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Anti-Wissenschaft

Sein oder nicht Sein (1): Lachen, weinen oder kopfschütteln?

Oder ein bisschen von allem – passt wohl am besten, denn:

Wenn einer eine Reise tut, so kann er… mitunter im Netz am Vordersitz im Zug seltsame Zeitschriften finden, z.B. eine kostenlose Esoterik-Zeitschrift aus Berlin namens „SEIN“ (auch im Internet vertreten), bei dessen näherem Anschauen man sich wirklich fragt, ob man angesichts einer solchen Ansammlung an Artikeln und Anzeigen lachen, weinen oder den Kopf schütteln soll – oder sich freuen, Material fürs Blog gefunden zu haben, das, wie ich finde, schon von alleine mitunter so kurios-absurd ist (obwohl es sich selbst ernst nimmt), dass man sich kaum mehr selber darüber lustig machen muss. :mrgreen:

Als Untertitel bzw. generelle Themenangaben werden genannt: „Lebenskunst, Spiritualität, Neue Weltbilder, Gesundheit“. Das Titelthema dieser Ausgabe wirft auch gleich seltsame Ausdrücke in den Raum:

Horizont „Erleuchtung“
Satsang und Deeksha: Zwei Wege – ein Ziel?

Aaah ja. Wie zu lesen, wird einem – kurzgefasst – bei ersterem eingeredet, man wäre keine Person, das Ich gäbe es nicht; letzteres eher gegenteilig und mit „gesünder machender Energieübertragung“. Und letzteres scheint gerade „in“ zu sein, schließlich schreiben ein paar Satsang-Fans pro Deeksha.

Etwa unter dem Titel „Satsang, Deeksha, Lemongrass – ich falle gern auf alles rein“ (diese und alle folgenden Hervorhebungen von mir) – nun, ich habe so meine Zweifel, dass diese Selbsterkenntnis konsequent und fundiert genug ist, um wirklich ein Weg zur Besserung zu sein.

Oder in „Es ist was, es ist“ (ja, das Komma ist so gesetzt – Absicht?):

Wie kommt ein Satsang-Fan zur Deeksha?

Als ich zum ersten Mal von Deeksha hörte, hielt ich das Ganze für einen absurden Witz und unglaublich clevere Vermarktung. Erleuchtung gegen Kohle? So ein ausgemachter Blödsinn! Ich kam aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Aber jahrelang (wenn auch pro Sitzung/Lektion offenbar weniger) Geld für den anderen „ausgemachten Blödsinn ausgeben“. So haben wir’s gern. :roll:

Mir blies es buchstäblich das Gehirn weg. […] Und schließlich die Erfahrung kosmischen Bewusstseins. Vor Zeit und Raum. Über Stunden.

Stunden, aha! Also vergänglich. Also nicht erleuchtet. Keine Explosion in die Nicht-Dualität. Auch nicht, als sich Erlebnisse dieser Art häuften.

Das Leben geht weiter. Zuhause kommen neue Höhen, neue Tiefen. Ich bin mehr bei „mir” – obwohl es „mich” ja gar nicht gibt. Ich versuche, meinem Herzen zu folgen. Das Leben macht mit mir, was es will. Um nichts möchte ich die Zeit in Indien missen. Mehr und mehr fühle ich, da ist Gnade. „Ich” gebe Deeksha. Aber da ist ja keiner. Niemand „gibt” dir etwas. Der Verstand begreift es einfach nicht. Aber das Herz weiß:
Es ist richtig.

Und auch das Konto derer, die an diesen „Erleuchtungen“ oder „Erweckungen“ verdienen – wozu sicher auch die Autorin jenes Artikels, „Heilpraktikerin und Meditationslehrerin“, gehört –, findet: Es ist richtig. :P „Zwei Wege [von vielen] – ein Ziel“!

