Die hiesigen wöchentlichen Anzeigenblätter übertreiben’s mal wieder: Im Bayrischen Taferl sind gleich vier Seiten „Wohlbefinden für Körper, Geist und Seele“, dabei zum Glück auch vernünftige medizinische Themen, Massage, Selbstverteidigung u.a., eine knappe Seite davon belegt aber das Thema „Warum zum Heilpraktiker?“, das vor unreflektierter Glaubensmedizin nur so strotzt.
IZ Regional alias Pfaffenhofener Anzeiger hat nur eine Seite „Wir sorgen für Ihr Wohlbefinden“, die aber fast ganz dem zweifelhaften Thema Magnetfeldtherapie gewidmet ist. Da muss man die Zeitungen ja schon loben, „Wohlbefinden“ statt „Wellness“ zu schreiben.
Um etwas Abwechslung in meine Anti-Esoterik-Beiträge zu bringen, zitiere ich diesmal den von der „Heilpraktiker-Initiative Landkreis Pfaffenhofen“ stammenden Originaltext von „Warum zum Heilpraktiker?“ (bzw. einen Teil davon), dargestellt in kursiv und orange, und ergänze ihn durch Teile (in schwarz), die meines Erachtens eventuell fehlen könnten oder die man satirischerweise aus Sicht der Eso-Heilpraktiker hinzufügen kann. Ich will dabei natürlich niemandem direkt etwas unterstellen oder alle mit der Berufsbezeichnung Heilpraktiker über einen Kamm scheren, es gibt hier halt wie so oft solche und solche…
Anamnese,
d.h. die Erinnerung (so die griechische Bedeutung) daran, was wir den Patienten am besten erzählen können.
Ein ausführliches Erstgespräch über die aktuelle gesundheitliche Situation, sowie über vergangene und durchgemachte Krankheiten geht jeder Therapie voraus. Es käme ja auch blöd, dem Patienten ohne jede Begründung irgendwas Beliebiges zu geben. Und vielleicht finden wir so ja etwas, das wir als Grund fürs aktuelle Leiden hernehmen können. Von großer Bedeutung sind die persönlichen Lebensumstände und die Konstitution des einzelnen Patienten. (Oder sollte das statt Konstitution nicht besser Kontosituation heißen?) Mit einbezogen werden sämtliche Befunde und Laborwerte, letztere einbezogen in den Shredder, denn was kümmern uns schulmedizinische Labore?
Im Anschluss daran folgt die naturheilkundliche Diagnose-er-findung, z.B. durch die Augen- und Antlitzdiagnose, die Ohrenschmalz- und Popel-Probe und die Pickel-Prüfung, bei attraktiven Patientinnen gern auch eine Kuss-Kontrolle, Elektroakupunktur, weil manchen Patienten Apparate lieber sind als ein Homöopathiekatalog, auch wenn dabei nichts anderes geschieht, bzw. in der klassisch homöopathischen Therapie die Arzneimittelfindung nach dem Ähnlichkeitsprinzip. Also dünne gelbe Pillen für schlanke Blondinen, glatte Kügelchen für dicke Glatzköpfe etc. Basierend hierauf folgt ein individuell auf den Patienten zugeschnittenes Behandlungskonzept, oder er denkt das nach den langen Vorgesprächen zumindest – ich meine, wenn sogar Zeitungshoroskope es schaffen, die Leute zu überzeugen, muss das hier ja erst recht funktionieren.
Therapieformen
Je nach Schwerpunkt des Therapeuten hat der Patient die Wahl der Behandlungs– und Back-form, beginnend bei den klassischen – man könnte auch sagen: veralteten – Naturheilverfahren wie Blutegel-Therapie, wenn wir keine Lust haben, selber zu Skalpell oder Nadel zu greifen, Schröpfen (ein Schelm, wer dabei ans finanzielle Schröpfen denkt) und Aderlass, denn die Ärzte im Mittelalter wussten natürlich mehr über Medizin als alle heutigen Schulmediziner, über Reflexzonen- und Anwohnerparkzonen- und Ernährungstherapie (auch Fressorgie genannt) bis hin zur Homöopathie (oft erwähnen, sie ist beliebt!) und der Pflanzenheilkunde, denn wenn es den Zimmerpflanzen des Patienten gut geht, hilft ihm das selbst am besten. Selbstverständlich ist auch die Gesundheitsvorsorge in der Naturheilpraxis ein fester Bestandteil. Und sorgt dafür, dass die lieben zahlungskräftigen Kunden wiederkommen.
Ganzheitlicher Ansatz
Ganzheitlich ist wichtig! Mindestens in jedem dritten Satz verwenden!
Der Heilpraktiker leistet einen sehr hohen Beitrag zur Therapievielfalt, indem er die Behandlungsmöglichkeiten durch das große Spektrum naturheilkundlicher Methoden bereichert. Jeder neue Eso-Heilpraktiker sollte mindestens zwei neue Therapieformen erfinden, je ausgefallener und mystischer desto besser. Es wäre doch langweilig, immer nur dasselbe zu hören, und wenn ein Patient merkt, dass eine Methode doch nicht wirkt, gibt es eben genügend andere. Durch diese werden die Abwehrkräfte genutzt und das immense Selbstheilungspotential im Zusammenspiel mit Körper, Geist und Seele aktiviert. Dadurch ist es dann egal, ob eure Apparätchen, Zuckerkügelchen oder Berührungchen überhaupt eine echte Wirkung haben. Schlau eingefädelt, oder?
Linktips:
Foto: Sergii Shalimov – Fotolia.com; Zeichnung: Meyers Konversationslexikon von 1888 / Wikipedia