Es hört einfach nicht auf… nein, dies ist kein Ergänzungsbeitrag zu meiner „Cimddyon-Wasser“-Satire oder zur gestern erwähnten Avaro-Light-Anzeige, sondern bezieht sich auf einen großen Werbezettel aus dem heutigen samstäglichen Prospekt-Bündel, in dem ein angeblich „bewährtes System zur Verbesserung der Wasserqualität“ namens „Aqua blue®“ beworben wird. Bei sowas muss ich einfach meine Kritik loswerden…
Versprochen werden u.a. „weniger Kalk in Geräten, Leitungen und Armaturen“, Bindung freier Radikale und ein besserer Geschmack – das alles mit einer Metallbox in verschiedenen Größen (je nach Durchflussmenge für Wohnungen bis Industrie und Hotels), die ohne Montageaufwand einfach mit Klettband am Rohr befestigt werden soll.
Wie das ganze funktionieren soll? Die Box will dem Wasser die „innere Ordnung“ wieder geben, die auf dem Weg von der Quelle nur zu leicht verloren gehen soll:
„Aqua blue® gibt die gleichen Schwingungsmuster wie ein sehr gutes, frisches Quellwasser ab. Das Leitungswasser geht dazu in Resonanz und reagiert darauf.“
Und wie? Die Werbung spricht von „kein Magnet, kein Strom, keine Chemie“. Woher kommen die „Schwingungsmuster“? Wird natürlich nicht verraten. Aber selbst wenn eine detaillierte Beschreibung gegeben wäre, solche Esoterik-Wassseranbieter lassen sich ja viel einfallen, wenn der Tag lang ist (vgl. Linktipps unten). „Gutes“ Wasser soll sich angeblich dadurch auszeichnen, dass die Gruppen von Wassermolekülen (Cluster) besonders groß seien, und…
„bei sehr gutem Wasser haben diese Gebilde eine hohe Ordnung, die vergleichbar mit der Form eines Eiskristalls ist. Diese Aussagen werden durch die Arbeit des japanischen Wasserforschers Dr. Masaru Emoto unterstützt.“
Pech, dass diese Cluster offenbar innerhalb von Picosekunden zerfallen und sich neu bilden (Wikipedia… aber da gibt’s natürlich auch Ausflüchte, „Gedächtnis des Wassers“ und so, die wissenschaftlich nicht bewiesen werden konnten). Es kommt gleich noch besser, aber für diejenigen, die es gern ausführlich haben wollen, möchte ich zunächst auf die angebotenen „Gutachten“ eingehen, die sie „natürlich“ auf der Website anbieten:
Meine Kommentare zu den Gutachten anzeigen ▼
- „Veränderung der Kalkstruktur“ zeigt ganze zwei unterschiedlich starke Verkrustungen – ob das genannte Labor dazu außer den Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen etwas beigetragen hat, insbesondere im Hinblick auf eine seriöse Versuchsdurchführung inkl. Doppelblindversuch, ist nicht ersichtlich; ich denke, hätte es solche Versuche gegeben, würden sie sich nicht scheuen, damit zu werben.
- „Verringerung der Oberflächenspannung“ ist einer von zwei eingescannten Berichten, die tatsächlich von den Labors zu stammen scheinen und nicht Aqua Blues eigenes Briefpapier verwenden. Nur was sagt es aus, wenn die Oberflächenspannung nach 10 Minuten Kontakt mit einem Aqua-Blue-Gerät (die es beim Fließen durch die Leitung sicher nicht hat) um 12–22% sinkt, vor allem ohne dass es einen Vergleichswert ohne dieses Gerät gibt? Ich weiß es nicht, ein potentieller Interessent weiß es wohl auch nicht, aber es sieht bestimmt gut aus…
- „Verringerung des Redoxpotentials“ (der zweite Labor-Brief-Scan): anscheinend ein „statistisch abgesicherter Unterschied“ von 504 mV mit statt 520 mV ohne Aqua Blue, was wohl freie Radikale reduzieren soll. Überarbeitet: Klingt ja an sich nicht schlecht – wenn’s denn was bringt und das richtige meint, was nicht sicher ist (siehe hier (unten) und bei New Scientist, beide engl.) –, aber reicht das als Erklärung für alle behaupteten Verbesserungen mit „Schwingungsmuster“, „innerer Ordnung“, besserem Geschmack etc.? Kaum.