Dieses Dilemma des Verstandes gäbe es überhaupt nicht, wäre er nicht mit dem anderen spirituellen Zweig vorbelastet – aber der Verstand scheint mir bei Esoterik-Jüngern ohnehin, sagen wir, etwas fehlsichtig zu sein…

Ich habe ja nichts dagegen, wenn Leute ihr Geld in Maßen für etwas ausgeben, durch das sie sich besser fühlen, mangelnde wissenschaftliche Grundlagen jenseits psychologischer Wirkung hin oder her. Nur wenn sie sich in Unkosten stürzen, was einige Lehrer und Gurus nur zu oft unterstützen dürften, und sich und eventuell andere in finanzielle Notlage oder emotionale, psychische Abhängigkeit bringen – was natürlich nicht immer der Fall, die Gefahr hingegen selten auszuschließen und zu unterschätzen ist –, geht es zu weit.

Auch wenn der Drang, das ganze Esoterische und Spirituelle kritisch zu hinterfragen, bei Anhängern und Interessierten eher schwach ausgeprägt sein dürfte, möchte ich doch genau dies empfehlen.


PS: Wie die „1“ im Titel schon andeutet, wird es hier in nächster Zeit noch zwei, drei weitere Fundstücke aus diesem „Absurditätenkabinett“ geben. ;)

» Hier geht’s zu Teil 2!

Lebensgestaltung mit Numerologie-Orakel…

1-22 Auf Stöckchen-/Zahlenspaß-Umwegen via Pegasus‘ Traum bin ich da auf etwas Grandioses gestoßen, das ich in der Bedienung vereinfacht, in der Bedeutung und Auswertung aber gründlich vertieft und auf meine ureigenste Art angepasst habe:

Erfahren Sie alles über sich mit Numerologie !!!
Einfach durch Ihren Namen !!!!!
Mehr als Sie jemals für möglich gehalten haben !!!!1
Mehr als Sie jemals wissen wollten !!!einself

Geben Sie Ihren Namen ein, um ihn mit dem unfehlbaren Wissen der präantiken Genies gepaart mit allerhochmodernster Computertechnologie kabbalistisch-numerolü^Hogisch analysieren zu lassen – Sie können das Feld aber auch leer lassen, dann wird mit modernsten neu-naturwissenschaftlichen Mathematicianmuddrag-Methoden der Raum-Energie-Froschung Ihre bedeutungsvolle Nummer vollautomatisch ermittelt! Sie müssen dazu nur stillsitzen und sich konzentrieren!

Name (optional):

„Geistiges Heilen auf höchster Ebene“

Im „Bayrischen Taferl“, einem wöchentlichen Anzeigenblatt hier in der Region, war diese Woche [Update: und auch später wieder] eine doch recht seltsame Anzeige einer „spirituellen Heilerin“ namens Karin Fritsch – eine Anzeige, die aus viel Text besteht, vermutlich um einem Artikel zu ähneln. Im Folgenden einige Ausschnitte (Hervorhebungen von mir) mit (nicht nur) meinen Kommentaren. Die Überschrift:

Wirbelsäulenbegradigung durch Geistiges Heilen

Andere lassen übrigens noch „göttliche Energien“ in ihre Behauptungen mit einfließen – auf Spreeblick hat Johnny vor gut 3 Jahren einen Bericht von so einer fragwürdigen „Wirbelsäulenbegradigung“, bei der er selbst teilgenommen hatte (bei einem gewissen Christian Stippekohl), geschrieben: „Glaube kann Ferse versetzen“.

Aus der Anzeige:
Das geistige Heilen begründet seine Erfolge in der Tatsache, dass der Mensch aus Körper, Geist und Seele besteht, erklärt die Heilerin Karin Fritsch. Da alles miteinander in Verbindung steht, ist es möglich, über die Seele durch die hohe Schwingung einer kraftvollen Heilenergie, die uns innewohnende, unendliche Weisheit in Aktion zu setzen.

Unendliche Weisheit? Wer kann schon behaupten, die zu haben? Nichtmal ich. :mrgreen: Ne, ernsthaft, das mögen toll klingende Worte sein, aber je mehr hochtrabende und überschwengliche Formulierungen und Superlative auftauchen (und es kommen noch mehr), umso augenwischender und unseriöser erscheint das ganze, finde ich. Nicht dass ich so ein Thema auch nur ansatzweise seriös fände…

Für die Geistheilung reicht eine offene, vielleicht neugierige Einstellung, die man mitbringen sollte.

