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Global Scaling

Global Scaling und die CPUs

Florian Freistetter schrieb auf Astrodicticum Simplex schon vor einem Jahr einen kritischen Artikel über die Grundlagen von Global Scaling (GS) – einer „Theorie“, die quasi die ganze Welt mit logarithmischen Skaleninvarianzen auf Basis von grundlegenden Eigenschaften von Protonen erklären will (und sich dabei auch vergeblich an Lottoprognosen versucht, worüber ich 2007 geschrieben habe) –, und kürzlich hat „A.F.“ dort in seinem Kommentar (lesen!) etliche Details untersucht und u.a. Fehler in der Grundlage aufgedeckt:

Die Gleichung für die Eigenwellenlänge ist falsch, er muss [statt der Ruhemasse] den Impuls einsetzen, und zwar 3 mal 10 hoch -18 kg m/s, um auf seine gewünschte Wellenlänge zu kommen. Nun muss er begründen wieso ausgerechnet dieser Impuls, den[n] er ist viel zu hoch. Wenn er was erfindet, dann, wieso er die Boltzmann Verteilung unterschlägt, sie sagt aus dass alle Geschwindigkeiten vorkommen und somit Impulse und somit Eigenwellenlängen. Das Gleiche gilt für alle Größen wo die Eigenwellenlänge benutzt wurde, z.B, Eigenfrequenz, Eigenschwingungsperiode, etc.

Das ganze bezieht sich auf S. 15 des „Global Scaling Kompendium (v2.0)“, das beim GS-Institut herunterladbar ist (PDF-Direktlink1).

Wobei ich anmerken möchte, dass eine Änderung des Zahlenwertes des „Eichmaßes“ (Eigenfrequenz etc.) das ganze fraktale Gebilde nur verschiebt, ohne dass sich die Abstände der einzelnen untersuchten Messwerte/Daten ändern – schließlich ist ln ( f / fp ), eine Berechnung in der GS-Analyse, in der jeder Mess-/Datenwert f erst durch das vorab gewählte „Eichmaß“, hier fp, die „Eigenfrequenz“, dividiert wird, dasselbe wie ln ( f ) – ln ( fp ).

Dadurch landen natürlich ggf. andere Daten in den für GS wichtigen Knotenpunkten (und deren „Numerierung“ ändert sich), aber wenn die Daten mit der einen Knotenpunkt-Position eine logarithmische Regelmäßigkeit aufweisen, dann tun sie’s prinzipiell auch mit anderen Positionen – es würden nur andere Daten „wichtig“.

Intel ist GS-kompatibel?

Schauen wir uns folgendes Beispiel aus dem Kompendium (S. 21) über CPU-Taktfrequenzen an:

Analyse-Beispiel: Taktfrequenzen von Mikroprozessoren

GS-CPU-Grafik

Für diese GS-Analyse wird das Protonen-Eichmaß fp = 1,425486…⋅1024 Hz verwendet. Die Taktfrequenzen 16 MHz, 75 MHz, 333 MHz und 1400 MHz sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Protonenresonanz-Frequenzen. Gut zu erkennen ist die logarithmische Skaleninvarianz der Taktfrequenzen, bei denen ein Modellwechsel der Prozessoren stattfindet. Grundlegend neue Konzeptionen in der Prozessor-Architektur entstehen in Knoten des Protonenresonanz-Spektrums.

Schaut ja erstmal ganz nett regelmäßig aus, oder? Tja, aber ein paar Problemchen gibt’s dann doch:

