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Esoterik&Religion

„Tier-Telepathie. Humbug oder Realität?“

Die Hörzu kann’s anscheinend nicht lassen – nach der unsäglich unkritischen dreiteiligen „Wunder Heilung“-Serie inklusive persönlichem Erfahrungsbericht des Autors (meine Beiträge dazu hier, dort und da) gibt’s nun in Heft 35 einen Artikel (auch online), in dem eine Hörzu-Redakteurin berichten darf, wie sie auf eine Tier-Telepathin hereinfallen wollte – sie hat’s natürlich nicht so ausgedrückt –, nachdem ihre Katze mit pseudo-adligem Namen, gerufen „Katerchen“, nach einem Umzug weggelaufen war.

„Katerchen, geht’s dir gut?“

Das ganze dann natürlich noch mit Werbung für die beteiligte „Tier-Telepathin und Psychologin“ Dr. Rosemarie Marquardt und ein Buch der „Pionierin der Tier-Telepathie“ Penelope Smith, bei der diese einen Kurs besucht hatte.

Nicht doch bloß Einbildung? „Jeder hat das Recht, das anzuzweifeln. Menschen erscheint es unglaublich, dass man mit Tieren kommunizieren kann. Dabei sind es nur verschüttete Fähigkeiten, die jeder wiedererlangen kann“, sagt Marquardt.

Ja, klar. Passt auch zum Tenor des Einleitungstextes:

Mit Tieren zu sprechen ist ein Menschheitstraum. Einen Weg weist die Tier-Telepathie. Humbug oder Realität? Ein Selbstversuch

Es ist leider Realität, dass den Leuten viel Humbug angedreht wird… Direkte Kommunikation, auch und gerade nonverbal, wie sie auch zwischen Menschen eine große Bedeutung hat, ist eine Sache (vgl. auch Wikipedia) – dass hingegen Telepathie daran beteiligt sein soll, ist (nicht nur) meiner Meinung nach nichts anderes als mystischer Schwachsinn. Irgendwie wundert es mich aber nicht, dass manche Leute das gerne miteinander verquicken. In journalistischer Hinsicht ist dieser Artikel jedenfalls eine äußerst schwache Leistung. Naja, was will man gerade nach der „Wunder Heilung“-Serie von der Hörzu auch erwarten? Es geht noch weiter:

Das funktioniere auch über weite Entfernungen, dafür reiche ein Foto, sagt sie.

Und dafür braucht man diesen mystischen Schwachsinn natürlich, man will verzweifelten Herrchen und Frauchen ja etwas bieten. :roll:

Und so kommen wir halt in den „Genuss“ zu erfahren, dass das Katerchen der Autorin der „Telepathin“ angeblich sage, „er sei nicht weggelaufen, sondern wollte in seinem alten Revier nach dem Rechten sehen“, später verletzt wurde und übers Tierheim zu einer neuen Familie gekommen wäre. Und angeblich Bilder übermittle …

… die ein altes Haus zeigen, mit hohen Bäumen, seinem Lieblingsplatz im Erker, eine Küche mit Tür zur Terrasse, dahinter einen Garten mit Büschen und schönen Verstecken.

Inklusive schwarzem Hund in der Nähe. Was angeblich das frühere Domizil „exakt skizziert“, obwohl die Autorin das „mit keiner Silbe erwähnt“ habe.

Nun, wir wissen nicht, wie ausführlich sich die beiden Damen unterhalten haben, ob die „Telepathin“ das sofort gesagt/geschrieben hat oder im Laufe eines Gesprächs, das offenbar tatsächlich stattgefunden hat; über seinen genauen Verlauf kann man natürlich nur spekulieren. Wir erfahren nur, dass ein Foto vom Kater in der neuen Wohnung (1. Stock) gemailt wurde – wer weiß, vielleicht wusste die „Telepathin“ das nicht und hat die Grünfläche und die Büsche im Hintergrund entsprechend gedeutet… jedenfalls ist es sehr zu bezweifeln, dass sie ohne Feedback der Autorin alles richtig und nichts falsch genannt hat.

