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Anti-Wissenschaft

Erweitern Sie Ihren Horizont!

goldfishes „Erweitern Sie Ihren Horizont!“ – so titelt das aktuelle Programmheft der VHS Pfaffenhofen, dazu eine Variation des nebenstehenden Goldfisch-Fotos1. Nun hat eine VHS ja wirklich etliche Angebote, die den persönlichen Horizon ganz gut erweitern können – von EDV-Kursen über Reiseberichte, Kunstlehrgänge und Exkursionen bis zu Fremdsprachen.

Doch eben, wenig überraschend, gibt’s auch ein paar realitätsferner Angebote, nicht nur zweimal immer noch unter Ökologie einsortiertes Feng Shui oder ein Wasserader-Elektrosmog-„Rutengänger in der modernen Zeit“ passenderweise in derselben Kategorie, sondern (wie auch schon in früheren Jahren) die Kategorie „Medizinische Themen – Naturheilkunde“, bei der die wegen ihres Einschließens der esoterischen „Alternativmedizin“ zweifelhafte „Naturheilkunde“ in den Seitenüberschriften dann wieder fehlt.

Und so tummeln sich unter dem scheinbar ernsthaften Titel sieben Kurse von fünf esoterischen Heilpraktiker(inne)n, die den einen Kinder-Erste-Hilfe-Kurs eines BRK-Rettungsassistenten und die vier Kurse in der nachfolgenden Kategorie „Gesundheitsforum“ fast schon an die Wand drängen; und ein paar Zimmer, pardon, Kategorien weiter feiern noch die Schamanen fröhliche Urständ.

(Apropos Heilpraktiker: Gibt’s überhaupt eine nennenswerte Anzahl davon, die nicht dem esoterisch–glaubensmedizinischen Bereich angehören?)

Auch wenn ein Kurs wie „Rund ums Herz“ in seiner Beschreibung gar nicht so auffällig esoterisch klingt – wenn ein Blick auf die sonstigen Angebote der Kursleiterin eine volle Palette aus dem evidenzlosen Bereich bietet, suche ich mir meine medizinischen Ratschläge lieber woanders.

Schade jedenfalls, dass gerade die fälschlicherweise so gern „sei doch mal offen“ Sagenden nicht nur berufsbedingt beim Versuch, ihren Horizont zu erweitern, so weit vom Boden der Realität abgehoben haben, dass sie gar keinen Horizont mehr sehen – und das, wo die wissenschaftlichen Lande vor dem immer weiter zurückgedrängten Horizont so vielfältig und faszinierend sein können…

  1. der springende Fisch ist direkt über den Spritzern, das rechte Glas fehlt, der Hintergrund ist himmelblau – aber die Spritzer und die Fische links sind identisch; vielleicht gibt’s auch direkt so eine Variante, die ich aber auf die Schnelle nicht gefunden habe — Quelle: khz – Fotolia.com []

Glasklar

In einem der hiesigen Anzeigenblätter mit einem kleinen redaktionellen Teil bekam eine Heilpraktikerin zu ihrem 10-jährigen Berufsjubiläum 12 cm x 18 cm Platz mit Artikel und Foto von sich – so weit nichts Unge­wöhnliches, auch ihre Angebote bieten das Übliche der Möchtegernmedizin. Aber nachdem erst von Stress und wenig Zeit und des (sicher nicht zu bestreitenden) positiven Effekts eines ausführlichen Gesprächs die Rede ist, kommt dann eine unfreiwillig ironische Formulierung, die mir doch diesen Blogbeitrag wert war (Hervorhebung von mir):

Das Leistungsrepertoire umfasst selbstverständlich auch glasklare medizinische Erkenntnisse. So gehört die Blutbildanalyse mit der Dunkelfeldmikroskopie neben Akupunktur, Homöopathie und anderen naturheilkundlichen Verfahren zu den Diagnose- und Therapieschwerpunkten.

:loll: Unnötig zu sagen, dass wirklich glasklare medizinische Erkenntnisse sowohl bei den angegebenen als auch weiteren auf ihrer Homepage zu findenden Verfahren (Bachblüten, Fußreflexzonen, …) zeigen würden, wie wenig davon zu halten ist, oder?1

Oder der Autor des Textes meinte Trübglas (Milchglas) oder anderweitig undurchsichtiges, verschmutztes oder verzerrendes Glas. Kann natürlich auch sein.