Was an der GS-Analyse nicht stimmt

  • Die „Knoten“-Frequenzen (weiße Mitten der roten (Knoten) und blauen Bereiche (Subknoten)) liegen nicht wirklich exakt bei den angegebenen 4, 16, 75, 333, 1400 und 6600 MHz, sondern (gemäß e k ⋅ fp für die Knotennummern k = −39 etc.) bei 3,67 MHz, 16,46 MHz, 73,8 MHz, 330,6 MHz, 1481,8 MHz(!) und 6641,2 MHz. Verständlich, wenn sie diese zu den tatsächlichen CPU-Frequenzen hin „runden“ wollen, aber die Aussage, dass 16, 75, 333 und 1400 MHz „mit hoher Wahrscheinlichkeit Protonenresonanz-Frequenzen“ sind, wird dann erst recht unsinnig.
  • Die 8086/8088-Chips beginnen bei 4,77 MHz, für den größten Teil des ersten blauen Bereichs (eigentlich −42+3/2, falsch mit −36+3/2 beschriftet) gibt’s also gar nichts.2
  • Es gab keinen Pentium mit 50 MHz, die entspr. Angabe im zweiten blauen Bereich stimmt also nicht.
  • Der Pentium Pro wird komplett ignoriert – dabei ist er der eigentliche Modellwechsel nach dem Pentium, der die Grundlage für Pentium II und III (und weiter modifiziert auch für Pentium M und den ersten „Core“) bildet. Er läge mit 150-200 MHz nicht in einem Knoten/Subknoten, sondern dazwischen – im Widerspruch zur GS-Behauptung über „grundlegend neue Konzeptionen“.
  • Bei diversen Prozessoren passt die angegebene Mitte (in den Knoten oder den grünen Zwischenbereichen) mal besser zu den Taktfrequenzen, die Intel bei der Erstveröffentlichung angeboten hatte (bzw. an den Anfang der Frequenzen) , und mal besser zu später verkauften schnelleren Modellen; die Wahl scheint willkürlich zu sein.
  • Pentium 4 ragt mit bis zu 3,8 GHz de facto weit über seinen blauen Bereich hinaus – und es gibt noch keine neuere CPU, die diese Taktfrequenz erreicht hätte! Insbesondere lägen manche Cores links vom kleinsten Pentium 4.

Nun, vielleicht hat GS ja beim Doppelkern-Prozessor Core Duo die Frequenz doppelt gewertet? Dabei gibt’s folgende Probleme:

  • Es geht GS explizit um die Taktfrequenzen – es wäre also höchst unpassend, Mehrkerne mehrfach zu zählen, denn auch aus zwei Kernen mit z.B. 2 GHz wird keine 4-GHz-Taktfrequenz.
  • Es gibt auch keinen Core Duo (oder Core 2 Duo) mit 1900 MHz, der die genannten 3800 MHz ergäbe.
  • Die Einzelkerne Core Solo dürften auch dann nicht ignoriert werden, und die würden eben wieder viel zu weit links liegen.
  • Quad-Cores erweitern, entsprechend mit 4 multipliziert, die Frquenzbereiche noch mehr, was dann umso lächerlicher wird, weil sie dann schon von einem „(Sub-)Knoten“ in den nächsten reichen.

Um das ganze zu veranschaulichen, hab ich ein eigenes Diagramm mit den tatsächlichen Taktfrequenzbereichen erstellt (anklicken für eine breitere Version):

Intel-CPU-Frequenzen

Horizontale Balken: Frequenzbereiche:
orange: neue Prozessor-Architektur
gelb: eher kleinere Änderungen
weiß/grau: verdoppelte bis vervierfachte Werte bei Dual- und Quad-Cores
kräftig: Frequenzen bei Erstveröffentlichung (ganz blass nach unten fortgesetzt)
blass: Frequenzbereich insgesamt
Die Namen stehen links von den zugehörigen Balken; von GS ausgelassene CPUs haben graue Namen.

Senkrechte Linien:
blau: die von GS genannten Knoten und Subknoten
rosa: die eigentlich errechneten

Unten sind noch mal die von GS genannten Frequenzen markiert.

Die Daten stammen aus der (v.a. engl.) Wikipedia, aus Intel-Spezifikationen und von sandpile.org.

Der Core i7 ist recht neu, daher gibt’s noch wenige Modelle; Core i5 und i3 sollen z.T. im selben Bereich oder darunter erscheinen sowie teils als Single- und Dual-Core – dann würde der weiß/graue Balken deutlich breiter…

Verwendet AMD andere Protonen?