Psychologieerfahrene „Telepathen“ und „Wahrsager“ haben bekanntermaßen gerne so viel Menschenkenntnis, dass sie aus kleinen Anzeichen – Rasse der Katze, Wohnungsaccessoires (beides schon auf dem Foto zu sehen), Auftreten und Ausdrucksweise des Gegenübers, … – (Stichwort Cold Reading) auf einiges schließen können, von dem genug zutrifft, um zusammen mit dem als confirmation bias1 bekannten Effekt der selektiven Wahrnehmung und einer geschickten Gesprächsführung mit vagen Aussagen, die die Kunden selbst direkt oder indirekt bestätigen, bei Glaubenswilligen äußerst überzeugend rüberzukommen.

[Die] Leiterin der Fachschule für Osteopathische Pferdetherapie in Overath hat Marquardt durch die Behandlung einer jungen Stute kennengelernt. Sie bestätigt deren außergewöhnliche Fähigkeiten, warnt aber: „Tier-Telepathie ist gerade in Mode. Oft wird damit unverantwortlich umgegangen.“

Unverantwortlich – das halte ich für eine gute Bezeichnung dafür, verzweifelten Herrchen und Frauchen, die nach jedem Strohhalm greifen, von angeblichen telepathischen Kontakten mit ihren verschwundenen Lieblingen zu erzählen. Auch tröstende Lügen sind Lügen – wobei bestimmt etliche „Telepathen“ auch einer Selbsttäuschung unterliegen mögen als tatsächlich vorsätzlich zu lügen. (Ganz unabhängig von Erfolgen im direkten Kontakt mit den Tieren.)

Wenn es Tier-Telepathie tatsächlich gibt – wovon wird sie ausgelöst? Empathie? Intuitives Wissen über andere durch Beobachtung? Ansätze für wissenschaftliche, neurologische Erklärungen gibt es wohl.

Genannt werden diese Erklärungen aber nicht. Hörzu eben. Überhaupt, Erklärungen wofür genau? Ein Tier ansehen und sein Wohlbefinden bzw. Krankheiten erraten, sich in gewisser Weise „hineinfühlen“? Kein Thema, siehe oben. Aber für Telepathie?? Das hättet ihr wohl gern. Dafür mag es pseudowissenschaftliche Erklärungsversuche geben – morphische Felder und ähnlichen Kram zum Beispiel –, aber keine echten wissenschaftlichen. Ich kenne jedenfalls keine seriösen(!) wissenschaftlichen Studien oder Experimente, die nicht negativ für die Parapsychologieanhänger ausgefallen wären.

Nun ja, wenn der Abo-Service keinen Mist baut, war das eh meine letzte Hörzu.


Linktips:

  1. d.h. man neigt dazu, Dinge, die die eigene Meinung bestätigen, verstärkt wahrzunehmen, widersprechende hingegen zu ignorieren []

Keine Zirkusartisten im Vatikan

Die Brights kritisieren (zu Recht) die Kritik des Erzbischofs von Vaduz an der kritischen Haltung des Erbprinzen und der Regierung von Liechtenstein gegenüber einem Konkordat (Staatskirchenvertrag) mit dem Vatikan – erwarten aber auch Unmögliches von letzteren:

Zitat: Allemals holt man sich zudem noch schlechte Theologie ins Land, selbst die wird im katholischen Zwinger Roms nicht ordentlich aufs Trapez gebracht.

Wie sollen die alten Herren im Vatikan auch ordentlich am Trapez turnen können? ;)

 

(Nichts für ungut, manche Fehler sind halt amüsant genug, um hier auf sie einzugehen – man bringt etwas aufs Tapet,1 nicht aufs Trapez…)
:klugscheisser:

  1. Ta|pet, das [urspr. (Decke auf einem) Konferenztisch < lat. tapetum, Tapete]: nur in den Wendungen aufs T. kommen (ugs.; zur Sprache kommen; eigtl. = auf den Konferenztisch gelegt werden): etw. aufs T. bringen (ugs.; etw. zur Sprache bringen).
    (c) Dudenverlag []

Verliert man Hirnzellen beim Kopfschütteln?