- „Signifikante Verringerung des Leitwerts“ als Ergebnis einer Elektrolumineszenzanalyse von „Biophotonen“ à la Fritz-Albert Popp (auch nicht ganz frei von esoterischen Uminterpretierungen und wissenschaftlichen Nachweisbarkeitsproblemen, vorsichtig ausgedrückt), bei der die Verringerung der „Biophotonenemission“ einer Glasflasche mit Wasser unter 50 Volt Spannung die erhöhte „Ordnung“ des Wassers zeigen soll, die dem Körper beim Stoffwechsel helfen soll…
- Die „Kristallanalyse“ zeigt zwei nette Bilder von Eiskristallen, die angeblich immer reproduzierbar unterschiedliche Strukturen bilden, mit kurzer Erklärung (und nur Nennung des Labors für „Kristallanalysen, Qualitätsprüfung, Qualitätsberatung, medizinische Diagnosen“, dessen Website mir auch einen zumindest leichten esoterischen Touch zu zeigen scheint, nicht zuletzt dank der angebotenen „Kristallanalysen von Wasser, Wasseraufbereitungsgeräten…“) und schlägt gleich einen Bogen zu einer Qualitätsverbesserung und einen „belebenden Effekt auf den Stoffwechsel des Verbrauchers“, ohne dies irgendwie ausführlicher zu begründen oder Ergebnisse etwaiger ernsthafter Studien (mit Blindversuchen und Kontrollgruppen etc.) auch nur ansatzweise anzusprechen, sodass natürlich zu bezweifeln ist, dass solche Studien stattgefunden haben.
- Der „Verträglichkeitstest“ beginnt erstmal mit der „physikalischen Wasserqualität“ anhand der „kristallinen“ Struktur des (flüssigen!) Wassers durch die schon erwähnten Cluster, bevor das Ergebnis hinsichtlich der Auswirkungen auf den Menschen anhand einer Methode eines gewissen Dr. Motoyama genannt wird – also Leute, etwas mehr Ausführlichkeit als das darf der mündige Verbraucher schon verlangen:
Das Ergebnis
Unbehandelt: Das Wasser belastet Blase, Dünndarm, Dickdarm.
Mit Aqua blue: Es werden keine Organe mehr belastet.
- Zu „Verringerung der Leitfähigkeit“ und „Veränderung des Abbindeverhaltens von Zement“ werden keine Dokumente angeboten.
Jetzt zum „Besseren“: Dieser Wasserforscher Masaru Emoto behauptet allen Ernstes, Wasser ließe sich durch Emotionen beeinflussen, durch Musik und Filme – schon durch positive oder negative Wörter, die man auf Etiketten schreibt! 
Zum Beispiel „Liebe“ oder „danke“ oder aber „krank“ etc., und auch die Sprache mache einen Unterschied – also sowas Absurdes ist mir nicht mal für meine Satire eingefallen, und Emoto meint das ernst!
James Randi hat das schon 2003 kommentiert (2. Abschnitt), dort sind auch ausgesuchte(!) Kristall-Bildchen zu sehen. Zitat Randi:
Well, if that didn’t convince you that Dr. Emoto might not have both oars in the water, try this, a quotation from him in answer to his thoughts on what the crystals are: „I came to the realization that these crystals are spirits.“ Okay. Where’s the door….?
(Übersetzung) ▼
Nun, wenn das Sie noch nicht davon überzeugt hat, dass Dr. Emoto vielleicht nicht beide Ruder im Wasser hat, versuchen Sie es mit diesem Zitat von ihm als Antwort auf seine Gedanken darüber, was diese Kristalle sind: „Ich kam zu der Erkenntnis, dass diese Kristalle Geister sind.“ Okay. Wo ist die Tür…?
Seine angeblichen „Beweise“ – wie z.B. die passende Auswahl von einem von 50 Fotos von Eiskristallen – sind dabei offenbar nicht mal ansatzweise wissenschaftlich, wie auch in Emotos Wikipedia-Eintrag nachzulesen ist – es ist noch keinerlei Nachweis, keine Reproduktion unter seriösen, wissenschaftlichen Bedingungen gelungen, was die rational ohnehin angebrachte Vermutung über den Unsinn dieses Esoterik-Krams nur bestätigt.
Zitat von ZEIT Online, „Kann Wasser denken?“ (Hervorhebung von mir):
Doch wer fragt schon nach Wissenschaft, wenn Emoto sein Glaubensbekenntnis ablegt: „Die Wassermoleküle ließen mich tief verstehen, dass erst, wenn Dankbarkeit doppelt vorhanden ist (H2), die Liebe (O) eine aktive Form annehmen und wirken kann.“
Was soll man dazu noch sagen? 
Keine guten Voraussetzungen dafür, dass diese Aqua-Blue-Geräte (oder wie man die Metallboxen nennen mag) irgendetwas Sinnvolles jenseits eines möglichen Placebo-Effektes machen, denke ich – außer das Konto des Anbieters zu füllen, und das ist auch nur aus dessen Sicht sinnvoll. Apropos Geld: Preise werden nun leider weder im Werbeblatt noch auf der Website genannt, aber wenn bei Inanspruchnahme der 3-Monate-Zufriedenheitsgarantie 30 € Bearbeitungsgebühr abgezogen werden sollen, muss der ursprüngliche Preis deutlich über 30 € liegen.
Meine Meinung: Geschenkt wäre noch zu teuer.
Update 20.2.2010: In einer großen Zeitungsanzeige wird jetzt ein Preis genannt: 895 € „für ein Haus mit bis zu vier Wohneinheiten“. Bestimmt keine schlechte Gewinnspanne…
Linktipps (*=oben noch nicht verlinkt):
– und ein fast schon langweiliger wolkenloser Abend am Montag:
