…das übliche – wenn auch optionale – Ende eines deutschen Amtseids. Dass ausgerechnet unser neuer Bundespräsident1 Gauck, ein früherer Pastor, bei seiner heutigen Vereidigung auf die Anrufung seiner höheren Lieblingsmacht verzichten würde, war natürlich nicht zu erwarten – um ihn selbst soll’s hier aber gar nicht gehen.
Sondern um die Formulierung und die Eidformel an sich. Die Amerikaner z.B. hoffen/bitten/flehen einfach „so help me God“, so helfe mir Gott. Aber so wahr… das benutzt man doch sonst eher in Zusammenhängen der Art „so wahr ich hier stehe“, „so wahr ich lebe“ o.ä., also mit einer offensichtlichen Tatsache, die verdeutlichen soll, dass man den Eid (oder die zuvor getroffene Aussage) auch wirklich ernst meint.
In „so wahr mir Gott helfe“ wird der Anfang aber mit einem Konjunktiv, dem Ausdruck eines Wunsches verbunden. Selbst wenn man die verschiedenen Bedeutungen von „wahr“ – der Wahrheit entsprechend, tatsächlich, aufrichtig, richtig, bekräftigend – berücksichtigt, finde ich das seltsam. Der Duden ordnet die Eidformel übrigens ausgerechnet der Bedeutung 1.a. „der Wahrheit, Wirklichkeit, den Tatsachen entsprechend; wirklich geschehen, nicht erdichtet, erfunden o. Ä.“ zu.
Ist da nicht die Ausrede schon mit eingebaut, ist die Formel – auch wenn die sie ernstgemeint Aufsagenden sie anders verstehen – nicht von vorneherein nichtssagend oder eher gegenteilig? So wahr ich hoffe, dass es wirklich so ist? So sehr Gott helfen will, und wenn was schiefgeht, war’s nicht (allein) meine Schuld?
(Dazu hab ich auch einige Politikerantworten bei Humanistische Aktion gefunden.)
Hey, liebe Politiker, auch wenn ihr euch „angesichts“ eurer religiösen Einbildungen noch so sehr gewahr werden wollt, dass der Mensch fehlbar ist, dass ihr euch einer angeblichen höheren Instanz gegenüber verantwortlich fühlt oder was auch immer: Hofft nicht auf Hilfe von jemandem, der bei genauerem Hinsehen dafür bekannt ist, sich vor allem dann überall rauszuhalten, wenn er am dringendsten gebraucht würde – strengt euch selber an! Handelt nicht für die angebliche himmlische Beurteilung anhand von Maßstäben, von denen ihr hofft, dass es zufälligerweise die richtigen sind, die in gar so vielen Variationen gar so vielen Göttern in den Mund gelegt werden – handelt für die realen Mitmenschen, und schiebt die Verantwortung nicht von euch weg „nach oben“!
Und wenn ihr euch wirklich selbst für die Menschen anstrengen wollt – mal hoffend, dass es solche Politiker gibt –, dann könnt ihr auch auf „so wahr mir Gott helfe“ verzichten, oder nicht?
- weshalb dieser Beitrag auch mein Beitrag zum Projekt 42 mit dem Monatsthema „Präsident“ ist [↩]
ulf_der_freak1 23.03.2012 um 21:19 63 Kommentare
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Da es keinen Gott gibt, ist das eigentlich ein Meineid: denn dass er hilft ist ja nicht wahr!
Q.E.D. (1)
(1) Q.E.D.: Quod erat dämlich
cimddwc 23.03.2012 um 21:45 6333 Kommentare
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Ist es offiziell überhaupt ein Meineid, wenn der Eidernde, äh, Schwörende davon überzeugt ist?
Nimm doch q.e.dementia (Dummheit, Verrücktheit), da bleibt’s schön lateinisch.
rolak 24.03.2012 um 7:33 747 Kommentare
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Aussagbar ist eher, daß es keine Belege für die Existenz eines Gottes gibt, womit die Eidesformel eher in die Bedeutung ‚so wahr mir Gott helfen würde, wenn er denn existierte‘ rutscht und ihr als einziger Sinngehalt ein ‚also ich {glaube daran|hoffe darauf}‘ verbleibt.
Als Teil einer Eidesformel, als zu einer Formalie geschrumpftem syntaktischem Gebilde ist es allerdings sowieso verwegen, über Sinngehalt zu sprechen. Die Formulierung ist da eher äquivalent zu ‚so wahr Tante Agathes prima Schokokekse mir beim Denken helfen‘.
Um es endlich einmal klarzustellen: QED ist selbstverständlich das Akronym zu dem weltbewegten Sequel des notredamigen Glöckners, ‚Quasimodo erobert Dänemark‘, sämtliche rückwärtigen Nachdeutungen sind doch nur der schamlose Versuch einer scholastischen Überhöhung.
ulf_der_freak2 23.03.2012 um 21:48 63 Kommentare
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Zitat von cimddwc:
Eher nicht…
Dafür bin ich zu dämlich.
cimddwc 23.03.2012 um 21:57 6333 Kommentare
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Erstens bezweifle ich das, und zweitens gibt’s (Online-)Wörterbücher…
Pingback: Zementblog » Projekt 42: Wind3 06.04.2012 um 13:18