Oder anders gesagt: Ein Placebo wirkt dann, wenn der Patient nicht weiß oder ahnt, dass es ein Placebo ist.

Um [die Verformung der Wirbelsäule] sichtbar zu machen, zeichnet sie eine Markierungslinie an den Fersen des Hilfesuchenden an, die dann in liegender oder sitzender Stellung seinen Beinlängenunterschied deutlich zeigt.

Man muss ja sehen, wie die Beine hin- und hergeschoben werden… Dazu aus Johnnys Bericht:

Spreeblick:
[…] hält seine Hände beschwörend über mich. Nach wenigen Sekunden darf ich mich wieder hinsetzen, um das Ergebnis zu begutachten. Christian [Stippekohl] packt wieder meine Füße und siehe da: Meine Beine sind nun scheinbar gleich lang! Polaroid!

Es reicht mir. Ich wage den Widerspruch. Ich setze mich etwas anders hin und zeige ihm, dass so meine Füße wieder unterscheidlich lang sind. Ja-ha-ha!!!! weiß der Master etwas säuerlich, aber ich habe ja manipuliert! Ähm… denke ich, bevor Christian weiter macht. Er müsse mir hier nichts beweisen. Er wolle mich beschenken!

Für 120 Euro schenke ich ihm auch etwas, denke ich und sage es wieder nicht. Ich bin verwirrt. Wo bin ich hier gelandet? Beim Verein der fröhlichen Selbstbetrüger?

Muss ich dazu noch mehr sagen? :)

Übrigens bietet die hier inserierende „Heilerin“ auch „Beckenschiefstandskorrektur“ und „Geradestellung der Schulterblätter“ an, von deren „Analyse“ mittels einfach hingehaltener Lineale (und das bei dickem Pulli und Jeans) auch Johnny berichtet.

Anzeige:
In wenigen Augenblicken löst sie, ohne Berührung, mit der gebündelten Kraft eines starken Energiestromes aus höchster Ebene, Blockaden in Körper, Geist und Seele, […]

„Höchste Ebene“, aha. Klar. Oder so. Was auch immer das sein mag. Lösen von „Blockaden“ geht auch einfach durch Entspannung, wie sie auch Johnny erwähnt, unabhängig davon, ob Massage oder Reiki-Behandlung (deren wissenschaftliche Wirkung natürlich auch nicht nachgewiesen ist, mal abgesehen von Placebo-Effekt und eben der Entspannung) im Spiel ist.

Die Heilerin erklärt, dies gelingt, da wir in erster Linie Geistwesen sind und die Aufrichtung auf allen Ebenen menschlichen Seins stattfindet.

Hm, ich könnte jetzt ja versuchen, durch die Luft zu schweben, vielleicht mit Körper, vielleicht auch wenn ich ihn vorübergehend verlasse – als Geistwesen müsste das gehen, oder? Oder kann man das nur durch lange, teure Kurse lernen? :P Aber solche Kurse wären ein anderes Thema, darum geht es in dieser Anzeige ja nicht…

Der Hilfesuchende erfährt sofort eine spürbare Erleichterung, verbunden mit tiefer innerer Harmonie und Frieden.

Dazu zitieren wir wieder Johnny:

Spreeblick:
Ich bezweifle auch nicht, dass es Menschen gibt, die sich nach der „göttlichen Aufrichtung“ besser fühlen als zuvor. Vielleicht, weil sie sich zum ersten Mal seit langem entspannen konnten, vielleicht, weil sie sich einfach besser fühlen wollten und einen Anschub dafür brauchten. Ich denke, dass „Wunderheiler“ die Tatsache nutzen, dass sich viele Menschen an bestimmten Punkten „selbst heilen“ können. Auch der Besuch bei einem Therapeuten kann beispielsweise bereits nach dem ersten Mal auch ohne Aktivität des Therapeuten für Menschen „Wunder“ wirken, da ihnen einfach mal jemand zugehört hat. Manchmal reichen Kleinigkeiten.