Warum nur Intel? Tja, während Intel-CPUs sich noch wie oben halbwegs ins GS-Schema pressen lassen, müsste man bei AMD zwischen 75 und 1400 MHz „sinnvollerweise“ zwei statt einen Zwischenknoten einlegen (bei der K6- und K7-Erstveröffentlichung), und das geht wohl nicht mit dem ach so fundamentalen e3/2-Faktor zwischen den Knoten, der als einziger im ganzen GS-Kompendium verwendet wird… Und man müsste nach dem K8 aufhören oder Mehrkern-Klimmzüge unternehmen. Hier mein Diagramm dazu:

AMD-CPU-Frequenzen
(Erstveröffentlichungsfrequenzen bei Am286/386 unbekannt)

Fazit zu den CPUs

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass GS hier wohl zu Zeiten, in denen der Pentium 4 jung war, die Prozessor-Frequenzen grob in ihr logarithmisches Schema gepresst haben und später noch mehr Probleme mit dem Core hatten – immer nach dem Motto „Hauptsache es kommt etwas irgendwie Passendes raus“, auch wenn Daten inkonsequent gewählt oder ausgelassen werden.

„Das fundamentale Zeitfraktal“

Auch wenn es gewissermaßen nur ein Exkurs ist, da es nicht mit den CPUs, dem Hauptthema des Artikels, zu tun hat, möchte ich hierzu noch ein paar Worte verlieren. Es geht um angebliche „wichtige Wendepunkte“ im menschlichen (und tierischen) Leben: 7 und 33 Tage nach Befruchtung der Eizelle, im 5. Monat – und dann nochmal von vorne 7 und 33 Tage nach der Geburt, im Alter von ca. 5 Monaten, 2, 8 und 37 Jahren (genauer berechnet: 22,2 Monaten, 8,3 und 37,2 Jahren), wenn „wesentliche physiologische Veränderungen im Leben eines Menschen oder Tieres“ stattfänden.

A.F. hat schon auf die Beliebigkeit der Auswahl hingewiesen – etwa ob die Geburt unwichtig sei –, ich möchte ergänzen:

  • Laut Wikipedia nistet sich die Eizelle nicht nach 7, sondern nach 5-6 Tagen in der Gebärmutter ein (bzw. beginnt damit).
  • Die Pubertät – im Alter von 10-18 bei Mädchen und 12-20 bei Jungen (in unseren Breiten) – wäre also offenbar auch unwichtig und ohne „wesentliche physiologische Veränderungen“…
  • Wenn man sich vor Augen führt, wie enorm unterschiedlich die einzelnen Tierarten sind, sollte man auch sehen, wie enorm unsinnig der Versuch von GS ist, ihnen dieses angeblich allgemeingültige, „fundamentale Zeitfraktal“ überzustülpen..

Gesamtfazit

Meiner Meinung nach drängt sich dieser Schluss auf: Global Scaling ist keine wissenschaftliche Theorie bzw. Forschung, die Zusammenhänge in Natur und Technik entdeckt und berechnet, sondern pseudowissenschaftliche, numerologieähnliche Zahlenspielerei, die ihre Phantasien hinterher hineininterpretiert oder von vorneherein passende Daten sucht und Unpassendes gerne mal ignoriert – wobei die ganzen Protonen-Eigenschaften nur verwendet werden, um dem ganzen willkürlichen Gebäude scheinbar3 eine physikalische Grundlage zu geben.

Und da soll die angebliche GS-Verschlüsselung oder -Datenkommunikation (vor der auch FINANZtest gewarnt hatte) so funktionieren wie behauptet?

 


Linktips (*=schon oben verlinkt):

  1. auch wenn der Dateiname eine andere Version andeutet []
  2. Zumindest nicht in der x86-Welt; davor hatte der 8080 2 MHz, sein Vorgänger 8008 0,5 bis 0,8 MHz, was sogar fast zum nächsten „Knoten“ bei 0,82 MHz passen würde. Schade aber für den 8080, der „allgemein als erster vollwertiger Mikroprozessor angesehen“ wird, er ist offenbar eher unbedeutend – wenn man GS glauben will… []
  3. ich erinnere an dieser Stelle mal daran, dass „scheinbar“ (im Gegensatz zu „anscheinend“) bedeutet: „sieht nur so aus, trifft aber in Wirklichkeit nicht zu“ []

Ermittlungen gegen zyprische Global-Scaling-Vermarkter

Meine Stammleser erinnern sich vielleicht noch an die angeblichen Lottovorhersage einer Pseudowissenschaft namens Global Scaling, die mit fundamentalen Fraktalen und Protonen­resonanzen quasi die ganze Welt erklären will – was ihr bei Prozessoren (und anderen Dingen) nicht mal mit radosophischer Rosinenpickerei so recht gelingt, wie ich letztes Jahr dargelegt habe – und zu der es eine in Nordzypern ansässige Firma gibt, die Anleger für eine Verschlüsselungs­technologie gesucht hatte.