Kopfschütteln Eine weitere Spezial-Ausgabe der Suchanfragen-„Beantwortung“, diesmal wieder zum Thema Esoterik (und naturgemäß etwas anders als sonst)…

Für die, die’s noch nicht wissen: Mit den grau hinterlegten Suchanfragen haben Leute hierher gefunden, und ich ab sie weder gekürzt noch erweitert noch erfunden.

if you shake your head do you lose brain cells
Ich glaube, der Zusammenhang ist ein anderer: Wenn du den Kopf schütteln musst ob der Verrücktheit mancher Leute, z.B. solcher, die Regenbogen im Wasser eines Rasensprengers für eine Regierungsverschwörung mit Trinkwasserbeeinflussung halten, den LHC als Weltverschwörung zum Anlocken von satanischen Nephilim vom Planeten Nibiru sehen, u.v.a.m. – dann ist bestimmt ein Verlust von Hirnzellen beteiligt.

wieso werden wir im glauben gelassen das es keine aliens gibt
Dass das „das“ das falsche „das“ ist und „dass“ heißen sollte, werde ich mal ignorieren, das passiert auch gestandenen Astronomen des öfteren. ;) Aber wer so fragt, zeigt eigentlich ohnehin, dass er alles glauben will, was Verschwörungstheoretiker so von sich geben, anstatt selber mal nachzudenken – z.B. über die äußerst geringe Wahrscheinlichkeit von Alien-Besuchen1 angesichts der großen Entfernungen und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, warum so ein großes Ereignis überhaupt geheimgehalten werden sollte, wie dies in einer ausufernden Bürokratie mit unzähligen Regierungsangestellten möglich sein soll stc.

what specifications to do black magic to need a girl
Ich benötige keine schwarze oder sonst eine Magie, um ein Mädel zu brauchen. :mrgreen: Oder was willst du – einen Schwulen dazu bringen, Frauen zu mögen? Aber Spezifikationen findet man eher in Datenblättern und Ähnlichem, was hat das mit Magie zu tun? Drück dich doch mal klarer aus, Mann!

Ach, ich vergaß – Magiegläubigkeit und klares Denken passen ja eh nicht zusammen.

flüche abbeten mit geld
Früher nannte man das Ablasshandel; heutzutage sind auch viele Betrüger unterwegs, die z.B. Passanten was von verfluchten Verwandten erzählen oder sonstwo sowas anbieten.

abbeten mit dem mond
Das sind dann solche Mystiker, die zweifelhafte Religiosität mit zweifelhafter Esoterik kombinieren, um die größtmögliche Wirkung zu erreichen. Wirkung im Sinne von Beeindruckung leichtgläubiger Kunden und Geldeingang auf dem eigenen Konto, um genau zu sein.

mondkalender dauerwelle
Kann man den denn dann noch richtig lesen, wenn er gewellt ist, der Kalender?

nostradamus teilchenbeschleuniger
Da sollte man sein Gekritzel und vor allem das, was heutige Wahrsagerei-Spinner und Panikmacher da hineindeuten wollen,2 reinstecken und kollidieren lassen – dann hätte das mal einen echten Nutzen!

sterben drachen wenn wir nicht mehr an sie glauben?
Stirbt die Intelligenz, wenn man angesichts all dieser Suchanfragen nun wirklich nicht mehr an sie glauben kann? Hm, ist fast irgendwie zu befürchten…

in der sendung beweis auspendeln
In welcher Sendung? Immer diese ungenauen Suchbegriffe… Naja, egal, „auspendeln“ und „Beweis“ passt höchstens dann in denselben Satz, wenn man z.B. sagt: „Auspendeln ist der Beweis, dass es irrationale Mystik-Phantasten gibt.“

lotto durch wille
Nun, ohne den Willen, Lotto zu spielen, wirst du kaum eine Chance haben zu gewinnen. Oder wie die Werbung schon banalisierte: „Nur wer mitspielt, kann gewinnen!“

numerologie was wir lernen müssen
Dass Numeroligie ein Blödsinn ist, bei dem sich jeder irgendwelche Zusammenhänge von Buchstaben, Zahlen und Bedeutungen zusammendichten kann, und dass das auch nicht besser wird, wenn man phantasielos antike „Formeln“ nimmt anstatt sich selbst die Mühe zu machen.