Ich weiß nicht, ob oder wieviel die in dieser Anzeige angebotene „Behandlung“ (am übernächsten Wochenende in einem Hotel) kostet – es ist nur eine Münchener Telefonnummer für Voranmeldungen angegeben –, aber meine persönliche Vermutung, dass nachfolgende Angebote teurer werden könnten, dürfte nicht so weit hergeholt sein. Und selbst wenn nicht: wenn die potentiellen Kunden – und wer bei sowas mitmacht, wird ohnehin meist zu solcherlei Esoterik tendieren – erst mal auf den Geschmack gekommen sind, werden „spirituelle Heiler“ sicher nicht arbeitslos werden.

Sicher sind solche „Behandlungen“ in gesundheitlicher Hinsicht erstmal nicht gefährlich, und Entspannung ist ja durchaus begrüßenswert. Abgesehen von einer in Einzelfällen(?) wohl möglichen psychischen Abhängigkeit – es gibt offenbar Leute, die immer wieder zu solchen „Heilern“ gehen, weil etwaige Beschwerden sich doch nicht gebessert haben, sie aber anscheinend so verblendet sind zu glauben, es würde irgendwann doch funktionieren – und den Kosten (wenn sie entsprechend hoch werden), kann es aber insbesondere gefährlich werden, wenn bei schwerwiegenderen gesundheitlichen Problemen auf „echte“ medizinische Behandlung zugunsten inadäquater Mittel oder gar irgendwelcher „Wunderheilungen“ verzichtet wird. Und die Möglichkeit, dass besonders unseriöse unter den „Heilern“ ihren „Patienten“ absichtlich falsche Diagnosen stellen, um ihnen weitere, teure „Behandlungen“ verkaufen zu können, ist in ominösen paramedizinischen Bereichen auch nicht auszuschließen. (Wohlgemerkt: Ich behaupte natürlich nicht, dass die hier inserierende „spirituelle Heilerin“ zu solchen Betrügern gehört, zumal ich sie nicht kenne und auch nichts über sie finden konnte.)


Linktipp: GWUP-Themenseite Paramedizin.

Links der Woche (2008/07)

Kurz und bündig:

Zeitreisen, Weltuntergang, oder was?

LHC Es scheint gerade „in“ zu sein, sich mit vermeintlichen Auswirkungen des neuen Teilchenbeschleunigers LHC (Large Hadron Collider) des CERN, der im Mai fertiggestellt sein soll, zu beschäftigen – mal ganz zu schweigen vom „Ende“ des Maya-Kalenders, das uns das Weihnachtsfest 2012 entweder vermiesen (bzw. verhindern) oder erfreuen soll (ein Thema auch in der aktuellen HörZu) – oder ihn ganz einfach von vorne beginnen lässt… was ist angesichts unzähliger nie eingetroffener Weltuntergangsprophezeiungen realistischer?

So kam kürzlich z.B. hier bei Golem ein Chaosforscher, der sich bestimmt als hervorragenden Wissenschaftler sieht, zu Wort, der seine Verschwörungstheorien und Panikmacherei über die Erzeugung Schwarzer Löcher am LHC, die die Welt angeblich zu verschlingen drohen, an den Mann bringen will, und die Daily Mail berichtet von russischen Mathematikern, die glauben, die Teilchenkollisionen könnten ein Tor zur Zukunft erzeugen, mithin Zeitreisen ermöglichen.
(via Blog mich am Arsch und JanneWap)

Das „Dumme“ dabei ist nur, dass alles, was der LHC an Energien erzeugen kann, immer noch wesentlich kleiner ist als die Energien, die ganz natürlich seit Milliarden von Jahren frei werden, wenn kosmische Teilchen auf die Erdatmosphäre (und auch die anderen Planeten) treffen.

Wo sind also die Zeitreisenden aus der Zukunft? Wo sind die schwarzen Löcher, die die Erde verschlingen, bzw. warum gibt es die Erde überhaupt noch, mit Menschen, die über sowas nachdenken und bloggen können?

Entweder es gibt diese Zeit-Tunnel und Schwarzen Löcher nicht (dann ist die entsprechende Theorie falsch und auch der LHC wird sie nicht erzeugen können) – oder sie sind unauffällig und ungefährlich. Wozu also das ganze Gerede?

Siehe auch » Safety at the LHC.


LHC-Foto von poluz (flickr)