Wie mir nun zugetragen wurde (danke!), wird nun gegen diese Firma, die GSDI Cyprus Ltd., ermittelt – wie auf der Seite der Kanzlei Lippke gemeldet wird:

Jetzt bangen die Anleger um ihr Geld. Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Dresden wird im Zusammenhang mit der GSDI Cyprus Ltd. ein umfangreiches Ermittlungsverfahren geführt. Nach vorliegenden Informationen hat die Staatsanwaltschaft Dresden dabei Konten der ebenfalls in Nord-Zypern ansässigen Yesilada-Bank gepfändet.

(Kurze Hinweise für Anleger, die ihr Geld zurück wollen, gibt’s dort auch.) Die Hauptwebsite, die für die Anlegerwerbung benutzt wurde, www.morint.com, ist seit kurzem anscheinend nicht mehr erreichbar. Zudem ist die Website www.protosafe-security.com der Verschlüsselungsprodukte namens ProtoSafe derzeit „under construction“ – muss natürlich nicht viel bedeuten…

Das deutsche Global-Scaling-Institut wiederum, das sich mit den Schwerpunkten Ausbildung, Forschung, Projekten, Dienstleistungen und Programmen präsentiert – die „Lottoprognose“ wird nicht mehr so auffällig präsentiert wie noch vor ein paar Jahren, ist aber noch da und aktiv –, gibt in einem aktuellen „Rundbrief an betroffene Anleger“1 an, sie hätten nur „die Entwickung der Technologie bis 2007 konsultativ begleitet“ und nicht gewusst, wie viel Geld GSDI seitdem bekommen hätte. Weiter schreiben sie:

Seit mehr als einem Jahr wurde uns jegliche Möglichkeit und jegliche Versuche, mehr über die technischen Details von ProtoSafe oder Secureball zu erfahren, seitens der GSDI unterbunden. Hätten wir gewusst, dass schon seitens der Gläubiger enorm viel Geld investiert wurde, hätten wir uns auf jeden Fall in die Sache eingemischt um die Menschen zu warnen.
[…]
Wir haben vor, gegen die Firma, die Investoren gelockt hat, wegen Missbrauchs des Global Scaling Namens rechtlich vorzugehen. Gleichzeitig wäre es geschickt, wenn alle Anleger und Investoren per Gericht die Rückzahlung der Gelder einfordern.

Man gibt sich nun also ganz unwissend und nobel. Ob das mit dem Namensmissbrauch klappen kann, obwohl das GS-Institut ja früher begleitend dabei war? Keine Ahnung. Den folgenden Vorschlag finde ich dann schon sehr dreist:

Wir unsererseits greifen den Anlegern unter die Arme mit folgendem Vorschlag: Gelder, die für die Entwicklung der Global Scaling Technologien investiert worden sind, nach Rückholung in die gemeinnützige Global Scaling Stiftung einzuzahlen, die bei einer deutschen Bank angelegt und unter Aufsicht der oberbayerischen Stiftungsbehörde verwaltet werden.

Die GS Stiftung unterstützt zentral zahlreiche Projekte, die Global Scaling als Idee in sich tragen. Dabei sind die Themenbereiche so optimal gewählt, dass sie durch die Streuung ein riesiges Markt-Potential haben. Durch die Art der Innovationen, Umweltfreundlichkeit, Gesundheitsförderung etc. sind nach unseren Einschätzungen und nach Einschätzungen führender Branchen-Spezialisten hohe Erträge bei diesen Projekten zu erwarten.