Foto: David Hoffman, CC-by-nc-sa-Lizenz (Flickr)

  1. Wer doch mehr erfahren will, möge wie üblich einfach bei der GWUP, bei EsoWatch oder in den kritischen Abschnitten in der Wikipedia nachlesen. []

12,2 Prozent?

Sind die 12,2 Prozent (20% von 61%), die diesem Zitat zufolge in ernsten Fällen lieber auf Hokuspokus setzen, nun überraschend wenig oder viel? Oder sind eher die 61% beachtenswert?1

Während 61 Prozent der Bevölkerung unkonventionelle Verfahren zwar besser finden als etablierte, erscheint es 80 Prozent von ihnen aber gefährlich, sich bei schwerwiegenden Erkrankungen allein auf Außenseitermethoden zu verlassen.

Oder der irgendwie bedauernde Tonfall – so viele noch halbwegs vernünftig? –, den dieser Schlusssatz eines kurzen allgemeinen Artikels namens „Alternative Heilmethoden“ auf der Doppelseite „Alternative Heilmethoden“ einer kostenlosen kleinen Wochenzeitschrift („Aktion Der Hallertauer“) an den Tag zu legen scheint?

(Dass hier „unkonventionell“ mit unbelegter esoterischer Glaubensmedizin, „etabliert“ mit evidenzbasierter Medizin – also dem, was gerne abfällig als „Schulmedizin“ bezeichnet wird2 – gleichzusetzen ist, ist angesichts des Kontexts m.E. klar.)

Ansonsten findet sich auf dieser Doppelseite: Ein Artikel über Allergien, der natürlich die Vorzüge der angeblichen Naturheilkunde herausstellt und für weitere Informationen auf ein „Naturheilkunde- und Hypnosezentrum“ verweist (also vermutlich nicht ganz ohne dessen Beteiligung geschrieben wurde); einer über eine thematisch in weitesten Teilen passende „Sauerstoff-Ozon-Therapie“ mit Verweis auf eine entsprechende Anbieterin; und ein Artikel zum Welt-Osteoporose-Tag mit dem Thema „Mit Osteoporose das Leben gestalten“, der mir auf dieser Seite eher unpassend, weil nicht „alternativheilend“ erscheint.

Dazu natürlich noch 8 Anzeigen von entsprechenden Anbietern, teils spezialisierter, teils hans-dampfig in allen Glaubensgassen. Ob das nun die allgegenwärtige „Klassische Homöopathie“ oder eine „Dorn-Breuß-Therapie“ ist oder gleich ein Seminarangebot für 110€:

Die BASIS der ZWEIPUNKTMETHODE
Bewusstsein erschafft Realität –
Energie folgt der Aufmerksamkeit

Dass die Zweipunktmethode jetzt nichts aus dem Matheunterricht ist, sieht man schon an den restlichen zitierten Zeilen – und die deuten schon an, was eine kurze Google-Recherche bestätigt:

Dass es sich nämlich um einen von vielen Anbietern von Quantenheilungs­quatsch geht (siehe EsoWatch), also eine von vielen Varianten, wie die auf der einen Seite so wissenschafts­(medizin)­feindlichen Esoteriker die wissenschaftlichen Begriffe – bevorzugt aus der Quantenphysik3 – vergewaltigen, um ihre Phantastereien ohne jegliche wissenschaftliche Rechtfertigung an die uninformierten oder leichtgläubigen, auf jeden Fall hoffentlich zahlungskräftigen Kunden zu bringen.
:thumbsdown:


Foto: Lakshmi – Fotolia.com

  1. Wenn wir mal annehmen, dass die Zahlen stimmen. []
  2. so wie ich hier lieber von Glaubens- statt von Alternativ– oder Komplementärmedizin schreibe – das allerdings wohlbegründet… []
  3. Update 5.9.11: Link geändert, da der urspr. derzeit/mittlereile nicht öffentlich zugänglich ist []

