheime“, außerbiblische Worte. Und spätestens das Jahr 3000 bietet sich an, den nächsten großen Termin zu erfinden.

Von diesen, äh, Kleinigkeiten abgesehen, frage ich mich nur, woher jemand das wissen will, wo es doch geheim sei – und wieso so ein popliger Asteroid ausreichen sollte, das Wissen über den Zeitpunkt dem alten Rauschebart im Himmel aus der Nase zu popeln. Etwa wegen dem, was Rolf dann noch so witzig–dreist hinzufügte?

This is just the perfect conclusion of science and faith, isn´t it?

Anders als auf der Gedankendeponie habe ich hier eine größere Auswahl an lachenden Smilies:
:loll: :lol2: :lol3: Und wie ich bei Konna schon so ähnlich schrieb: Nein, eher ein perfektes, typisches Beispiel dafür, wie Untergangs-, Prophetie- oder Esoterikgläubige Versatzstücke wissenschaftlicher Erkenntnisse nehmen und ohne wissenschaftliche Grundlage, ohne nachvollziehbare Belege für sich vereinnahmen.

Als ob man mit Wissenschaft den mythen- und märchenhaften Prophezeiungen irgendeine reale Bedeutung einpflanzen könnte – eher im Gegenteil. Aber wenigstens passt der nach der ägyptischen „Verkörperung von Auflösung, Finsternis und Chaos“ benannte Asteroid, nichts für ungut, als Sinnbild für das, was mit dem rationalen Denkvermögen derjenigen geschehen sein dürfte, die wirklich an einen Asteroidenjesus oder Jesusasteroiden glauben.

Jedenfalls müssen all die, die dann 2012 aufgestiegen sein werden, gehörig aufpassen, dass ihnen Jesus mit seinem Asteroiden nicht über die feinstofflichen Füße fährt…

 

PS:
Florians 2012-Banner


Zeichnung: cimddwc.net – ja, hab ich selbst gekritzelt, sieht man doch? – lizenziert unter CC-by-nc-sa