Die von GSDI Cyprus geprellten Anleger sollen also nun weiter in GS investieren?? ’tschuldigung, aber auch wenn eine deutsche Stiftung ein Fortschritt gegenüber obskuren ausländischen Firmen ist, hoffe ich doch, die Anleger werden klüger und werden GS ganz den Rücken kehren – die, vorsichtig ausgedrückt, wissenschaftlich obskuren, unsinnigen Grundlagen bleiben schließlich dieselben, und das mit angeblich hohen Ertragsmöglichkeiten sollte auch irgendwie vertraut vorkommen…

Wie ehrlich ist das GS-Institut hier überhaupt hinsichtlich ihrer GSDI-Cyprus-Nichtbeteiligung? Nun, ich maße mir da kein Urteil an, das wird im Zweifelsfall die Staatsanwaltschaft zu klären haben; aber es gibt da ein Youtube-Video (das ich vorerst nicht verlinke), in dem auch ein „Prof. Müller“ als Fragenbeantworter einer ProtoSafe-Pressekonferenz angekündigt wird – im Juni 2009. Und wenn es sich dabei um den Instituts­geschäftsführer Hartmut Müller handeln sollte…

 

Update 19.2.: Das GS-Institut schrieb vor einigen Tagen (in m.E. ziemlich eingebildeter und fast schon unfreiwillig komischer Weise) über Ergebnisse der Anleger-Versammlung und „Warnung vor falschen Investitionen“2, was Florian Freistetter heute trefflich kommentiert hat.

Update 15.3.: Eine Meldung über den Anlagebetrugsvorwurf beim Finanznachrichtendienst GoMoPa vom 9.3.2010 mit ein paar Details (leider nicht in voller Länge frei verfügbar).
Update 4.5.: Den kompletten Text (4 weitere Absätze) gibt’s jetzt bei bei konsumer.info.

Update 11.2.12: Urteile im Betrugsprozess

  1. www.global-scaling-institute.de/74-0-Aktuelle-Investitionen.html archiviert bei WebCite® am 3.2.2010 []
  2. www.global-scaling-institute.de/75-0-GSDI-Affaere-aktuell.html archiviert bei WebCite® am 19.2.2010 []

Prozess gegen Global-Scaling-Vermarkter beginnt

Da ich hier ja immer wieder mal über das pseudowissenschaftliche Global Scaling schreibe (begonnen mit der angeblichen Lottovorhersage damals; » alle Artikel), kurz eine Nachrichtenmeldung.

Nicht nur die direkten GSDI-Cyprus-Verantwortlichen sind angeklagt (siehe Titel), Global-Scaling-Begründer Hartmut Müller selbst ist auch dabei. Die Sächsische Zeitung berichtet heute:

Zusammen mit drei weiteren Angeklagten muss sich der 56-jährige Hartmut Müller, der das Institut für Raum Energie Forschung in München leitet, ab morgen vor dem Dresdner Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft ihm Beihilfe zum Betrug vor. Den drei anderen Beschuldigten aus dem Raum Leipzig wird Anlagebetrug in beträchtlichem Ausmaß vorgeworfen. Ein Sprecher von Müllers Institut erklärte, dass sein Chef die Vorwürfe bestreite. Die Verteidiger der anderen Beschuldigten wollten sich nicht zu den Vorwürfen äußern.

[…] Dazu hatte rund ein Dutzend Leute 2003 im international nicht anerkannten Nordzypern eine Gesellschaft zur Datensicherung im Internet gegründet, GSDI Cyprus Ltd. genannt. Darunter Wolfgang U. und Helmut W., die ab morgen ebenfalls auf der Anklagebank sitzen. Wichtigster Mann aber war der umtriebige Leipziger Anlageberater Gerhard Steinbach mit seiner Firma SVI (Service, Vertrieb & Invest).

Hinzu komme noch ein Jörg P. als vierter noch lebender Angeklagter; Steinbach beging im März Selbstmord. Bis das Ergebnis feststeht, wird’s noch ein bisschen dauern – 22 Prozesstage sind bis Mitte April geplant.

Mehr – auch über die kurz zusammengefasste Geschichte des angeblichen GS-Kommunikationsprodukts – im Artikel der Sächsischen Zeitung.

Die News-Seite des Global Scaling Instituts1 sagt übrigens aktuell noch nichts dazu; die letzte Nachricht ist vom Oktober. Würde mich aber eh wundern, wenn sie es täte…

Update 11.2.12: » Urteile!

Update 25.10.12: » Der geflohene Müller wurde in Brasilien verhaftet.