Die Weisheit des Pharao

In den Kommentaren zu Florians „Manchmal wäre ich gerne ein Pseudo­wissenschaftler…“ erwähnt ein Peter seine Zahlenspielereien mit den ägyptischen Pyramiden, wo im Endeffekt aus einer veralteten Umrechnung Zoll ↔ cm ein antikes göttliches Geheimnis wird…

Doch ob seiner fehlgeleiteten Faszination dafür, dass 254×3937 = 999998 banalerweise nahe an einer runden Zahl liegt (und somit für eine Umrechnung in der Praxis meist ausreicht – und dabei ganz beiläufig die ach so geheimnis­volle Doppelungsfolge 2,54000508001016002032004064… produziert), übersieht er die wahren Geheimnisse der Pyramiden und des Pharaos!

Aber man kann diese Letzte™ Exorbitant™ Geheime™ Offenbarung™ ganz einfach numero­unlogisch ermitteln:

Die 2. Serie der Lego-Sammelfiguren, aus der der Pharao da rechts oben stammt, hat die Produktnummer 4559116 (in den USA eine andere), der Pharao selbst den Barcode1 673419146791. Wenn wir jetzt jede Ziffer als die Regel auffassen, eben so viele Buchstaben im Alphabet weiterzugehen (bzw. zu Beginn mit dem entsprechenden anzufangen), erhalten wir für diese Ziffernfolge dieses Ergebnis:

Dinwxye kruyzijntajk

Nun ist es auf den ersten Blick absolut logisch und natur­wissenschaftlich fundiert, dass bei diesen ersten drei Buchstaben eine DIN-Norm gemeint sein und deswegen die nächsten Ziffern nicht als Buchstaben, sondern als Zahlen interpretiert werden müssen. Damit ergibt sich:

DIN 911 6 kruyzijntajk

DIN 911 beschreibt diese Dinger, die gerne bei Selbstbaumöbeln mitgeliefert werden: Sechskant­stiftschlüssel alias Inbusschlüssel. Sechskant! Und die nächste Zahl ist eine 6!!! Das kann doch kein Zufall sein!!!!ihrwisstschon:einself! Damit ist ZWEIFELSFREI BEWIESEN: Die Ägypter haben beim Pyramidenbau Sechskantstiftschlüssel benutzt und außerdem die DIN-Norm gekannt, ach was sag ich, von Gott offenbart bekommen!

Also wer davon nicht fasziniert ist, dem ist in seinem verbohrten, dogmatischen Weltbild wirklich nicht mehr zu helfen!

Doch das ist nicht alles! Diese Zahlen- bzw. Buchstabenfolge offenbart auch, wie man die letzten Antworten auf alle Fragen erhält2 – okay, das ist nur eine Theorie, aber was soll’s denn sonst sein? Und zwar muss man „kruyzijntajk“ als ungefähre Lautschrift auffassen – was übrigens in sich absolut logisch ist, was die „Skeptiker“ doch auch mal anerkennen sollten ! –, denn die Ägypter damals konnten ja noch nichts von unserer Sprache und Schrift wissen. Somit ergibt sich:

Fertige ein Kreuz aus 6 Sechskantstiftschlüsseln in Teig an, um die höchste Erleuchtung/Stufe/Dimension/Schwingungs­frequenz/Engels­einweihung/… – whatever floats your boat, also was auch immer deinen Verstand davongleiten lässt (oder so ähnlich) – zu erfahren! Und vielleicht sogar Wissen über „freie Energie“, Kornkreise und Löffelverbiegen!!

So, dann bin ich mal auf Bilder von euren Sechskant­stiftschlüssel­kreuz­teigen gespannt – und natürlich die Offenbarungen, die ihr dadurch erlangt habt…
:loll:


Foto: Big C Harvey / flickr, CC-by-Lizenz

  1. die Barcodes, um die Sammelfiguren zu erkennen, ohne die Tüten zu öffnen, lassen sich leicht ergoogeln… []
  2. oder vielmehr die vorletzten, denn die ultimative Antwort, 42, kennt man ja schon []

Links und Videos der Woche (2010/34)

(Hier war etwas als Flash-Objekt eingebunden. Nicht mehr zeitgemäß.)