Puh, das reicht jetzt. Zum Schluss noch schnell zum heilpraktiker nackt ausziehen und der domina heilpraktikerin Bescheid sagen, dann drehen wir unseren astrologie porno!
:eyebrow:


Foto © Jenny Solomon – Fotolia.com

  1. bei dieser Fragestellung gehe ich durchaus davon aus, dass Aliens auf der Erde gemeint sind []
  2. am einfachsten natürlich im Nachhinein… []

Links und Video der Woche (2008/33)

Kräuter für den Aberglauben

Königskerze Nichts gegen Heilkräuter, sie können ja durchaus helfen. (Wenn auch bestimmt nicht gegen alles, was im Lauf der Jahrhunderte so behauptet wurde.) Und nichts gegen etwas Vorratshaltung, wenn man sich mit den Kräutern auskennt und sie regelmäßig benutzt, auch wenn es heutzutage kaum lebensnotwendig sein dürfte, dass jeder bei dieser Vorratshaltung mitmacht. Und natürlich auch nichts gegen Gewürzkräuter.

Aber muss man für einen Aberglauben wie eine Kräuterweihe an Mariä Himmelfahrt massenweise Pflanzen wie die Königskerze und unzählige andere mehr in die Kirchen tragen, um sie dann daheim irgendwo hinzuhängen oder -legen und sich davon alles Mögliche zu versprechen?

Nun ja, ist ja irgendwie konsequent, schließlich hat man etwas früher im Kirchenjahr, an Fronleichnam(?), auch etliche Zweige, Äste und kleine Bäume abgeschnitten, um sie in den Straßen als Dekoration aufzustellen. Und die Leute versprechen sich von so vielem, das auch ihnen selbst reichlich seltsam anmutete, dächten sie einmal genauer darüber nach, so einiges. Aber zurück zum aktuellen Feiertag:

„Traditionsgemäß soll [der Kräuterbuschen] sich aus lebensnotwendigen und heilkräftigen Pflanzen wie Brotgetreide, Heil- und Gewürzpflanzen zusammensetzen“, erläutert Josef Stadler, Kreisfachberater für Landschaftspflege und Gartenbau am Landratsamt Pfaffenhofen. Den Mittelpunkt bildet in der Regel die Königskerze, auch Wetterkerze oder Muttergotteskerze genannt.

Und wozu das ganze? (Hervorhebung von mir.)

„Nach altem Volksglauben steht der geweihte Kräuterbuschen in hohem Ansehen. Man misst ihm außerordentlich Heil- und Wirkkräfte bei.

Und das nur, weil ein besonders gekleideter Mann ein paar eigenwillige Handbewegungen macht und vielleicht etwas Wasser versprüht? Und die Zahl der Kräuter soll eine Rolle spielen, obwohl man sich nicht einigen kann, wieviele es denn sein sollen – 7, 9, 12, 14, 24, 72 oder gar 99? (Wikipedia) Und man muss dreimal auf einem Bein im Kreis hüpfen und danach im Schneidersitz laut Ommm… rufen? Ach nein, das im letzten Satz ist kein Bestandteil dieser Esoterik.

Früher warf man bei heranziehenden Gewittern oder drohenden Unwetter einige der geweihten Kräuter in das Herdfeuer, um es abzuwenden.

Ach, man hat tatsächlich gemerkt, dass das nichts hilft? Erstaunlich. Oder hat man damit nur aufgehört, weil Herdfeuer so selten geworden sind?