  1. www.global-scaling-institute.de/82-0-9–Oktober-Festival-in-Erfurt.html archiviert bei WebCite am 10.01.11 um 09:45 MEZ []

Urteile im Global-Scaling-Betrugsprozess – „ein unglaublicher Schwindel“

Wie mich ein Kommentator vorhin informiert und wie auch EsoWatch schon eingetragen hat, wurden im Prozess gegen die Global-Scaling-Vermarkter GDSI Cyprus und Global-Scaling-Erfinder Hartmut Müller – der länger als erwartet gedauert hatte – nun die Urteile gesprochen:

Die Vermarkter und eigentlichen Hauptangeklagten des Anlagebetrugs erhalten zwei bis vier Jahre, Hartmut Müller jedoch, der ursprünglich nur wegen Beihilfe angeklagt war und eine angebotene Bewährungsstrafe abgelehnt hatte, muss für vier Jahre und fünf Monate in Haft – wenn er geschnappt wird, denn anscheinend hat er nach 40 von 50 Verhandlungstagen die Flucht vorgezogen. Aus dem Zeitungsausschnitt der Dresdner Morgenpost bei EsoWatch:

[D]as Gericht erhob penibel Beweis und enttarnte einen unglaublichen Schwindel: Die Forschungsstelle war ein virtuelles Büro, es gab keine Messreihen, sämtliche Experimente waren großer Schmu und auch der Doktor-Titel war nicht echt!

Der Nicht-Doktor-Titel war ja schon bekannt; dass der Rest dieses pseudo­wissen­schaftlichen Konstrukts nichts mit der Realität zu tun hat, eigentlich auch, wenn man mal genauer hingeschaut hat; aber die Umstände und dass es hier schwarz auf weiß gerichtlich beurteilt zu lesen ist, ist durchaus interessant.

Die Sächsische Zeitung berichtet auch in der heutigen Ausgabe, aber nur die Einleitung ist kostenlos zu lesen1 – u.a. mit dem Hinweis:

Noch nie musste Richter Hans Schlüter-Staats zweieinhalb Stunden über Physik und Mathematik reden, um ein Urteil zu begründen.

Und konkret wird von „gewerbs- und bandenmäßigem Betrug“ gesprochen.

Eine Pressemitteilung der Justiz in Sachsen konnte ich auch noch nicht finden. Vielleicht nächste Woche; falls es von dort (oder anderswo) noch etwas Interessantes zu berichten gibt, werd ich das hier natürlich tun.

Jetzt frag ich mich nur noch, was die ganzen Global-Scaling-Fans machen, wenn sich das Urteil rumspricht und sie merken (sollten), dass sie einem Betrug hinterhergelaufen sind – aber irgendwie werden viele es wohl einfach verdrängen; ob auch ein paar zugehörige Webseiten sang- und klanglos verschwinden? Mal sehen…

Nachtrag 21.4.: Ein aktueller Artikel in der FAZ, der u.a. ein paar Details zum Prozess und zu Müllers Betrug nennt.

Nachtrag 25.10.: BBC News meldet, Müller wurde in Brasilien verhaftet.

  1. Und leider ist auch ein billiger Einzelabruf nicht möglich; ein Monatsabo für 5 € will ich für diesen einen Artikel jetzt auch nicht abschließen… []

Links und Videos der Woche (2012/07)

  • Über gescheiterte (also alle) Weltuntergangsprophezeiungen und -propheten:
    „Was geschieht, wenn nichts geschieht?“
  • Das Sonnensystem: Ein Buch mit vielen leeren Seiten (mit Video)
  • EsoWatch zum Global-Scaling-Netzwerk:

    Das Außergewöhnliche am Global Scaling lag in der hohen Zahl der Personen, die auf diesen Betrug angesprungen sind. Es wurde ein richtiger Pseudowissenschaftsbetrieb aufgezogen, mit einer “University of Global Scaling“, Konferenzen, Fortbildungen und so weiter. Das EsoWatch-Wiki enthält 50 Einträge, die in einem Bezug zu Global Scaling stehen. Der justiziable Betrug mit der Kommunikation über ‘Gravitationswellen’, der über die GSDI abgewickelt wurde, macht dabei nur einen kleinen Teil aus. Der größere Schaden entstand im medizinischen Bereich, da wieder einmal kranke Menschen abgezockt wurden.

    Weiterlesen

  • Herr Reizzentrum „seziert“ die Rücktrittsrede von Wulff und Merkels Rede dazu.
  • Wulffs Rücktrittsrede (auszugsweise) von Kermit vorgetragen (via @veloc1ty):